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[Interview mit Prof. Dr. Gisela Klann-Delius, Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin]

„Während des Krieges ist in Deutschland von der Firma &Mac226;Zuse-Apparatebau‘ ein neuartiges, wissenschaftliches Rechengerät entwickelt worden, welches auf Grund seiner Einmaligkeit und Universalität das Interesse der gesamten Fachwelt erregen dürfte.“ So beschrieb Konrad Zuse am 14. Juni 1945 seine neueste Rechenmaschine, die den schlichten Namen Z4 trug und lediglich die minimal veränderte Nachfolgerin der bereits 1941 entwickelten Rechenmaschine Z3 war. Die ältere dieser beiden Maschinen stellt unbestritten einen Meilenstein in der Computerentwicklung dar, denn immerhin handelte es sich bei der Z3 um die erste programmierbare vollautomatische Rechenmaschine, die mit all ihren Funktionen und Möglichkeiten das Zeitalter des modernen Computers eröffnete.

Anlässlich seines 60. Geburtstags hat nun ein Kooperationsteam der zwei Berliner Universitäten – Freie und Technische Universität – mit dem Nachbau der Rechenmaschine Z3 den ersten Computer der Welt wieder auferstehen lassen.

Zahlen über Zahlen

Der Berliner Erfinder Konrad Zuse hatte bereits die Rechenmaschine Z1 und einen kleinen Prototypen namens Z2 konstruiert, bevor er sich an die Realisierung seines wahren Traumes wagte: eine programmierbare Maschine, die in erster Linie der automatischen Durchführung umfangreicher und komplizierter mathematischer, wissenschaftlicher und technischer Rechnungen dienen sollte. Dabei war Zuse von folgender Problemstellung ausgegangen: „Es soll jede explizit gegebene algebraische Funktion beliebigen Aufbaus und Umfangs, die nur die elementaren Grundoperationen enthält, nach Einstellung der Variablen vollautomatisch ausgerechnet werden. Dabei wird für jede Formel bzw. jeden zusammenhängenden Formelverband ein Rechenplan hergestellt, welcher den Gang der Rechnung angibt und für sämtliche Variationen der Zahlenwerte der Variablen gilt.“ (Zuse 1945). Das Ergebnis war ein vollautomatisches Rechenwerk, das der Lösung mathematischer Grundoperationen diente: Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division und das Quadratwurzelziehen. Es konnten Zahlen mit beliebigem Vorzeichen und beliebiger Lage des Kommas eingegeben werden, wobei jedoch die Genauigkeit des Gerätes auf eine bestimmte Stellenzahl (6-8 Dezimalstellen) beschränkt blieb, und die Größenordnung der Zahlen in einem weiten Spielraum variiert werden konnte. Die Bestimmung des Vorzeichens und die Lage des Kommas erfolgte ebenfalls ganz automatisch. Die Zahlen konnten entweder an einer Tastatur eingestellt oder von einem Speicherwerk übertragen werden. Die Gesamtanlage wurde durch ein sogenanntes „Planwerk“ gesteuert, das die Verbindung zwischen Rechen- und Speicherwerk darstellte. Das Planwerk tastete den auf dem klassischen Lochstreifen festgehaltenen Rechenplan ab, übermittelte die nötigen Befehle an das Rechenwerk und sorgte schließlich für die Übertragung der Zahl zwischen Rechen- und Speicherwerk.

Konrad Zuse vor dem Nachbau seiner Z3 (1964)

Das Rechenwunder

Derartige Rechenpläne waren für komplette Systeme von linearen Gleichungen beliebigen Grades, Determinanten, Produktsummen, Matrizen, numerische Integrationen usw. hergestellt und erprobt worden. Rechnungen, die bis zur Erfindung der Z3 noch mehrere Stunden in Anspruch genommen hatten, konnten jetzt innerhalb von wenigen Minuten gelöst werden. Die zahlreichen Optionen dieser neuartigen Rechenmaschine eröffneten neue Anwendungsgebiete, in denen diese Maschine nun effektiv eingesetzt werden konnte. Mit seiner Studie Z3 hatte Konrad Zuse ein neues Konzept erproben wollen: Er wollte mit ihr den Nachweis liefern, dass eine derartige Rechenmaschine vollständig mit telefonischen Relais gebaut werden konnte. Bisher waren dafür elektromechanische Komponenten verwendet worden. Unmittelbar nach der erfolgreichen Vorführung der neuesten Rechenerfindung in Berlin-Kreuzberg am 12. Mai 1941 erhielt Zuse von der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DLV) den Auftrag für ein Nachfolgemodell, das der erste kommerzielle Computer der Welt werden sollte: die Maschine Z4, die er mit einer weiteren Reihe von Hilfsoperationen ausstattete: Quadrieren, Multiplizieren mit &Mac185;, Vorzeichen umkehren und einige mehr. Diese Möglichkeiten führten zu einer vielseitigen Nutzung des Computers. Einsetzbar war die Rechenmaschine jetzt in Bereichen wie etwa der Aero- und Hydrodynamik, Ballistik, Optik, Atom- und Geophysik, Astronomie, Wetterrechnung, Statik und Wahrscheinlichkeitsrechnung sowie im Vermessungswesen. Für die Kriegsindustrie kam ein solches Rechengenie wie gerufen. Das Prinzip der Z4 war in längeren Einsatzphasen erprobt worden. Und so war geplant, sämtliche Institute und Rechenbüros, in denen größere Zahlenrechnungen erforderlich waren, mit Geräten dieser Art auszustatten. Man war der Überzeugung, dass ohne derartige Maschinen die umfangreichen Aufgaben nicht mit genügend Schnelligkeit und Sicherheit durchgeführt werden könnten. Um die große Nachfrage nach der Z4 befriedigen zu können, sollte der Rechner serienmäßig hergestellt werden. Dieser Plan allerdings wurde nie realisiert; das Kriegsende sorgte für eine Unterbrechung der vollständigen Entwicklung der Z4.

Nachbauten

Der „erste Computer der Welt“, Zuses Z3, ist einem modernen Computer sehr ähnlich. Beide bestehen aus einem Steuerwerk, einem Speicher, einer arithmetischen Einheit (dem Rechenwerk), den Ein- und Ausgabeeinheiten, und beide sind programmgesteuert. Wie die Z3 arbeiten moderne Computer in der binären Schaltungslogik und mit binären Gleitkommazahlen.

Um die Eleganz der Maschine zu demonstrieren und das Verständnis eines Computers transparent darzustellen, hat ein Team der beiden Berliner Universitäten FU und TU unter der Federführung der Informatiker Professor Raúl Rojas (Freie Uni-versität) und Dr. Horst Zuse (Technische Universität) den 60. Geburtstag der Z3 zum Anlass genommen, diesen einzigartigen Rechner nach zu bauen. Unterstützt wurden sie mit exzellentem Fachwissen und unermüdlichem Engagement von Frank Darius von der Freien Universität und Georg Heyne vom Fritz-Haber-Institut. Aber auch Schüler zeigten großes Interesse an dem Nachbau und lieferten ihren Beitrag. So bauten etwa Schüler des Friedrich-Schiller-Gymnasiums in Bautzen die Ein- und Ausgabekonsole der Z3, Schüler der 1. Berufsschule Pankow (Sonderpädagogik) schweißten die Gestelle für den Speicher und das Rechenwerk. Natürlich durfte auch die Konrad-Zuse-Schule in Hünfeld bei dem Projekt nicht fehlen. Sie waren für die Konstruktion des Lochstreifenlesers und Lochstreifenstanzers verantwortlich.

Das Additionswerk der Z3 als fertiges Plakat mit Informationen zur Z3

Bereits in den 60er Jahren hatte Konrad Zuse selbst die Z3 im Maßstab 1:1 rekonstruiert. Diese Rekonstruktion befindet sich heute im Deutschen Museum in München. Im Gegensatz zu ihr wurden bei dem jüngsten Nachbau des Berliner Teams didaktische Aspekte berücksichtigt. Der Nachbau ist so aufbereitet, dass die Funktion der Rechenmaschine, aber auch die eines Computers im Allgemeinen, verständlich demonstriert wird. Dazu wurden, wie in der Z3, Relais als Bauelemente verwendet, jetzt jedes Relais zusätzlich mit einer Leuchtdiode versehen wurde. Auch der Datenstrom zwischen den einzelnen Komponenten wird durch Leuchtdioden dargestellt. Schaltungen, die eine besondere Funktion haben, wie z.B. die Ermittlung einer Speicheradresse (Wählwerk, Tannenbaumschaltung), sind in bildhafter Darstellung repräsentiert. Der Nachbau der Z3 dient nicht nur dazu, interessierten Personen die Funktion eines Computers zu erläutern, sondern er steht darüber hinaus auch Museen zur Verfügung.

Mehr Informationen zu Konrad Zuse, seinen Rechenmaschinen und das Konrad Zuse Archiv Berlin sind im Internet erhältlich unter:

http://www.zib.de/zuse.

Ilka Seer

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