Was ist Unterhalt?
Das Unterhaltsrecht ist ein Bestandteil des Familienrechts. Unterhalt wird Ehepartnern geschuldet,
Kindern und Eltern, Müttern eines nichtehelichen Kindes und Partnern nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz.
Nichtehelich zusammenlebende Personen, die keine Partnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz führen,
haben keinen familienrechtlichen Anspruch auf Unterhalt.
Das Unterhaltsrecht besteht im deutschen Recht aus Unterhaltspflichten während der Ehe und Trennungs- und
Scheidungsunterhalt. Für zusammen lebende Ehepartner gilt: der Unterhaltsanspruch ist weniger ein Recht als
vielmehr eine Pflicht zum gegenseitigen Beistand und zur Unterhaltung der Familie. Die rechtliche Betrachtung
der Ehe geht trotz pluralisierter Lebensformen noch immer davon aus, dass aus einer Ehe in der Regel eine
Familie entsteht, d.h. Kinder geboren und erzogen werden. Insofern gehen die Regeln davon aus, dass der
Bedarf des Paares und der Familie gemeinschaftlich gedeckt wird. Das Gesetz legt für die Ehegatten eine
Pflicht zum gegenseitigen Unterhalt in Form eines Beitrags zum Familienunterhalt fest. Wie die Partner ihren
Beitrag zum Familienunterhalt leisten - durch Erwerbsarbeit oder Familienarbeit wird Ihnen seit der Ehe- und
Scheidungsrechtsreform von 1976 ausdrücklich freigestellt. Deshalb besteht rechtlich auch kein gegenseitiger
Geldanspruch. Nur wenn ein Partner oder eine Partnerin die Familienarbeit vollkommen übernimmt und stattdessen
nicht erwerbstätig ist, hat er beziehungsweise sie einen Anspruch auf Wirtschaftsgeld und Taschengeld gegen
den Ehepartner, die Ehepartnerin. Dieser Anspruch ist allerdings in der gerichtlichen Realität nicht von
Relevanz. Die Unterhaltspflichten während der Ehe werden dagegen im Arbeits- Sozial und Steuerrecht
berücksichtigt und haben in diesen Rechtsgebieten weitreichende Folgen.
Wenn ein Ehepaar sich trennt, unterscheidet die Rechtsordnung zwischen Trennungs- und Scheidungsunterhalt.
Nach § 1361 Abs. 1 Satz1 BGB kann bei Trennung ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen
und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Eine
unterhaltsberechtigte, nicht erwerbsfähige Person erhält in der Regel 3/7 des Nettoeinkommens des Anderen.
Eine Erwerbspflicht der unterhaltsberechtigten Partnerin besteht nur, wenn die Erwerbstätigkeit erwartet
werden kann. War die Frau während der Ehe nicht erwerbstätig, ist diese Erwartbarkeit in der ersten Zeit nach
der Trennung meist nicht gegeben. Der Trennungsunterhalt ist wie der Scheidungsunterhalt in Geld zu
entrichten und richtet sich nach der Bedürftigkeit des anspruchsberechtigten Ehegatten und der
Leistungsfähigkeit des anderen. Es kommt also nicht nur darauf an, dass ein Ehegatte bedürftig ist, der
andere darf auch nicht über seinen Mindestselbstbehalt hinaus belastet werden.
Nach der Scheidung deklariert das BGB den Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenständigkeit der ehemaligen
Partner, legt aber eine Reihe von Ausnahmen für dieses Prinzip als Unterhaltsgründe fest.
Die nachehelichen Unterhaltsgründe (diese können beispielsweise sein: Betreuung und Erziehung eines
gemeinsamen Kindes, das Nicht-Finden einer angemessenen Erwerbstätigkeit oder auch schlicht eine
Einkommensdiskrepanz zwischen den ehemaligen Partnern) decken ein breites Spektrum der Lebensrealität und
der Bedarfssituationen ab. Berechnet wird der Anspruch auf Unterhalt nach den ehelichen
Lebensverhältnissen - eine Absenkung des Lebens-standards soll vermieden werden, daher wird der bedürftigen
PartnerIn nur die Aufnahme einer "angemessenen Erwerbstätigkeit" zugemutet. Allerdings entspricht die
Realität diesem normativen Anspruch meist ganz und gar nicht (vgl. Hans-Jürgen Andreß u.a.: Wenn aus
Liebe rote Zahlen werden, Opladen 2003).
Die Rechtsordnung stuft den Unterhalt trotzdem als bedeutendes soziales Versorgungsinstrument ein.
Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass insbesondere der Trennungsunterhalt keine existenzsichernde
Wirkung hat und besonders Frauen nach einer Trennung signifikante Einkommensverluste hinnehmen müssen.
Die Zahlung von Unterhalt während und auch nach der Ehe findet privilegierende Berücksichtigung in
den angrenzenden Rechtsgebieten ("Schnittstellen").
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Unterhalt im Sozialrecht
Das Sozialrecht untergliedert sich in zwei Teile: das Sozialversicherungssystem, welches die typischen
Risiken des männlichen Normalarbeitnehmerdaseins absichert: Krankheit, Unfall, kurzzeitige Arbeitslosigkeit,
Alter und Tod. In diesem Versicherungssystem stehen Frauen häufiger als Männern abgeleitete Sicherung zur
Verfügung: Familienversicherung, Hinterbliebenenrente - oder sie erfahren Nachteile, weil sie der Norm des
Normalarbeitnehmers nicht entsprechen (z.B. bei der Rentenberechnung oder dem Erwerb von Anspruch auf
Arbeitslosengeld).
Die bedarfgeprüften Sozialleistungen decken die Mindestsicherung der Existenz sowie familienbezogene
Risiken ab. Hierzu gehören die Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe - demnächst Arbeitslosengeld II beziehungsweise
Sozialgeld und das Erziehungsgeld. Da es sich dabei nicht um ein Versicherungssystem handelt, kommt nicht jede
Person mit Ansprüchen in den Genuss von Sozialleistungen, sondern nur die/der Bedürftige. Wer bereits als
durch einen Partner abgesichert gilt - so das Subsidiaritätsprinzip - hat keinen Anspruch auf
Sozialleistungen. Frauen werden dabei überproportional auf einen Ernährer verwiesen, dabei ist es egal, ob
der Partner, dessen Einkommen angerechnet wird, ihr Ehepartner ist oder sie in einer nichtehelichen
Gemeinschaft leben.
Die Analyse von Subsidiarität und ihrer Durchsetzung bei Ehegatten und Verwandtenunterhalt zeigt, dass die
Versorgung von (Ehe)Partnern und von Verwandten im Recht und in der Wirklichkeit unterschiedlich bewertet
wird. Die Versorgung von Partnern wird als selbstverständlich angenommen und entsprechend konsequent vom Recht
durchgesetzt, dagegen wird die Pflicht zur intergenerationellen Versorgung zunehmend eingeschränkt. Ein
aktuelles Beispiel der Auflockerung des Subsidiaritätsprinzips beim Verwandtenunterhalt ist das
Altersgrundsicherungsgesetz, wo die Kinder der im Alter verarmten Leistungsempfänger für deren Sicherung des
Existenzminimums erst ab einem Jahreseinkommen von über 100.000 Euro in Anspruch genommen werden.
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Unterhalt im Steuerrecht
Das geltende Einkommenssteuerrecht berücksichtigt Unterhaltsleistungen zwischen Ehegatten durch das
Ehegattensplitting, im Übrigen durch steuermindernde Unterhaltsabzüge: durch den allgemeinen Unterhaltsabzug
und besondere Abzüge für den Kindesunterhalt (Kinderfreibeträge/Kindergeld). Der allgemeine Unterhaltsabzug
ermöglicht eine Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an nichteheliche Partner. Angesichts der Praxis,
auch Partner, die sich rechtlich nicht zu Unterhaltszahlungen verpflichtet sind, bei der Vergabe
bedarfsgeprüfter Sozialleistungen auf eventuelles Partnereinkommen zu verweisen und damit faktisch zu
Unterhaltsleistungen zu zwingen, ist der allgemeine Unterhaltsabzug wichtig. Er berücksichtigt allerdings
nur das Existenzminimum. Unterhalt für Kinder bewegt sich, aufgrund der spezifischen Wirkungsweise des
Familienleistungsausgleichs in der steuerlichen Berücksichtigung etwas bis deutlich über dem Existenzminimum,
wobei das Ehegattensplitting als spezielle Privilegierung der "Hausfrauen" bzw. ZuverdienerInnenehe
deutlich höhere Ersparnisse als das Existenzminimum zulässt - wenn zwischen den Partnern eine möglichst hohe
Einkommensdiskrepanz besteht. Diese verschiedenen Möglichkeiten der steuerlichen Berücksichtigung tatsächlich
gezahlten Unterhalts lassen auf eine Hierarchie der steuerlichen Berücksichtigung rechtlicher oder faktischer
Unterhaltspflichten für verschiedene Personenkreise schließen.
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Unterhalt im Arbeitsrecht
Die Schnittstelle zwischen Arbeitsrecht und Unterhalt findet sich an drei Stellen. Das prominenteste
Beispiel ist die Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen bei der Sozialauswahl im Fall
betriebsbedingter Kündigungen. Dabei muss der Arbeitgeber tatsächliche Unterhaltspflichten als einen Aspekt
einer möglichen Sozialwidrigkeit einer Kündigung berücksichtigen. Welches Gewicht er diesem Kriterium gibt,
bleibt nach geltendem Recht dem Arbeitgeber überlassen. Welche Berücksichtigung der Ernährerstatus bei
Einstellungen oder Beförderungen findet, ist ebenfalls ein Aspekt der arbeitsrechtlichen Schnittstelle.
Hinzu kommen Anknüpfungen an den Ernährerstatus in Tarifverträgen (z.B. Zuschläge für Verheiratete).
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Ehezentrierung der Schnittstellen
Wenn man die rechtlichen Schnittstellen genauer betrachtet, taucht dabei immer die Ehe als Grundlage der
Regelungen auf. Im Sozialrecht sind die Eheleute verpflichtet, füreinander einzustehen, im Steuerrecht findet
ihre Vergemeinschaftung in Form des Ehegattensplittings statt, und die Berücksichtigung von gesetzlichen
Unterhaltsverpflichtungen bei betriebsbedingten Kündigungen erfolgt zum Zweck des Schutzes des
Familieneinkommens (also zum Schutz von Ehefrau und Kindern, die als "Abhängige" gedacht werden). Der Schutz
von Ehe und Familie ist in Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes normiert, nimmt also einen hohen Stellenwert
ein. Das klassische juristische Verständnis dieser Schutzpflicht des Staates wirkt sich an den Schnittstellen
aus auf andere Lebensformen, insbesondere heterosexuell zusammenlebende Paare. Die konservative Auslegung
des Grundgesetzlichen Schutzauftrages für Ehe und Familie deutet diesen in Form eines
Schlechterstellungsverbotes gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens. Die klassische juristische
Interpretation des Art. 6 Abs. 1 GG geht davon aus, dass "Schutz von Ehe und Familie" nicht nur einen
Bestandschutz für die "Institution Ehe", sondern vielmehr auch eine Förderpflicht beinhaltet.
Aus dem verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe wird eine "strikte Vergleichslogik" abgeleitet. Das Gebot,
die Ehe zu schützen und zu fördern, wird von der Verfassungsrechtsprechung sogleich als Verbot für den Staat
gedeutet, nichteheliche Lebensgemeinschaften besser zu stellen. Dies wäre der Fall, wenn sie als
"unverbundene" Individuen von Einstandspflichten im Sozialrecht verschont blieben. Auf diese Weise wird der
Schutz zur Privilegierung umgedeutet, und das Verbot der Benachteiligung von Eheleuten wird nach konservativer
Lesart sogar zum Gebot der Benachteiligung nicht verheiratet zusammenlebender Menschen ("Abstandsgebot").
Nicht nur die konservative Verfassungsauslegung, auch die "herrschende Meinung" geht davon aus, dass es eine
Unterscheidung von Ehe und Nicht-Ehe geben muss und dass die Nicht-Ehe gegenüber der Ehe in keiner Weise
benachteiligt werden darf. Diese Vergleichslogik hat weitreichende Folgen, die in andere Rechtsgebiete
ausstrahlen.
Diese Folgen sehen wir gerade auch an unseren Schnittstellen: An die Ehe knüpfen sich wirtschaftliche
Vorteile wie das Ehegattensplitting, die Lasten des Zusammenlebens werden dagegen auf alle Paare gleich
verteilt, damit Eheleuten kein Nachteil entsteht. Wir erinnern uns an die Partnersubsidiarität des
Sozialrechts. Weiterhin wird Art. 6 als Verbot der Einmischung in die "innerehelichen Angelegenheiten"
gedeutet: Die "Hausfrauenehe" muss auch weiter möglich sein, die strukturell erzwungene beiderseitige
Erwerbstätigenehe würde, wenn sich konservative Interpreten der Verfassung durchsetzen, möglicherweise als
verfassungswidrig angesehen werden. Reformen der Schnittstellen müssen sich deshalb in jedem Fall mit dem
grundgesetzlichen Schutz der Ehe auseinandersetzen. Dabei wollen wir in diesem Projekt aufzeigen, dass es
auch andere Möglichkeiten gibt, das grundgesetzliche Schutzgebot zu verstehen.
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Mittelbare Diskriminierung?
Die spezifische Wirkungsweise des Ineinandergreifens der dargestellten Schnittstellenregelungen müssen
sich am Maßstab der "mittelbaren Diskriminierung" messen lassen. Mittelbare Diskriminierung bedeutet, dass
geschlechtsneutrale Regelungen geschlechtsspezifisch benachteiligende Wirkungen haben und dies nicht
geschlechtsunabhängig und ohne Rückgriff auf Geschlechtsstereotype gerechtfertigt werden kann. Es handelt
sich dabei um eine Rechtsfigur des europäischen Rechts, die in ihrer Anwendung bisher noch nicht voll
ausgeschöpft wurde.
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