Interview mit Sabine Berghahn in der TAZ vom 13.9.2006
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Ergebnisse des Forschungsprojekts
"Ernährermodell" - Kurzfassung
Stand: 22.9.2006
Schaubilder (Anhang)
![](pdficon.jpg)
Bilder der Konferenz in Hildesheim
FORSCHUNGSKONFERENZ
Do/Fr 23.- 24. März 2006
Soziale Sicherungsmodelle 'revisited'
Geschlechterdimensionen und
Verteilungsaspekte der Existenzsicherung
durch Sozial- und Familienrecht
Plakat
Programm Teil 1
Programm Teil 2
Arbeitsteilung zwischen Ehegatten mit zunehmender Ehedauer traditionell - Hausarbeitsstudie der Universität Bamberg
Eine empirische Studie der Universität Bamberg hat die Aufgabenverteilung zwischen Ehepaaren in einem Zeitverlauf von 14 Jahren erhoben. Unabhängig von Beruftätigkeit oder Einkommen der Ehefrauen hat sich nach 14 Jahren bei zwei Dritteln der Ehepaare eine stark traditionale Arbeitsteilung durchgesetzt. Zu Beginn der Ehe hatten aber nur 1/4 der Frauen eine "traditionale Arbeitsteilung" angegeben.
http://www.taz.de/pt/2006/01/14/a0229.1/text
Parasiten-Debatte soll zur Ausweitung der Pflichten eheähnlicher Paare
genutzt werden
Maria Wersig und Sabine Berghahn kritisieren in der Wochenzeitschrift
Freitag vom 4.11.2005 die vom Bundesarbeitsministerium im Herbst 2005
angestoßene Parasitendebatte
http://www.freitag.de/2005/44/05440501.php
Die Parasiten-Debatte trägt erste Früchte, als im Koalitionsvertrag die
Überprüfung der Definition der "Eheähnlichkeit" und der Beweislastregelung
festgelegt wird: "Wir werden die Definition eheähnlicher Partnerschaften und die
Beweislastumkehr prüfen." (Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD, 2005, Randzeilen 1340-1341).
5.1.2006 Bundesagentur: Hartz-IV-Empfänger/innen sollen Bedürftigkeit
beweisen
München (AFP) - Hartz-IV-Empfänger sollen nach Ansicht der Bundesagentur
für Arbeit künftig beweisen, dass sie bedürftig sind. Vor allem im Falle
der "eheähnlichen Gemeinschaften" müsse künftig eine Umkehr der
Beweispflicht gelten, sagte der Vize-Vorsitzende des Verwaltungsrats,
Peter Clever, dem Münchner Magazin "Focus". Bei Paaren, die in einer
eheähnlichen Gemeinschaft wohnen, wird das Einkommen des Partners bei der
Berechnung des Arbeitslosengeld II herangezogen. Künftig müsse es genügen,
wenn "zwei zusammenleben und sich Bett und Schrank teilen", sagte Clever.
Bislang müssen die Ämter diesen Nachweis führen und scheitern damit
regelmäßig vor den Sozialgerichten.
http://de.news.yahoo.com/07012006/286/
bundesagentur-hartz-iv-empfaenger-sollen-beduerftigkeit-beweisen.htm
Aus aktuellem Anlass zur Bundestagswahl:
Projektleiterin Sabine Berghahn schildert im sozialwissenschaftlichen
Gender-Portal "gender-politik-online" ihre Eindrücke zum Fernsehduell von
Schröder und Merkel
(PDF Dokument)
www.gender-politik-online.de
www.fu-berlin.de/gpo
Leserbrief zu dem Artikel "Die Hölle danach" in Spiegel, Nr. 49/2004 von der Projektleiterin Dr.
Sabine Berghahn
7.12.2004
Sehr geehrte Damen und Herren Redakteure und Redakteurinnen,
Ihr Artikel "die Hölle danach" steht wieder einmal in der schon bekannten Spiegel-Tradition, den
Geschlechterkampf um Trennung und Scheidung einseitig aus der Perspektive von Männern zu beleuchten und
damit aber einen Großteil der Realität zu verfehlen. Die deutsche Öffentlichkeit ist es von Ihrem Magazin
schon gewöhnt, die Situation der armen, verlassenen, betrogenen, ausgebeuteten und ihrer Kinder beraubten
Männer und Väter in mitleiderregender Weise geschildert zu bekommen. Dagegen reiben sich nach Ihrer
Darstellung die Ex-Ehefrauen der armen Opfer die Hände, verprassen mit Champagner und Hummer die dem Ex-Gatten
abgepressten Alimente und wälzen sich im Bett mit immer jüngeren Liebhabern.
Aus einer solchen Sicht wäre es nur störend, ausführlicher auf empirische Forschungsergebnisse einzugehen.
So streifen Sie denn pflichtschuldig die Erkenntnisse der Forschungsgruppe um Hans-Jürgen Andreß (Bielefeld),
aber eben nur kurz, da seine Aussage, dass Frauen (und bei ihnen lebende Kinder) nach einer Trennung deutlich
mehr an wirtschaftlichen Einbußen hinzunehmen haben als Männer, Ihnen offensichtlich nicht so recht ins Bild
passt. Andreß und seine Gruppe haben noch Weiteres herausgefunden, was in Ihrem Artikel unerwähnt bleibt,
weil es nicht Ihrer Linie entspricht, z.B. dass die allermeisten Eheleute wechselseitig oder einseitig auf
Unterhalt (für sich selbst) verzichten und auch kaum praktischen Erfolg haben, wenn sie den Unterhalt dennoch
gerichtlich durchzusetzen versuchen. Sie gehen leer aus, sei es dass sie mit der Durchsetzung eines Anspruchs
scheitern, weil nichts zu holen ist, sei es dass sie zwar einen gerichtlichen Titel, dann aber keine
regelmäßigen Zahlungen erhalten. So ist der Anteil von Geschiedenen, die überwiegend von Ehegattenunterhalt
leben, äußerst marginal.
Auch ich beschäftige mich wissenschaftlich mit den wirtschaftlichen Folgen von
Trennung und Scheidung, aber ebenso mit den wirtschaftlichen Folgen des männlichen Ernährermodells während
des ehelichen Zusammenlebens, was Sie in Ihrem Artikel konsequenterweise ausblenden. Ich leite ein
Forschungsprojekt, das sich mit den gleichstellungshinderlichen Schnittstellenregelungen des deutschen
Erwerbs- und Sozialsystems beschäftigt und Wege zur Überwindung des männlichen Ernährermodells aufzeigen
möchte (finanziert von der Hans-Böckler-Stiftung, angesiedelt am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft).
Hätten Sie die eheliche Zeit vor der Trennung und Scheidung nicht systematisch ausgeblendet, so läge es nahe,
nach den Ursachen der "Rosenkriege" am Ende von zerrütteten Ehen zu fragen. Denn es geht nicht nur um
verletzte Gefühle, sondern auch um ungleiche, durch die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und die
allgemeine berufliche Diskriminierung verschlechterte Erwerbsmöglichkeiten von Frauen nach einem ehelichen
Zusammenleben mit einem Haupt- oder gar Alleinernährer der Familie. Und es geht darum, dass der Staat mit
seiner Rechts- und Sozialordnung auf subtile Weise noch immer das männliche Ernährermodell fördert, die
Betroffenen also in eine Art Falle laufen lässt.
Über all diese Zusammenhänge erfahren der Leser und die
Leserin Ihres vom Höllenfeuer der Rosenkriege von Promis beleuchteten Berichts leider gar nichts. Aus meiner
Warte als Juristin und Politikwissenschaftlerin und der Sicht meiner Projektmitarbeiterinnen besonders
interessant ist Ihre Ursachenandeutung: Sie behaupten, dass sowohl Männerrechtler, aber auch "nicht wenige
Autorinnen" einen neuen Frauentyp beschreiben, der die Ehe als Vollkaskoversicherung empfindet. Worauf
stützt sich diese Aussage? Trotz eingehender Analyse des Forschungsstandes, ist mir und meinen
Mitarbeiterinnen dieser Aspekt in der wissenschaftlichen Literatur bisher verborgen geblieben.
Auch Andreß und seine MitarbeiterInnen bestätigen die Beobachtungen vieler professioneller Beteiligter, dass
Frauen es keineswegs gut finden, Unterhalt vom Ex-Ehepartner beantragen bzw. beziehen zu müssen, wenn sie keine
Chancen haben, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen und das Sozialsystem sie explizit auf ihren Ehemann verweist.
Dass der Staat gesellschaftliche Risiken – etwa bei längerer Arbeitslosigkeit - mit Hilfe des sozialrechtlichen
Prinzips der "Ehegattensubsidarität" (=Nachrangigkeit von bestimmten Sozialleistungen gegenüber anderen
Einkommensquellen, darunter auch Unterhalt vom Ehegatten) auf einstige Ehepartner abwälzt, ist aus weiblicher
Perspektive keineswegs wünschenswert.
Dieses Subsidiaritätsprinzip wird mit Hartz IV nun sogar noch verstärkt, Schätzungen und erste Bescheide zum
Arbeitslosengeld II haben einmütig ergeben, dass erheblich mehr Frauen als Männer ihre Ansprüche wegen der
verschärften Anrechnung von Partnereinkommen oder Unterhaltsansprüchen ganz verlieren werden. Absehbar ist auch,
dass viele Frauen, gerade verheiratete und zukünftige Geschiedene, bei der Förderung durch die Arbeitsagenturen
außen vor sein werden. Wenn sie schon während der Ehe langzeitarbeitslos ohne Wiedereingliederungschance sind,
was passiert dann nach einer Trennung? Ist es dann auch die hedonistische Lebensführung der Frauen von heute, die
diese Unterhaltskonstellation heraufbeschworen hat?
Da Sie ja einige Ergebnisse der Andreß-Studie schildern, wissen Sie selbst, dass das oft zitierte Klischee der
Chefarztgattin empirisch unbedeutend ist gegenüber der Mehrzahl von Frauen, die nach der Scheidung am Rande des
Existenzminimums leben. Die von ihnen gewählten Beispiele sind in keiner Weise repräsentativ, im Gegenteil, sie
schildern eher Ausnahmefälle. Aber offenbar plaudern hier Angehörige einer gut verdienenden Schicht von Männern
aus der Schule ihrer eigenen Erfahrungen oder Ängste. Tatsächlich lässt sich vielleicht unter Ihresgleichen noch
am ehesten ein Ernährermodell praktizieren. Ansonsten können es sich nur noch wenige leisten, auf eine so
asymmetrische Einkommensaufbringung zu setzen. Allerdings fehlt es leider für die Verwirklichung eines egalitären
Zweiverdienermodells an gesellschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen wie etwa an ausreichenden
Kinderbetreuungseinrichtungen, Chancengleichheit für Frauen beim Zugang zu existenzsichernder Erwerbsarbeit, zu
Führungspositionen, zu gleichem Entgelt für gleichwertige Arbeit usw.
Während Sie in ihrem Beitrag vollständig auf strukturelle Analysen verzichten und damit letztlich wieder das
alte Ernährermodell – jedenfalls für die Zeit des Zusammenlebens - stützen, möchten wir die Diskussion um seine
Grundlagen anregen. Dabei würden wir gerne den Blick auf die Schnittstellenregelungen des Unterhaltsrechts zu
den Gebieten des Steuer- Sozial- und Arbeitsrechts lenken. Wünschenswert wären Regelungen, die auch Frauen als
gleichberechtigte Erwerbsbürgerinnen ansehen und entsprechend in die kollektiv organisierten Sozialsysteme
einbeziehen, d.h. sie nicht weiter in die private Finanzierungszuständigkeit ihrer Ehegatten verweisen.
Mit freundlichen Grüßen, PD Dr. Sabine
Berghahn