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[Forscher der FU werten Mars-Bilder aus]


Vertikale Ansicht eines Tafelberges in den Farben des Mars.
Das Hochplateau erhebt sich ca. drei Kilometer über die Umgebung.


Die Sensation war perfekt: Während der amerikanische Marsroboter „Spirit“ auf dem Marsboden gegen Sandstürme und eisige Temperaturen ankämpfte, kreiste der Orbiter der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in 300 Kilometer Entfernung gemächlich auf seiner Laufbahn um den roten Planeten. Als die Forscher noch verzweifelt auf ein Zeichen des verschollenen Roboters „Beagle 2“ warteten, war der Orbiter unbemerkt von der Öffentlichkeit auf seine Route eingeschwenkt. An Bord trägt er eine hochauflösende Kamera, die unablässig Daten auf die Erde funkt. Nach der Auswertung der ersten Bilder steht fest: Es gab Wasser auf dem Mars. Und zwar in rauen Mengen.


Kratergipfel des Vulkans Albor Tholus in der Elysium-Region
(Durchmesser 30 Kilometer).

Gerhard Neukum vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin entwickelte die Super-Kamera, die die sensationellen Bilder aufnahm. Unter seiner Leitung hat ein 43-köpfiges Wissenschaftler-Team aus 25 Instituten und zehn Ländern nun vor, die gesamte Marsoberfläche zu kartieren. So genau wie eine Wanderkarte, dreidimensional und in Farbe. Zwar bietet das Klima des Mars wenig, das Abenteurer anlocken könnte: Sandstürme fegen mit siebzig Kilometern pro Stunde darüber hinweg. Nachts sinken die Temperaturen auf bis zu minus 140 Grad. Aber schon die ersten Bilder, die die Kamera auf die Erde funkte, dürften sogar den Marlborough-Mann inspirieren: Sie zeigen einen Canyon von mystischer Schönheit. Das „Valles Marineris“ ist bis zu viertausend Kilometer lang und zehn Kilometer tief. Weitere Bilder zeigen riesige Gletschermoräne und Sedimente von Flusstälern, die sich Hunderte Kilometer tief eingegraben haben. „Ich kann mit Sicherheit sagen, dass durch diese Schluchten einmal viel Wasser geflossen ist“, erläutert Gerhard Neukum. Bestätigt wurde dies dadurch, dass die Wissenschaftler am Südpol des Mars sowohl Kohlendioxid- als auch Wassereis entdeckten.

Neukums Kamera schmückt sich mit dem komplizierten Namen HRSC (High Resolution Stereo Camera). Dahinter verbirgt sich ein zwanzig Kilogramm schweres Fotogerät, das arbeitet wie ein Flachbettscanner: Neun verschiedene Zeilensensoren nehmen quer zur Flugrichtung denselben Bildstreifen auf. Weil jeder Sensor das gleiche Bild aus einem anderen Blickwinkel aufnimmt, kann daraus ein dreidimensionales Bild konstruiert werden – ähnlich wie beim Menschen, der erst durch die Sehfähigkeit von zwei Augen räumliches Wahrnehmungsvermögen entwickelt. Aus fünf dieser Bildstreifen werden 3-D-Bilder erzeugt. Die übrigen vier Sensoren sind mit Farbfiltern versehen. Der Clou ist ein zweiter Kamerakopf, der wie eine Lupe arbeitet: Das ultra hochauflösende Teleobjektiv SRC fotografiert weitere Details von der Marsoberfläche, die in die übrigen Bilder eingebettet werden. Beachtlich ist die hohe Auflösung der Bilder: Mit zwölf Metern pro Bildpunkt (Pixel) aufgenommen aus 275 Kilometer Höhe liefert die HRSC einen neuen Rekord der Marsforschung.


Der Mars Express Orbiter liefert gestochene Bilder.

Die schwierigste Aufgabe war für die Wissenschaftler die genaue Abstimmung der Kamerageschwindigkeit und der Taktrate, mit der die einzelnen Bildzeilen aufgenommen wurden. Denn die Zeilen sollten möglichst lückenlos aneinander passen und die Pixel des Bildes im Idealfall quadratisch sein. Da die Geschwindigkeit sich wegen der elliptischen Umlaufbahn ständig ändert, musste also die Taktrate entsprechend angepasst werden. Bevor die Bilder auf dem Schreibtisch von Gerhard Neukum in Lankwitz ankommen, haben sie einen langen Weg hinter sich: Zunächst werden sie auf der Raumsonde gespeichert, mit Lichtgeschwindigkeit durch das All geschickt und von der vierzig Meter langen Antenne der NASA-Station Deep Space Network in Madrid empfangen. Anschließend werden sie an das ESA-Kontrollzentrum ESOC (European Space Operations Centre) in Darmstadt übermittelt. Erst von dort aus geht es weiter nach Lankwitz. Bis die Wissenschaftler aus den Daten ein Bild rekonstruiert haben, vergeht ein halber Tag.

Warum ist es wichtig, den Mars räumlich zu kartieren? „Nur so ist die genaue Untersuchung von Oberflächenstrukturen wie Täler, Berge, Vulkane und Flussdeltas möglich“, erklärt Neukum. „Aus der geografischen Struktur kann man präzise die Entwicklung des Planeten rekonstruieren.“ So sei es beispielsweise möglich, durch Aufnahmen eines Meteoritenkraters dessen genaues Alter zu ermitteln.

Man hofft, auch Parallelen zur Erde herstellen zu können. Der Mars gilt wegen seiner Rotationsdauer, Jahreszeiten, Atmosphäre und Entfernung zur Sonne als der erdähnlichste Planet im Sonnensystem. Bisherige Missionen ließen vermuten, dass der rote Nachbar vor etwa 3,5 Milliarden Jahren eine drastische Klimaveränderung durchmachte, in deren Verlauf große Mengen Wasser verschwanden. Bis dahin war der Mars mit großer Wahrscheinlichkeit ein warmer und feuchter Planet. Wodurch wurde diese Klimaveränderung ausgelöst und wie verlief sie genau? Wo kamen die Wassermengen her, wo findet man sie heute? Die Wissenschaftler erhoffen jetzt genaue Antworten. Während die Forschungsarbeiten auf Hochtouren laufen, finden die Forscher auch Zeit für Spielereien: Aus den ersten Bildern wurde ein Videofilm geschnitten. Das erste echte Mars-Movie wurde in Darmstadt präsentiert. Da dürfte Arnold Schwarzenegger, der als Gouverneur von Kalifornien in einem NASA-Kontrollraum die Landung des US-Rovers „Opportunity“ verfolgte, vor Neid erblassen – Schwarzeneggers Film „Total Recall“ spielte auf dem Mars.


Eines der ersten Bilder von der Marsoberfläche –
dieses Foto lief durch die Weltpresse.

Bemannte Raumstationen auf dem Mond, mit Kernenergie ins Weltall, ein erster menschlicher Fußabdruck auf dem Mars – der Ehrgeiz von Forschern und Politikern kennt keine Grenzen mehr. Der „Mars Express“ hat eine neue Periode der Marsforschung eröffnet. Doch was ist realistisch, was bloße Spekulation? Zuverlässige Aussagen darüber sind heute kaum möglich. Egal, was die Marsforschung der Zukunft bringen wird – Gerhard Neukum ist sich sicher: „Unsere Kamera liefert dafür die Basisdaten.“

Von Michaela Marx

Fotos: ESA



[Rote Zahlen für Roten Planeten]

US-Präsident George W. Bush möchte bis 2015 wieder Astronauten auf den Mond schicken. Sie sollen bis 2020 eine Mondstation ausbauen, von dort aus sind bemannte Flüge zum Mars geplant. Bushs Vision wird weithin als Mega-Prestige-Projekt aufgefasst, Beweis für die US-Vormachtstellung im Kosmos: Wenn die Chinesen mit Taikonauten den Mond erobern, müssen die USA schon einen Schritt weiter, auf dem Mars sein. Für seine Pläne erhielt der US-Präsident bisher wenig Beifall. Neid oder Realismus? Die Kosten werden auf mehrere 100 Milliarden Dollar geschätzt. Der wissenschaftliche Wert dieser Mission ist fraglich. Im eigenen Land wird er des „finanzpolitischen Wahnwitzes“ beschuldigt. Über die Hälfte der Amerikaner raten ihrem Präsidenten, das Geld lieber in das Bildungs- und Gesundheitssystem zu stecken. Die Opposition nennt Bush angesichts der amerikanischen Haushaltsprobleme einem „Mann vom anderen Stern“, der „rote Zahlen auf einem roten Planeten“ schreiben wolle. Bushs Idee ist nicht neu: Schon sein Vater George Bush hatte vorgeschlagen, bis 2019 zum Mars zu schweben. Die ersten Pläne, Astronauten auf den Mars zu schicken, gehen auf Wernher von Braun zurück. Der deutsche Ingenieur, der für Hitler die V-Waffen gebaut hatte, konstruierte im Auftrag der Nasa die Trägerrakete Saturn V für die erste Mondlandung.

mi


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