Die biopolitische Debatte ist forschungsfremd und ökonomisch naiv, kritisiert Prof. Dr. Peter Glotz die Diskussion über Chancen und Risiken der Gentechnik scharf. Der früherer Berliner Wissenschaftssenator lehrt heute Politik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität St. Gallen. Er befürwortet entschieden neue gentechnische Verfahren, wie das therapeutische Klonen oder die Präimplantationsdiagnostik (PID).
Im Unwillen der politischen Klasse in Deutschland, sich eindeutig zur Forschung am menschlichen Erbgut zu bekennen, sieht er Grausamkeit gegen Kranke, die leiden. Der Medienexperte fordert eine öffentliche Debatte, die sich konsequent für die Forschungsfreiheit in den neuen Biotechniken einsetzt.
Peter Glotz trifft mit seiner Ansicht in der Abschlussveranstaltung der öffentlichen Ringvorlesung Bioethik und Biopolitik aus der Reihe Universitätsvorlesungen an der Freien Universität Berlin auf den Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.), Dr. Frank Schirrmacher.
Frank Schirrmacher sieht in der Biotechnologie ebenfalls eine Schlüsseltechnologie. Es ist also eine Gesellschaft in 50 oder 100 Jahren vorstellbar, in der unsere Nachkommen tatsächlich das Produkt einer bewussten Katalogauswahl sind, sagt der Literaturwissenschaftler. Er erwartet, dass die Lebenswissenschaften zu einem neuen Zusammenwirken der drei Kulturen Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft führen könnte. Für die nächsten zehn Jahren sieht Frank Schirrmacher allerdings noch keine nennenswerten Forschungsergebnisse in der Stammzellenforschung voraus. Für diese Ansicht rügte ihn Peter Glotz bereits persönlich im Spiegel.
Am 7. Februar beziehen die beiden Publizisten an der FU Position zur Frage, wie die Öffentlichkeit über die Bioethikdiskussion und Bioforschung in unserer Demokratie informiert und an der Meinungsbildung beteiligt werden kann. Rückblickend kann die Ringvorlesung Bioethik und Biopolitik an der FU als gelungenes Beispiel für die Vermittelung der vielfältigen Aspekte in der Debatte um die Gentechnik gelten. Bis zu 300 Zuhörer pro Abend machten die Reihe im Rahmen der Universitätsvorlesungen zu einer der erfolgreichsten öffentlichen Veranstaltungen der FU in den letzten Jahren. Immer wieder donnerstags füllte sich der Hörsaal 1b in der Rostlaube mit Befürwortern und Kritikern der Gentechnik. Und sie alle kamen, der Klonforscher Prof. Dr. Rudolf Jaenisch vom Massachusetts Institut of Technology (MIT), die Nobelpreisträgerin von 1996 für Medizin und Physiologie, Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard, der katholische Philosoph Prof. Dr. Robert Spaemann, das Ethikratsmitglied Prof. Dr. Jens Reich, der Vorsitzende der Bioethik-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Prof. Dr. Volker Gerhardt, und viele weitere hochrangige Biologen und Philosophen, Politiker und Publizisten aus dem In- und Ausland. Sie legten ihre unterschiedlichen Standpunkte zur Bioethik und Biopolitik dar und stellten sich den Fragen des interessierten Publikums.
Arnulf Wieschalla
Abschlussveranstaltung der Ringvorlesung Bioethik und Biopolitik
Zeit: Freitag, 7. Februar, 16.00 18.00 Uhr
Ort: Freie Universität Berlin,
Habelschwerdter Allee 45, Rostlaube, Hörsaal 1b, 14195 Berlin