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[Die Empfehlungen der Expertenkommission zur Hochschulmedizin und die Reaktionen]

Im Januar demonstrierten zahlreiche FU-Mediziner(innen) und deren Anhänger für den Erhalt des Universitätsklinikums Benjamin Franklin.

Die Erwartungen waren hochgesteckt und wurden übertroffen. Die Empfehlungen der Expertenkommission zur Hochschulmedizin unter Vorsitz des früheren Generalsekretärs des Wissenschaftsrates, Dr. Winfried Benz, überraschten bei ihrer Vorstellung am 14. Oktober im Berliner Rathaus durch moderate Radikalität: der Errichtung einer gemeinsamen Medizinischen Fakultät von Freier Universität und Humboldt-Universität und eines gemeinsamen Universitätsklinikums – dem „Zentrum Universitäre Medizin Berlin“. Inzwischen liegen die Empfehlungen dem Wissenschaftsrat zur Begutachtung vor, während die betroffenen Universitäten sich auf die Umsetzung vorbereiten.

Die Kommission war im Februar vom Senat eingesetzt worden, nachdem die Beschäftigten des UKBF und weite Teile der Bevölkerung Anfang des Jahres gegen den Plan der neuen SPD-PDS-Koalition, den Fachbereich Humanmedizin der FU aufzugeben und das UKBF zum Regionalkrankenhaus herabzustufen, demonstriert hatten.

Im Zentrum der Kommissions-Empfehlung steht die „Schaffung eines neu gestalteten, der Forschung und Lehre verpflichteten Universitätsklinikums, das in der Konkurrenz der Berliner Krankenhäuser und der Krankenhausverbünde erfolgreich sein kann“. Um die unternehmerische Eigenverantwortlichkeit sicherzustellen, müsse das neue Klinikum rechtlich verselbstständigt, von einer professionellen, hauptamtlichen Leitung geführt und durch einen Aufsichtsrat kontrolliert werden.

Die Angst im Nacken und den „letzten Forscher“ auf den Schultern – Dr. Friedmar Graichen und das Skelett des biochemischen Labors kennt inzwischen fast jeder Berliner.

Kostensenkung

Das neue Universitätsklinikum soll aus sechs „wissenschaftlichen Schwerpunkten“ sowie vier „klinischen Zentren“ bestehen. Dadurch bleibe die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Hochschulmedizin in Berlin gesichert, so die Expertenkommission.

Zunächst werden die drei Standorte Charité Berlin-Mitte, Charité Virchow-Klinikum und Universitätsklinikum Benjamin Franklin erhalten bleiben. Langfristig aber wird die Konzentration auf zwei Standorte (Charité und UKBF) empfohlen. Die Kommission erwartet ferner eine Reduzierung der Bettenkapazität des neuen Universitätsklinikums bis zum Jahr 2010 um rund ein Drittel auf künftig rund 2200 Betten – nicht nur durch das neue Entgeltsystem der DRGs (Diagnosis Related Groups).

Neuland betritt die Kommission mit ihrer Empfehlung, die beiden Medizinischen Fakultäten zu einer Fakultät zusammenzuführen, die „eine gemeinsame, rechtlich selbstständige Gliedkörperschaft der Humboldt-Universität und der Freien Universität Berlin bilden soll“. Außerdem schlägt die Kommission vor, die beiden Zahnkliniken mit Konzentration am bisherigen FU-Standort in der Aßmannshauser Straße zusammenzuführen und künftig pro Jahr rund 600 Studienanfänger der Human- und der Zahnmedizin zuzulassen sowie die Einsparvorgaben durch „Senkung der Kosten im Sekundärbereich“ auf die nächsten acht Jahre bis 2010 zu strecken.

Am UKBF sollen künftig zwei der „wissenschaftlichen Schwerpunkte“ angesiedelt werden: der Bereich „Kardio-Vaskuläre Erkrankungen mit Schwerpunkt Hypertensiologie“ sowie die „Hämato-Onkologie mit Schwerpunkt hämatogene Tumore“. Die Kommission empfiehlt aber auch gravierende Einschnitte. So sollen forschungsintensive Bereiche wie die Neurologie, Dermatologie, klinische Physiologie, Medizinische Physik und Lasermedizin sowie die Perinatalmedizin und Pädiatrie entweder abgeschmolzen oder verlagert werden. Ferner möchte die Kommission die UKBF-Kliniken für Neurochirurgie und die Psychiatrie dem wissenschaftlichen Schwerpunkt „Neurowissenschaften“ an der Charité in Mitte zuordnen. Der gleiche Wechsel – an den Charité-Schwerpunkt „Immunpathologische Erkrankungen“ – wird für die Medizinische Klinik I am UKBF (Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie) vorgeschlagen.

Identität erhalten

Der FU-Dekan des Fachbereichs Humanmedizin, Prof. Dr. Martin Paul, hält die Empfehlungen „für eine zukunftsweisende Hochschulmedizin angemessen, weil sie primär die Forschungsleistung als entscheidendes Kriterium für Struktur und Finanzierung in den Mittelpunkt stellen“. Es gebe „keine wirklichen Gewinner und Verlierer“, so Prof. Paul. „Ob in Mitte, in Wedding oder bei uns in Steglitz und Dahlem, alle Standorte werden durch Schwerpunkte gestärkt, müssen aber auch relativ gleichmäßig die Lasten tragen.“ Dem Klinikum Benjamin Franklin stünden schmerzliche Einschnitte bevor, die schwierige Jahre erwarten ließen.

Der Fachbereichsrat bescheinigte den Empfehlungen der Kommission „richtungweisende Gesichtspunkte, die die Stärken beider Fakultäten/Fachbereiche aufgreifen“ und begrüßte die Struktur des neuen Zentrums für Universitäre Medizin Berlin, die den „Erhalt der Identität der verschiedenen Standorte“ zulasse.

Das Kuratorium der Freien Universität hat sich hinsichtlich der Fusion der Fakultäten nachdenklich gezeigt. „Das Kuratorium hält es für vorzugswürdig, den akademischen Medizinbereichen von HU und FU jeweils den Status von Fakultäten der FU und der HU zu belassen“, formulierte der „Aufsichtsrat“ der FU unter Vorsitz von Prof. Hans-Uwe Erichsen Anfang November in einer Entschließung. Es sei allerdings „notwendig, den beiden Fakultäten eine Entscheidungsinstanz mit den Zuständigkeiten etwa im Bereich von Struktur-, Berufungs- und Haushaltsplanung sowie akademischen Angelegenheiten überzuordnen, die unter externer Beteiligung die Umsetzung der von der externen Expertenkommission empfohlenen Maßnahmen zur Schwerpunktbildung aber auch die Koordinierung der Lehre gewährleistet“. Keine Bedenken hatte das FU-Kuratorium gegen die geplante Fusion der Klinika, die „zu einem ins Gewicht fallenden Effizienzgewinn führen“ werde.

Manfred Ronzheimer

Die nächsten Schritte

Zur Zeit berät der Wissenschaftsrat im Auftrag des Landes Berlin die Empfehlungen der Expertenkommission zur Hochschulmedizin. Im Januar 2003 will der Wissenschaftsrat seine Stellungnahme dazu abgeben. Parallel dazu wird in Berlin das künftige Gesetz zur Hochschulmedizin vorbereitet. In einem Vorschaltgesetz, das voraussichtlich im Februar 2003 vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden soll, werden bereits wichtige Rahmenbedingungen zur Fusion der Klinika, unter anderem die Rechtsform, geregelt. Das detaillierte Gesetz zur Neuordnung der Hochschulmedizin wird vom Senat nach dem Votum des Wissenschaftsrates im Entwurf vorgelegt, von den Ausschüssen beraten und vom Abgeordnetenhaus im Laufe des nächsten Jahres beschlossen.

Fotos: Dahl

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