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[Tipps gegen Frust und Zukunftsangst]



Erfolg ist, was glücklich macht –
Dauerstress, Frust und Magengeschwüre gehören nicht dazu.


Im Land herrscht Katzenjammer. Drei flaue Wirtschaftsjahre, eine Rekordzahl an Insolvenzen, unentwegte Kürzungsdebatten und die Risiken der Globalisierung haben vielen Menschen die Stimmung verdorben. Manche geraten in die Passivität des Dienstes nach Vorschrift, innere Verweigerungshaltungen nehmen zu, Angst geht um. Nie war es leichter, sich als Opfer der Umstände zu sehen, als Opfer des Turbo-Kapitalismus, der Gewerkschaften, unfähiger Politiker oder inkompetenter, despotischer Konzernlenker.

Dabei sind nach einer Untersuchung der Pilot-Unternehmensberatung bei 5650 Insolvenzen klein- und mittelständischer Betriebe zu über fünfzig Prozent Führungsmängel für die Pleiten verantwortlich, nicht etwa negative äußere Umstände. Statt rechtzeitig entschlossen zu handeln, wurde aufgeschoben, getreu der Devise: „Es gibt viel zu tun, warten wir’s ab.“

Egal, ob es sich um berufliche Alltagsdinge handelt, um Karriereplanung, die Entwicklung neuer Geschäftsideen, den Studienabschluss oder um das private Glück: An guten Vorsätzen herrscht kein Mangel, aber bei der Durchführung hapert es oft. Handlungsstörungen – so der psychologische Fachbegriff – sabotieren die schönsten Pläne: „Wir zögern, zaudern, zagen und schieben die Dinge vor uns her, solange es irgendwie geht“, schrieb der Berliner Psychoanalytiker Hans-Werner Rückert in seinem Bestseller „Schluss mit dem ewigen Aufschieben“.

Mit seinem neuen Buch „Entdecke das Glück des Handelns“ legt Rückert, der Chef der Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung der Freien Universität ist, nun nach.
„Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, zitiert er Friedrich Hölderlin „aber das gilt nicht für diejenigen, die sich folgenlos klagend durchhängen lassen, sondern nur für Leute, die trotz aller Widrigkeiten anpacken.“ Auf diese Weise lässt sich nicht nur die lähmende Alltagsdepression vermeiden, sondern sogar Glück generieren. „Das Wesen des Glücks besteht darin, sich um es zu bemühen, also zu handeln“, sagt Rückert.

Wer handlungsorientiert Probleme lösen will, muss die hauptsächlichen Quellen für das Scheitern trotz bester Absichten trocken legen: Entschlusslosigkeit, Zweifeln und Grübeln, Sorglosigkeit und Unachtsamkeit, Aufschieben und sich verzetteln, Untergehen im Alltagstrott, Leben in Dauerkonflikten und Steckenbleiben in hartnäckigen Widerständen. Die meisten stellen sich vor, dass sie zur Überwindung dieser Blockaden mehr Selbstdisziplin mobilisieren und den inneren Schweinehund überwinden müssten.

Nun ist die Fähigkeit, sich selbst zu steuern und zu beherrschen, zweifellos eine feine Sache. „Mit mehr Achtsamkeit und mehr Selbstkontrolle lässt sich tatsächlich mehr erreichen, mit dem einen oder anderen Motivationstrick können Sie sich über den Berg helfen und eine Sache wirklich durchziehen“, empfiehlt der Experte. „Aber wir alle kennen auch Situationen, wo wir mit mehr Einsatz nicht weiter gekommen sind, wo wir uns ergebnislos in eine Arbeit verbissen haben, die wir einfach nicht packen konnten. Dann haben wir erschöpft aufgegeben – und am nächsten Tag ging alles wie von selbst, ohne Krampf und Anstrengung.“ Viele in der Universität erleben das beispielsweise beim Abfassen schriftlicher Arbeiten, wo mehr Kontrolle und der Versuch, einen schwierigen Sachverhalt zu formulieren, gelegentlich so erlebt werden kann, als wolle man mit dem Kopf durch die Wand. Ein paar Tage später fließen die Sätze nur so aus der Feder.

Die Verhaltensforscher Paul Watzlawick, John Weakland und Richard Fisch haben diese unterschiedliche Arten des Wandels als Lösungen erster und zweiter Ordnung bezeichnet. Eine Lösung erster Ordnung besteht darin, „mehr desselben“ zu tun: Das Lesepensum des Semesters erfordert mehr Zeit für Lektüre, also muss der Tag vernünftiger geplant werden. Kommt man nicht so voran wie erhofft, muss der Plan überarbeitet und besser kontrolliert werden; für das Studium muss mehr Zeit frei gemacht werden. Man sieht ein, dass man sich intensiver mit dem Lernstoff beschäftigen muss und strengt sich an, bis der gewünschte Zustand erreicht ist. Man muss bei der Sache bleiben, fortlaufend die eigenen Handlungen kontrollieren, was leichter ist, wenn man über gute Selbstmanagementfertigkeiten verfügt.

Natürlich funktionieren solche Lösungen letztlich nur mit Anstrengungsbereitschaft und Willenskraft. Auf die Dauer haben nur die Glück, die sich auch bemühen. Der erste Schritt zu kompetentem Handeln besteht darin, Defizite zu beheben. Realistische Zielsetzungen mit Zwischenzielen sind Meilensteine in verbindlichen, klaren Plänen, die den Weg strukturieren. Die erforderlichen eindeutigen Handlungen lassen sich durch Vorstellungsübungen und Visualisierungen einüben. „Beseitigen Sie Störquellen und machen Sie es sich zur Regel, das Gegenteil dessen zu tun, was Ihnen der ablenkende Einfall suggeriert“, sagt Hans-Werner Rückert. „Durchbrechen Sie einschränkende Routinen, in denen Sie sich befangen fühlen. Bleiben Sie locker, belohnen Sie sich und bilanzieren Sie Ihre Fortschritte.“

Eine Lösung zweiter Ordnung besteht darin, einen untauglichen Versuch der Lösung nach dem Prinzip „mehr desselben“ aufzugeben und etwas anderes zu machen: „Viele Studierende mit Arbeitsstörungen versuchen sich zu zwingen oder irgendwie zu motivieren. Dabei beschäftigen sie sich noch weniger mit dem Lernpensum, sondern grübeln ergebnislos darüber nach, was sie tun könnten, um mehr Lust zum Studium zu haben. Wenn das nichts bringt, lesen sie Selbsthilfebücher und beobachten sich noch schärfer, wodurch sie noch weniger studieren. Nach einer gewissen Zeit ist ihr Selbstheilungsversuch in paradoxer Weise Teil des Problems geworden“. Es kann jetzt nur noch durch „weniger desselben“ besser werden, dadurch, sich mitsamt der Arbeitsstörung zu akzeptieren und die untauglichen Strategien aufzugeben.

„Probleme zweiter Ordnung verlangen von Ihnen, über den Rahmen des Gewohnten hinaus zu denken und zu handeln“, schreibt der Autor. Entscheidende Voraussetzung dafür ist es, sich von Vorstellungen darüber zu lösen, wie das Leben, die Dinge und andere Menschen zu sein haben und die Fähigkeit zu entwickeln, natürliches Begehren tatkräftig zu verwirklichen. Authentizität, Achtsamkeit und Aktivität sind entscheidende Bestandteile um einen eigenen Lebensentwurf umzusetzen.

Fred Winter

Foto: Ausserhofer



Hans-Werner Rückert: „Entdecke das Glück des Handelns – Überwinden, was das Leben blockiert“, erschien im Campus Verlag 2003, 316 Seiten, 17,90 Euro


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