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BVerwG erhebt keine Bedenken gegen zwangsweises Semesterticket

zu BVerwG, Urt. v. 12.05.1999 - 6 C 10.98 u. 14.98

Das BVerwG hatte über die Klagen zweier Studenten zu entscheiden, die sich gegen die Einführung eines beitragsfinanzierten "Semestertickets" zur verbilligten Inanspruchnahme des öffentlichen Nahverkehrs und die Werbung hierfür durch den AStA als Organ der Studierendenschaft wandten.

Das BVerwG hat in beiden Verfahren die Revision der Kläger zurückgewiesen: "Es bestehen keine bundesrechtlichen Bedenken dagegen, daß die Studierendenschaften im Rahmen der ihnen durch den nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber übertragenen Aufgabe der Wahrnehmung der "sozialen Belange" ihrer Mitglieder nach Maßgabe der Verhältnisse am Hochschulort ein beitragsfinanziertes Semesterticket einführen. Insbesondere verstößt nicht schon die Errichtung verfaßter Studierendenschaften durch den Landesgesetzgeber gegen Bundesrecht. Sich für eine verbilligte Nutzung des Nahverkehrs durch die Studierenden zu bemühen, gehört unabhängig von der Art und Weise der Finanzierung durch den einer Studierendenschaft legitimerweise übertragbaren Aufgaben. Das umfaßt auch die Einführung eines Semestertickets. Darf sich die Studierendenschaft aber mit seiner Einführung befassen, so darf sie sich hierzu auch werbend äußern. Daß sie insoweit nicht nur auf den finanziellen Vorteil des Semestertickets für die Studierenden, sondern als Nebeneffekt auch auf dessen ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen hinweist, bedeutet keine unzulässige Wahrnehmung eines allgemein-politischen Mandats."

Der Kläger des einen Verfahrens konnte somit eine Unterlassung werbender Äußerungen des AStA nicht verlangen. Der Kläger des anderen Verfahrens konnte auch nicht die Rückzahlung des auf das Semestertickelt entfallenden Anteils des Semesterbeitrages durchsetzen: "Das nordrhein-westfälische Hochschulgesetz bietet nach der Auslegung durch das Berufungsgericht eine ausreichende gesetzliche Grundlage für ein aus den Beiträgen der Studierenden finanziertes Semesterticket. Dieses bringt hier nahezu für alle Studierenden der Universität einen Vorteil im Sinne des Äquivalenzprinzips. Seine Einführung verletzt auch nicht den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der für das Semesterticket erhobene Beitragsanteil von monatlich 14,- DM  -   die Monatskarte für Studierende kostete vorher 59,- DM  -  ist so gering, daß seine Entrichtung auch für Studierende zumutbar ist, die von dem Semesterticket keinen Gebrauch machen wollen. Zudem kann Studierenden, die wegen fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit den Beitragsanteil für das Semesterticket nicht aufbringen können, der Anteil aus einem "Sozialfonds" erstattet werden.

Rechtlicher Hintergrund: Art. 9 Abs. 1 GG schützt die Vereinigungsfreiheit, und dabei auch das Recht, aus Vereinen auszutreten oder ihnen von vornherein fernzubleiben (negative Vereinigungsfreiheit). Allerdings wendet die hM die Vorschrift nicht auf öffentlich-rechtliche Verbände an. Da Art. 9 Abs. 1 GG nicht das Recht begründe, öffentlich-rechtliche Verbände zu bilden, könne aus der Regelung auch kein Negativanspruch auf Freiheit von öffentlich-rechtlichen Zwangszusammenschlüssen hergeleitet werden. Die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Zwangskörperschaften (zB Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern) sei vielmehr allein an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen. Danach sind öffentlich-rechte Zwangsvereinigungen als Konkretisierung der verfassungsmäßigen Ordnung zulässig, wenn sie der Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben dienen und dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Vereinzelt wird demgegenüber Art. 9 Abs. 1 GG auch auf öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse angewendet, da sonst die Gefahr einer Aushöhlung des Grundrechts durch eine Wahl des Staates zugunsten öffentlich-rechtlicher statt privatrechtlicher Vereinigungen bestehe. Nur durch die Zuordnung auch öffentlich-rechtlicher Verbände zu Art. 9 GG könne die klassiche Grundrechtsfunktion, staatliche Zwangsakte abzuwehren, zum Tragen kommen. Nach beiden Auffassungen kann sich ein Zwangsmitglied gegen Aufgabenüberschreitungen durch Organe der Zwangskörperschaft zur Wehr setzen, entweder als Ausfluß von Art. 2 Abs. 1 oder Art. 9 Abs. 1 GG (in Form des allgemeinen öffentlich-rechtlicher Abwehr- und Unterlassungsanspruchs). Entschieden hat dies die Rspr vor allem bei unzulässiger Wahrnehmung eines allgemein-politischen Mandats durch den AStA."



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