DEFO an der FU - Präsidentschaftswahl | ||||
DEFO: Was bewegt Sie zur Kandidatur? Gaehtgens: Eigentlich gilt mein Interesse als Hochschullehrer der Forschung und der Lehre in meinem Fach. Dann haben mich im Laufe meiner akademischen Laufbahn eine Reihe von Gründen bewogen, mich auch in der Selbstverwaltung zu engagieren. Und nachdem ich das nun einige Zeit gemacht habe, hat mir jemand gesagt: "Den Nobelpreis werden Sie in der Forschung sowieso nicht mehr kriegen, da sollten Sie vielleicht doch über Alternativen nachdenken." Nein, ernsthaft will ich sagen, daß mich die Veränderungen, die eine Universität vollziehen muß, wenn sie sich an auf neue Situationen und Rahmenbedingungen hin orientieren will, vielleicht auch deswegen interessieren, weil dieser Prozeß Ähnlichkeit mit dem hat, was mich auch in meinem Fach, der Physiologie, beschäftigt - wie sich lebende Organismen an sich verändernde Umgebungsbedingungen adaptieren. Es geht darum, der Optimierungsstrategie solcher lebender Organismen und ihren Gesetzmäßigkeiten auf die Spur zu kommen. Für die Freie Universität geht es konkret darum, den Vorgang gewaltiger Abstrukturierung, dem wir ausgesetzt sind, so zu gestalten, daß Effizienz in Forschung und Lehre gesichert, ja sogar gesteigert werden kann. DEFO: Es geht ja nicht allein um von außen an uns herangetragene Veränderungen, sondern das Entscheidende für die Anpassung ist ja auch, wo der Organismus seine Stärken hat. Wo sehen Sie die Stärken der FU? Gaehtgens: In erster Linie ist die Frage wichtig, wozu die Universität existiert, was eigentlich ihre zentralen Aufgaben sind. Die Geschichte der FU belegt, daß dies auf unterschiedliche Weise beantwortet werden kann. Wenn man eine hohe Priorität in innovativer Gesellschaftspolitik sieht, dann ist das eine mögliche Antwort - nicht unbedingt meine. Ich denke, daß Universitäten im Sinne des Humboldt'schen Gedankens in erster Linie den Auftrag zu Lehre und Forschung ernst zu nehmen haben. Wir müssen uns in dieser Kernaufgabe der Universität vor allem engagieren. Das heißt natürlich nicht, daß man sich in den Elfenbeinturm zurückzieht. Die Universität muß sich vielmehr sowohl im Interesse einer zukunftsorientierten Ausbildung von Studierenden als auch mit Rücksicht auf den rapiden Wandel wissenschaftlicher Methoden und Inhalte mit den gewaltigen Veränderungen befassen, die sich in den modernen Gesellschaften ereignen - und diesen Prozeß gilt es zu gestalten. Aber ich halte nach wie vor daran fest: In Forschung und Lehre liegen für mich die Kernaufgaben der Universität. DEFO: Verstehen wir Sie richtig, daß Sie sich für eine Rückbesinnung aussprechen? Gaehtgens: In dem Musil'schen Roman von dem "Mann ohne Eigenschaften" wird die Situation der Gesellschaft beschrieben, als das Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Josef ansteht. Alle sind sich darüber einig, daß es nicht weitergehen kann, wie es ist, aber keiner weiß, wie es denn weiter gehen soll. Man könnte sich entweder rückwärts besinnen, was zu einfallslos erscheint, oder man könnte eine Utopie nach vorne entwickeln, was riskant ist und Wirklichkeitsverlust bedeuten kann. Ich glaube, daß für uns beides notwendig ist. Die Universität muß sich einerseits der traditionellen Aufgaben besinnen - auch im Interesse der Unterscheidung von den Fachhochschulen - und da sehe ich keinen Grund, von Wilhelm von Humboldt abzuweichen. Andererseits müssen wir auch die Bedürfnisse der modernen Welt - mit neuen Medien und veränderten Lebens- und Arbeitsbedingungen - berücksichtigen. Ich glaube, daß das Bewußtsein der eigentlichen Ziele der Universität auch 1949 für die Gründungsstudenten der FU eine wesentliche Triebfeder war. Sie wollten eben gerade nicht das, was sich als Entwicklung in der Linden-Universität abzeichnete. DEFO: Worin sehen Sie Chancen und Perspektiven, die sich der Freien Universität bieten? Wie können wir uns gegenüber der Humboldt-Universität abgrenzen? Die Humboldt-Universität scheint ja eine gewisse Anziehungskraft auf gute Professoren auszuüben... Gaehtgens: Dem möchte ich lebhaft widersprechen. Wir hatten gerade in den letzten Monaten viel Erfolg bei Berufungen sehr qualifizierter Hochschullehrer, auch bei dem Versuch, Berufungen nach auswärts- auch an die Humboldt-Universität - abzuwenden. Das gelang, weil wir uns sehr engagiert haben, die Leistungsfähigkeit der FU in Forschung und Lehre zu erhalten, und insgesamt steht die FU darin der HU keineswegs nach - alle Kriterien der Bemessung von wissenschaftlicher Produktivität und internationaler Anerkennung belegen das. Das Problem der FU ist natürlich der schwierige Abbauprozeß. Dabei gilt es, die FU etwa um ein Drittel herunterzufahren und dennoch in einigen Bereichen deutlich Vorwärtsbewegung zu ermöglichen. Damit ist ein wichtiges strategisches Ziel der kommenden Jahre definiert. Ich glaube, daß die FU sehr gute Chancen hat, die Entwicklung fortzusetzen, die sich in den letzten etwa zehn Jahren abgespielt hat. Seit dem Fall der Mauer 1989 hat in der FU eine sehr starke Fokussierung auf ihre Leistungsfähigkeit in der Forschung undLeistungsbereitschaft in der Lehre stattgefunden. Im Grunde müssen wir diesen Kurs fortsetzen und konsolidieren. Ich glaube überdies, daß die FU einige Strukturen hat, die ihr Profil deutlich von dem anderer Universitäten unterscheidet. Ich meine z.B. die regionalwissenschaftlichen Zentralinstitute, die sich durch eine große Interdisziplinarität auszeichnen. Das ist so ein Strukturmerkmal, das die FU eher stärken und entwickeln als schwächen sollte - etwa durch Einrichtung von Interdisziplinären Zentren. Das wäre dann schon ein wichtiges Profilmerkmal, das uns von HU abgrenzt - wenn Sie denn Abgrenzung überhaupt wollen. Im übrigen bin ich für fachliche Kooperation aber institutionelle Unabhängigkeit. Ich halte nichts davon, die Universitäten und Fachhochschulen in Berlin zu einem riesigen Mega-Unternehmen zu vernetzen, das niemand durchschauen kann. Wettbewerb zwischen den Hochschulen wird die künftige Devise sein, und da sollte die FU durchaus mithalten können. DEFO: Wenn Sie jetzt die Möglichkeit bekämen, Ihre Vorstellungen umzusetzen, wie sähe dann Ihrer Meinung nach die Freie Universität im nächsten Jahrtausend aus? Gaehtgens: Ich stelle mir vor, daß wir den Übergangsprozeß der Verkleinerung und Modernisierung, in dem wir jetzt stehen, auch am Ende einer weiteren Amtszeit noch nicht gänzlich abgeschlossen haben werden - und das ist zweifellos ein schwieriger Prozeß. Ich stelle mir vor, daß wir die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, sehr viel konzentrierter einsetzen für das, was im Sinne unserer Hauptzielrichtung wichtig und notwendig ist. In den vergangenen Jahren ist sicher an der FU auch manches gewachsen, weil es die Möglichkeit dafür gab, ohne daß intensiv gefragt wurde, ob das denn eigentlich sinnvoll und notwendig sei. Diese Frage werden wir jetzt ständig stellen müssen. Und an der künftig deutlich kleineren FU wird sich das Verhältnis zwischen Infrastruktur - also Verwaltung und Dienstleitung - und eigentlichen Arbeitseinheiten von Forschung und Lehre zu Gunsten der letzteren verändert haben. Diesen Umbauvorgang werden wir angehen müssen, wenn wir trotz schrumpfender Haushaltsmittel Qualität gewinnen wollen. Das wird in acht Jahren durchaus zu erreichen sein und wird im übrigen auch durch den jetzt stattfindenden Generationenwechsel unterstützt. DEFO: Wir sind schon mitten drin in den Fragen der Finanzierung. Würden Sie Studiengebühren in diesem Zusammenhang als Finanzierung verstehen? Gaehtgens: Ich habe keine grundsätzliche Gegenposition gegen Studiengebühren. Das darf man natürlich nicht sagen, ohne es zu erklären - weil es vielfach mißverstanden wird. Ich will deswegen auch sofort erklären, daß selbstverständlich dabei die soziale Balance erforderlich ist, weil niemand aus finanziellen Gründen vom Studium abgehalten werden darf, und daß ferner Talent und Begabung der Studierenden in das Finanzierungsmodell - wie immer es aussehen mag - mit eingehen sollte. Wir leben in einer Situation, in der der Staat zunehmend nicht mehr leisten kann, was ihm als Verantwortung eigentlich obliegt. Und dann gibt es nur zwei Alternativen: Entweder der Staat muß eben doch Bildung und Wissenschaft eine höhere Priorität zuerkennen als anderen Aufgaben und das Hochschulsystem deutlich besser finanzieren. Wenn er das nicht kann oder will, dann sehe ich einfach nur die Alternative von Studiengebühren- jedenfalls schadet die jetzige Unterfinanzierung den Universitäten ungemein und damit natürlich letztlich auch den Studierenden. Niemand kann wollen, daß wir die jetzige prekäre Situation der Hochschulen noch jahrelang so fortführen, denn ernsthafte Schäden und ein Verlust auch der internationalen Wettbewerbsfähigkeit wären zu befürchten. Im übrigen glaube ich auch nicht, daß ich mit dieser Position gegen den Leitbegriff der iustitia in unserem Universitätssiegel verstoße - im Gegenteil. Heute muß jemand, der einen handwerklichen Beruf ergreifen will, für seine Ausbildung bezahlen - für eine akademische Ausbildung bezahlt man dagegen nichts, vom Lebensunterhalt einmal abgesehen. Das absolvierte Studium aber bietet hinterher deutlich größere Lebensaussichten und Einkommenschancen als die handwerkliche Ausbildung. Wenn Sie zusätzlich berücksichtigen, daß die Steuergelder, mit denen die Universität finanziert wird, überwiegend nicht von den Menschen mit den großen Einkommen bezahlt werden, sondern überwiegend von den sog. "kleinen Leuten", dann ist es geradezu eine Forderung der Gerechtigkeit, an dieser Stelle etwas zu ändern. Wie das im Einzelnen aussehen müßte, darüber kann man lange diskutieren. Aber Studiengebühren grundsätzlich auszuschließen halte ich für falsch. Letztlich ist eine politische Entscheidung nötig und im Moment sieht es nicht danach aus, daß das gegenwärtige System grundlegend verändert wird. DEFO: Vom Allgemeinen ins Konkrete. Ein wichtiger Punkt für die Studierenden ist die Bibliothekslandschaft. Wir haben bisher sehr gute Bibliotheken mit zukunftsweisendem Stand, speziell auch am juristischen Fachbereich. Die jetzige Entwicklung läuft dem entgegen, Kürzungen bei Mitteln und Öffnungszeiten sind an der Tagesordnung. Muß man da nicht umsteuern? Gaehtgens: Viele der bisherigen Ausstattungsvorsprünge an der FU - wir hatten und haben noch die besten Bibliotheken landauf landab - können wir angesichts der Haushaltslage in dieser Form sicherlich nicht erhalten. Das ist, denke ich, evident. Auf der anderen Seite ist auch klar, daß für die Geistes- und Sozialwissenschaften die Bibliotheken das Arbeitsinstrument par excellence und daher ebenso wichtig sind wie für den Chemiker das Labor. Daß wir insofern eine Untergrenze nicht unterschreiten dürfen, sehe ich durchaus und eine möglicherweise ruinöse Entwicklung müssen wir dringlich verhindern. Daß Sie zukünftig ein paar Schritte mehr machen müssen, um Ihre Bücher zu erreichen, vielleicht auch mehr von der Vernetzung mit anderen Einrichtungen in Berlin Gebrauch machen müssen, wird aber unabdingbar sein. Wir setzen natürlich auch darauf, die neuen Medien, die bisher an der FU noch unterentwickelt sind, zu verstärken. Wir haben zwar die besten Bibliotheken, aber wir haben ein noch entwicklungsbedürftiges EDV-System. Da muß etwas passieren.Dort wo die Arbeitsinstrumentarien für Forschung und Lehre zwingend notwendig sind, müssen wir sie mithin gewährleisten. Öffnungszeiten sind ein unangenehmes Thema. Auch dabei müssen wir die wirkliche Situation noch mal wirklich genau prüfen: Gibt es Bibliotheken, bei denen die Benutzer tatsächlich vor der Tür stehen müssen, weil die Öffnungszeiten zu kurz sind? Das geht dann sicher nicht, denn eigentlich müßte man zu jeder Tag- und Nachtzeit die Bibliotheken nutzen können. Andererseits werden unsere Bibliotheken, weil sie so vorzüglich sind, auch von vielen benutzt, die gar nicht an der FU tätig sind. Und ich kann kein Verständnis mehr dafür haben, daß das zwingend so bleiben muß. Ob also z.B. niedergelassene Rechtsanwälte kostenfrei in der FU-Bibliothek ihre selbstverständliche Quelle finden müssen, darf man in Frage stellen. In der Finanzsituation, in der wir uns befinden, können wir uns das sicher auf Dauer nicht erlauben. DEFO: In unserer Bibliothek haben wir Studierende der Humboldt-Universität, aus Potsdam, sogar aus Frankfurt/Oder, auch junge Rechtsanwälte und den einen oder anderen jungen Richter. Wenn man sich jetzt hier - wie Sie sagen - auf die Kernaufgaben zurückzieht, besteht dann nicht die Gefahr, daß die Universität als Anlaufpunkt verloren geht, die Berufstätigen sich von der Universität entfremden? Gaehtgens: Das halte ich für einen sehr wichtigen Punkt und deswegen glaube ich, muß die Kernaufgabendiskussion etwas weiter gefaßt werden. Wenn Sie sich vor Augen führen, in welchem Umfang sich Lebens- und Arbeitsbedingungen in der modernen Gesellschaft ändern, dann ist evident, daß Sie nie aufhören werden, zu lernen. Daher werden Universitäten viel mehr als in der Vergangenheit Wert darauf legen müssen, den Menschen auch dann noch etwas bieten zu können, wenn sie schon lange ihr erstes Studium oder die erste Berufsausbildung hinter sich haben. Wir werden Möglichkeiten schaffen müssen, daß Menschen, die schon in einem Beruf tätig sind, sich nicht nur weiterbilden, sondern unter Umständen auch ein völlig neues Studium anfangen. Wenn etwa ein Politiker ein Studium der Kunstgeschichte im Alter von 65 beginnen möchte oder einen anderen Studiengang absolvieren will, dann sollte die Universität dies engagiert möglich machen - freilich gegen Gebühren. Mit solchen Einnahmen könnte ich dann auch die Öffnungszeiten für die Bibliotheken und ihre Ausstattung wieder ergänzen. Solche Entwicklung neuer Lehrkonzepte muß daher zwei Ziele haben: Erstens, der Universität Ressourcen zu erschließen und zweitens, sie in der Gesellschaft auf andere Weise zu verankern als das bisher der Fall ist. Die Unterstützung der Universitäten durch die Öffentlichkeit zu verbessern, ist eine dringende Aufgabe. Und das können wir, wenn wir den Menschen zeigen, daß wir für die Gesellschaft etwas Wichtiges bieten. DEFO: Welche Einflußmöglichkeiten glauben Sie, haben die Studierenden dabei, was können sie bewirken, was verändern? Gaehtgens: Ich glaube, daß wir uns ein bißchen mit der Frage beschäftigen müssen, mit welchen Zielen und in welchen Formen die Einflußmöglichkeiten der Studierenden genutzt werden. Die FU hat ein nicht geringes Problem als Folge der Tatsache, daß manche ihrer Erscheinungsformen in der Öffentlichkeit nicht akzeptiert werden. Das ist historisch so entstanden und daran müssen wir arbeiten. Umgekehrt muß die Universität den Studierenden glaubhaft vorführen, daß es sich um "ihre" Universität handelt. Insofern besteht hier die beiderseitige Aufgabe, daran zu arbeiten. Wenn man in der Gremienarbeit zum Beispiel darauf rechnen kann, daß die Sacharbeit im Vordergrund steht, ist eine engagierte Beteiligung der Studierenden nicht nur willkommen, sondern auch wichtig. Es ist ein historisches Verdienst der FU, die Mitwirkung der Studierenden in allen Gremien eingeführt zu haben. Natürlich gibt dabei Grenzen, z.B. bei Berufungsvorgängen, die sich aus der Erfordernis von Fachkenntnissen ergeben, die man nicht unbedingt haben kann, wenn man als Studierender nur recht kurz dabei ist. Andererseits kann und sollte z.B. die Lehrbefähigung von Bewerbern bei Berufungsverfahren durchaus von den Studierenden beurteilt werden - und das sollte durchaus auch stärker berücksichtigt werden. Insgesamt: Die Universität gäbe es nicht, wenn es nicht die Studierenden gäbe. Auch die Forschung profitiert von der Tatsache, daß sie in enger Verknüpfung mit studentischer Lehre stattfindet, weil die elementaren Fragen von denen gestellt werden, die die Sache aus ganz neuen Augen sehen - das muß man manchen Hochschullehrern stärker vermitteln. Insofern glaube ich, daß die Studierenden sehr viel mehr mitwirken könnten, aber daß wir hierbei vielleicht auch eine neue Mitwirkungskultur entwickeln müssen. DEFO: Die Studenten sind auch in der Regel nur um die sechs Jahre an der Universität. Das bietet auch gar nicht die Gelegenheit, sich derart einzuarbeiten... Gaehtgens: ...das bedeutet einen Vorteil und einen Nachteil. Der Nachteil ist ganz deutlich - die nicht ausreichende fachliche Einarbeitung. Zugleich bedeutet es aber der Universität den großen Vorteil, daß nichts a priori akzeptiert werden, sondern alles hinterfragt werden muß. Das ist im wissenschaftlichen Prozeß eminent wichtig. Es gibt so viele Dinge, die als Dogma verkündet werden und sich später als Luftnummer herausstellen, weil irgend jemand des Kaisers neue Kleider plötzlich entlarvt hat. DEFO: Sie haben nach dem tragischen Unfall von Prof. Gerlach die Chance bekommen, in die Position "hineinzuriechen", kommissarisch das Amt auszuführen. Glauben Sie, daß Ihnen diese Tatsache einen Vorteil verschafft? Wie sehen Sie Ihre Chancen, das Mandat nun zu bekommen? Gaehtgens: Natürlich habe ich einen "Platzvorteil", weil ich die Spielregeln besser kenne, denn ich habe in der Zwischenzeit eine gewisse Übung in manchen Routinen erworben. Ich bin in diese Situation sehr überraschend hineingeraten und das Gesetz sagt klar, wie die Spielregeln sind: "VP1 ist ständiger Vertreter von P" (P=Präsident, VP1=Erster Vizepräsident, Anm. d. Red.) Das ist natürlich nicht so vorgesehen gewesen, wie es jetzt aus betrüblichem Anlaß stattfinden mußte. Denn tatsächlich führe ich jetzt nun schon mehr ein Jahr de facto das Amt aus. Das aber ist die Gesetzeslage. Ich war und bin allerdings in einer Situation, die mir nicht ganz leichtfällt, weil ich ja nicht von meinen anderen Verpflichtungen als Hochschullehrer entbunden bin und mich eigentlich auch nicht ganz entbinden will. Die Wahlentscheidung ist noch nicht gefallen und wie sie ausgeht, werden wir ja erst wissen, wenn es soweit ist - es kann ja sein, daß ich dann wieder in die Hochschullehrertätigkeit zurückkehre, so daß ich es mir gar nicht erlauben kann, daraus jetzt völlig auszusteigen. Ich mag meinen ursprünglichen Beruf immer noch und insofern würde mir auch der Übergang in das Präsidentenamt auch ein bißchen schwer fallen. Aber ich bin - ganz am Anfang habe ich es schon gesagt- jetzt "60 plus" und den Nobelpreis bekomme ich nicht mehr. So kann ich vielleicht die im letzten Jahr gesammelten Erfahrungen auch nutzbringend in eine neue Aufgabe einbringen. Die Amtsführung - auch die damit verbundene Verantwortung - einmal erlebt zu haben, das ist, glaube ich, schon eine nützliche Erfahrung. DEFO: Was wäre Ihre erste Amtshandlung nach der Wahl? Gaehtgens: Zuerst den Wählern zu danken. Das ist zwar formal keine "Amtshandlung", aber es wäre schon die erste Verpflichtung. Die FU hat in den letzten Jahren sehr davon profitiert, daß die Leitung von einem sehr breiten Konsens getragen wurde. Ich lege großen Wert darauf, das zu erhalten. Es ist auch für die FU von besonderer Wichtigkeit, daß dieser Konsens auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird - damit haben wir manches erreicht. Um dieses positive Bild der FU zu erhalten und zu stärken, bedarf esauch der Bereitschaft der Universität, die Leitung zu akzeptieren. Insofern wären meine ersten Amtshandlungen im neuen Amt dieselben wie meine letzten in der jetzigen Aufgabe: Mich darum zu bemühen, das, was ich tue, auf eine Art und Weise zu tun, die das Vertrauen dieser Universität erweckt. DEFO: Vielen Dank für das Gespräch. Mit Prof. Dr. Gaehtgens sprachen Bernhard Dietrich, Vorsitzender, und Lars Lehmann, stellvertretender Vorsitzender des Demokratischen Forums (DEFO).
geboren: 1937 in Dresden (erschienen im DEFO-Info Nr.39 vom SS1999) |
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