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[Biochemiker der FU züchten Kristalle im Weltall]

Mit einem Bilderbuchstart stieg am Montag voriger Woche der Space Shuttle mit der Flugnummer STS-110 vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in den Himmel über Florida auf. Sein Ziel: die International Space Station (ISS). Ein Vorgang, der inzwischen so normal ist, dass die Abendnachrichten es kaum für Wert befinden, darüber ausführlich zu berichten. Doch an der Freie Universität war die Spannung vor diesem Start des Raumtransporters groß: An Bord der Raumfähre Atlantis befinden sich 48 Kristallisationsansätze von biologischen Materialien, die in der Arbeitsgruppe von Professor Volker A. Erdmann (Institut für Biochemie) entwickelt wurden. Bei den Materialien handelt es sich um Ribonukleinsäuren und deren Proteinkomplexe, die Dr. Marco Vallazza in einem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) finanzierten Projekt auch im Labor untersucht. Die Hälfte der Kristallisationsansätze beinhalten erstmalig Experimente mit spiegelbildlichen RNA-Molekülen, die in Zusammenarbeit mit Dr. Sven Klußmann von der NOXXON Pharma AG erforscht werden. Der Vorteil spiegelbildlicher Nukleinsäuren gegenüber „natürlichen“ RNA-Molekülen liegt in ihrer großen Beständigkeit im menschlichen Blut, so dass sie besonders geeignet erscheinen, im Kampf gegen Tumore oder virale Erkrankungen wie AIDS wirksam eingesetzt zu werden: Auch nach 60 Stunden ließ sich in Laborversuchen kein Abbau im menschlichen Serum nachweisen, wohingegen normale RNA-Moleküle innerhalb weniger Minuten abgebaut werden.

Neben der hohen biologischen Stabilität weisen sie einen weiteren Vorteil auf: Sie sind durch chemische Synthese in großer Menge und hoher Reinheit zu präparieren.
Ribonukleinsäuren, auch kurz mit RNA bezeichnet, sind Schlüsselmoleküle in den RNA-Technologien, die ihren Einsatz in der Biotechnologie und Medizin finden. Besonders viel versprechend sind die RNA-Technologien in den Bereichen der diagnostischen und therapeutischen Medizin, wo hochaffine RNA-Moleküle (Aptamere) und Ribozyme (molekulare Scheren) ihren Einsatz finden. Um allerdings die Funktion dieser Moleküle verstehen zu können, müssen deren Strukturen auf atomarer Ebene bekannt sein. Aus diesem Grund werden auf der International Space Station von den RNA-Molekülen Kristalle gezüchtet, die dann nach ihrer Rückkehr zur Erde im Mai 2002 mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse untersucht werden.

Wozu nun der Aufwand, die Kristalle im Weltall zu züchten, mag man sich als unerfahrener Laie angesichts der großen Mühen und Kosten einer solchen Weltraummission fragen. Doch die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in der Arbeitsgruppe um Professor Volker A. Erdmann sind bereits „alte Hasen“ im Geschäft und wissen um die Vorteile der Forschung in der Schwerelosigkeit: Bereits zum 14. Mal ist man an einer Weltraummission beteiligt. Diese langen Erfahrungen mit früheren Ergebnissen haben gezeigt, dass die im Weltraum gezüchteten Kristalle in der Röntgenstrukturanalyse eine bedeutend verbesserte Qualität aufweisen. Und wer dennoch meint, hier würde Geld zum Mond geschossen, kann beruhigt sein: Die von der NASA bereitgestellte Mitflugmöglichkeit auf der International Space Station ist für die Berliner Forscher kostenlos. Sie ist eine Auszeichnung für die von Professor Erdmann an der Freien Universität entwickelten RNA-Technologien.

FU-N

Bild: UNICOM


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