Wo der Stranddreizack in Brandenburg wächst, kommt auch Salzwasser an die Oberfläche.
Der auffällige Stranddreizack wächst fast überall auf den Salzwiesen an der Nordsee. Aber auch mitten in Brandenburg findet sich zuweilen die langstielige Pflanze mit den puschligen, roten Blütenähren: Diese Pflanze ist absolut genügsam, doch eines braucht sie zum Gedeihen: Salz! An der Küste kommt das Salz aus dem Meer, rund um Berlin jedoch gelangt es aus dem Untergrund an die Oberfläche. Das ist nichts Neues. Im gesamten norddeutschen Raum gibt es Salzwasseraustritte, erklärt Prof. Dr. Asaf Pekdeger vom Institut für geologische Wissenschaften der Freien Universität. Er zeigt eine Karte vom Berliner Umland, auf der rund fünfzig Salzwasserquellen eingezeichnet sind. Die meisten
befinden sich südlich und westlich von Berlin. Pekdeger ist Hydrogeologe und interessiert sich vornehmlich für die mit den Salzwasservorkommen verbundenen Probleme.
Auf Pekdegers Schreibtisch steht eine Flasche, deren Inhalt an schwarze Tinte erinnert. Es handelt sich um eine Wasserprobe, die auf dem Lankwitzer Institutsgelände aus 200 Metern Tiefe gepumpt wurde: Salzwasser, dessen schwarze Farbe von gelöstem organischen Material aus den Braunkohlesanden stammt. Die Vorstellung, dieses Zeug könnte in unser Trinkwasser gelangen, ist äußerst unappetitlich. Doch genau hier liegt das Problem: Die Wasserwerke haben Brunnen in Gatow und Kladow außer Betrieb nehmen müssen, weil sie versalzenes Wasser heraufgeholt haben. Potsdam hat auch ein Wasserwerk aufgeben müssen, erzählt Asaf Pekdeger. Gegenwärtig sei die Wasserversorgung zwar optimal, da sie zu ca. 70 % aus versickertem Oberflächenwasser gedeckt werde, das an den Uferbereichen von Spree und Havel gefördert wird. Nur der kleinere Teil des Berliner Trinkwassers entstammt dem Grundwasser. Wenn aber die Uferfiltration nicht mehr ausreicht, weil sich die Filterwirkung des Bodens erschöpft oder die Qualität des Oberflächenwassers noch weiter abnimmt, dann kann Berlin nicht einfach tief liegende Grundwasservorkommen anbohren, wie das oft in anderen Gegenden möglich ist. In der Tiefe droht das Salz unser Trinkwasser ungenießbar zu machen, und es wird für die Zukunft wichtig sein, die Grenzen zu kennen, die nicht überschritten werden dürfen.
Der Boden unter Berlin: Im Westen und Osten drängen die mächtigen, 250 Millionen Jahre alten Salzablagerungen des Zechsteins nach oben.
Woher kommt dieses Wasser, dessen Salzgehalt mit teilweise über 100 g Salz pro Liter ungefähr dreimal so hoch wie der von Ozeanwasser sein kann? Am Anfang stand auch hier ein Meer, das vor rund 250 Millionen Jahren fast den gesamten norddeutschen Raum überflutete. Nachdem das Wasser unter ähnlichen Bedingungen, wie sie heute am Toten Meer herrschen, verdunstet war, blieb eine mächtige Salzablagerung zurück. Andere Sedimente überlagerten sie im Laufe der Zeit, so dass sie sich heute meist in 2000 bis 3000 Meter Tiefe befindet. Weil aber das Salz unter dem Gewicht der darauf lastenden Sedimentschichten plastisch wird und es leichter als das umgebende Gestein ist, steigt es infolge einer ungleichen Druckverteilung an einigen Stellen nach oben. Ein Beispiel dafür ist der Salzstock ca. 500 Meter unter Rüdersdorf. Unter bestimmten Bedingungen werden diese nach oben steigenden Salze vom Grundwasser ausgewaschen, erklärt Pekdeger. Beispielsweise dort, wo die in 200 Meter Tiefe liegende wasserundurchlässige Rupeltonschicht, die das Salz und seine Lösungen von den vier Süßwasser leitenden Schichten hermetisch abtrennt, von eiszeitlichen Rinnen durchschnitten wird. Dort kann das Salzwasser in die obersten Bodenschichten eindringen und das Süßwasser verunreinigen. Da Salzwasser schwerer als Süßwasser ist, bleibt die Versalzung meist auf den untersten Süßwasserleiter beschränkt, doch es gibt Gebiete, in denen durch eine ungleichmäßige Verteilung des hydrostatischen Drucks das Salzwasser weiter aufsteigt und aus dem Boden austritt z.B. dort, wo sich Salzpflanzen breit machen.
Forschung zum Schutz des Trinkwassers
In einem groß angelegten Projekt soll nun untersucht werden, inwiefern die Trinkwasserförderung Auswirkungen auf diese Prozesse hat: Durch das Abpumpen von Süßwasser sinkt punktuell der Druck auf das Salzwasser und es wird nach oben gesogen. Mit Mitteln der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz ist auf dem Institutsgelände in Lankwitz ein kleines Wasserwerk gebaut worden. Es gibt drei Brunnen, die Wasser aus fünfzig, hundert und hundertfünfzig Meter Tiefe pumpen, und zusätzlich 13 Messstellen drum herum, konkretisiert Pekdeger. Damit können wir soviel Wasser fördern, wie für die Versorgung einer Kleinstadt nötig ist. Noch in diesem Jahr sollen Pumpversuche starten, die abhängig von der Tiefe Aufschluss darüber geben, ab welchen Pumpraten Salzwasser gezogen wird.
Parallel dazu läuft jetzt ein gemeinsames Projekt mit dem GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) und der TU Cottbus an, das die Salzwasserbewegung im Norddeutschen Becken untersucht. Im Rahmen dieses DFG-Schwerpunktprogramms will Pekdeger unter anderem der Frage auf den Grund gehen, welche Mechanismen Salzwasser aus mehreren tausend Metern Tiefe zum Aufsteigen bringt. Es gibt eine Reihe von Hypothesen, aber richtig befriedigend sind die nicht, sagt Prof. Dr. Ulf Bayer, Professor für Geomatik an der FU.
Eine Möglichkeit wäre, dass die Durchlässigkeit der Gesteine und das Temperaturfeld eine freie Konvektion ähnlich wie in einem Kochtopf ermöglichen. Gar kein schlechter Vergleich, denn tatsächlich können in 2000 bis 3000 Meter Tiefe lokal Temperaturen um 150°C herrschen. Eine anderer Ansatz geht vom hydrostatischen Druck aus: Oben liegt das leichtere Süßwasser, führt Bayer aus.
Wird diese Schicht an manchen Stellen sehr mächtig, dann bringt sie mehr Gewicht mit und kann unten Salzwasser wegschieben. Dieses könnte entlang einzelner Brüche aufsteigen. Was sich dort unten tatsächlich abspielt, soll ein mathematisches Grundwassermodell beschreiben: Dazu müssen wir eine dynamische und strukturelle Vorstellung haben, dann wird das ganze modelliert, und schließlich zwischen den Modellvorstellungen und den Messungen kalibriert. Irgendwann müssen Messungen und Modellierungen passen, sagt Asaf Pekdeger. Dann endlich wird man den vollständigen Kreislauf kennen, der den Stranddreizack mit Salz versorgt.
Gabriele André
Grafik: Pekdeger
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