[Freie Universität Berlin] [FU-Nachrichten - Zeitung der Freien Universität Berlin]
 
  
TitelAktuellAktuellInnenansichtenLeuteInnenansichtenDie Letzte
FU Nachrichten HomeFU-Nachrichten ArchivFU Nachrichten SucheLeserbrief an die RedaktionImpressumHomepage der FU Pressestelle
Vorheriger Artikel...
Nächster Artikel...

[Nachruf für Prof. Dr. med. Dr. h.c. Wilhelm Brosig]

[Weltbekannter Urologe und streitbarer Zeitgenosse]

Der Tag zieht den Jahrhundertweg: Diese poetische Zeile von Tschingis Aitmatov könnte über dem Leben von Wilhelm Brosig stehen. Mehr als 90 Jahre lang kämpfte er sich durch zuweilen stürmische Zeiten und gestaltete die Medizin an der Freien Universität wie kaum ein anderer mit. Er wurde in der Slowakei geboren und ließ sich vor dem Krieg an der deutschsprachigen Universität in Prag zum Mediziner ausbilden. Doch statt eines Krankenhauses erwartete ihn die Wüste: Nach dem Examen erhielt er einen Einberufungsbefehl zum Afrika-Corps der Wehrmacht. Er geriet in alliierte Gefangenschaft und verbrachte vier Jahre als Lazarettarzt in Amerika. Im Herbst 1946 wurde er entlassen. Allein die Überfahrt nach Bremerhaven dauerte zwei Wochen.

Danach bekam der junge talentierte Arzt endlich festeren Boden unter den Füßen. Ein befreundeter Mediziner aus Breslau, mit dem er in Kriegsgefangenschaft war, vermittelte ihn als Oberarzt an die Chirurgische Universitätsklinik in Frankfurt am Main. Dort habilitierte sich Brosig über den „Einfluss der Urinausscheidung auf das Wachstum der Blasentumoren“.

Damit stand sein späterer Weg fest: Brosig kämpfte mit der ihm eigenen Bescheidenheit und Freundlichkeit darum, die Urologie als eigenständige Fachdisziplin neben der Chirurgie zu etablieren. 1958 erhielt er einen Ruf an die noch junge Freie Universität nach Berlin. Er setzte durch, dass er zum Extraordinarius für Urologie berufen und mit der Leitung der urologischen Poliklinik betraut wurde. Ab 1959 übernahm er die Leitung der urologischen Klinik und hatte damit den dritten Lehrstuhl für Urologie in Deutschland inne.
In den kommenden Jahren leistete der weltbekannte Spezialist Pionierarbeit: 1963 gelang ihm am damaligen Klinikum Charlottenburg der FU die erste Nierentransplantation in Deutschland. 1965 schaffte er die erste radikale Prostatektomie, die Entfernung der Prostata. Für seine Verdienste erhielt der zweifache Vater und vierfache Großvater zahlreiche Ehrungen im In- und Ausland. So wurde er Ehrenmitglied der Deutschen, Österreichischen, Berliner, Norddeutschen und Japanischen Urologischen Gesellschaften. 1983 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Im gleichen Jahr ging er in den Ruhestand, doch an Ruhe mochte der Pensionär nicht denken. Er blieb immer an „seiner“ Urologie interessiert und pflegte zahlreiche Freundschaften zu Fachkollegen rund um den Globus. 1994 ehrte ihn die Freie Universität mit dem Titel eines Ehrendoktors. Bis ins hohe Alter blieb Wilhelm Brosig ein wacher Zeitgenosse, der an Tagungen und Kongressen teilnahm. Noch als 89-Jähriger mischte er sich in die Politik ein und kämpfte mit anderen gegen die Schließung des Fachbereichs Humanmedizin der FU. „Ich protestiere auf das Heftigste“, schrieb er im Januar 2002 an den Regierenden Bürgermeister. Das Leben dieses herausragenden Wissenschaftlers hat sich nun vollendet.

FvA/HS

Foto: privat

 Zum Anfang des Artikels...