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[Zahnmedizin ist auch Medizin]

Vorbeugen ist besser als heilen. Diesen Grundsatz befolgen die Zahnmediziner und Zahnmedizinerinnen der Freien Universität nicht nur in ihrer täglichen Arbeit, sondern auch in ihrem Widerstand gegen alle bisherigen Versuche der Politik, die FU-Zahnklinik zu schließen.


Selten war die Reaktion der Öffentlichkeit auf politische Willkür so heftig wie nach dem Beschluss des Berliner Senats, den Fachbereich Humanmedizin der Freien Universität zu schließen und das Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF) in ein städtisches Krankenhaus umzuwandeln. Was viele Berliner nicht zu wissen scheinen: Auch die Zahnmedizin der Freien Universität wäre gefährdet, wenn die Politik ihre Absichten doch noch in die Tat umsetzen sollte, denn die Zahnklinik in der Aßmannshauser Straße gehört zum UKBF. Prof. Dr. Ralf J. Radlanski, der Geschäftsführende Direktor der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, und Prof. Dr. Martin Paul, der Dekan des Fachbereichs Humanmedizin der FU, zeigen in ihrem nachfolgenden Artikel die überregionale Bedeutung dieser Klinik für die Krankenversorgung, Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten und die Forschung auf.

Auf der letzten Demonstration konnte man es wieder sehen: Einige Zahnmediziner haben noch die Sticker von 1996 aufgehoben und tragen sie wieder: „Sinnvoll sparen, Zahnklinik an der FU erhalten!“ steht darauf. Wer hätte geglaubt, dass sie jetzt schon wieder gebraucht werden. Seit 1993 ist dies nun das dritte Mal, dass diese Klinik von der Hochschulpolitik geschlossen werden soll. Dazu muss man wissen: In einem städtischen Krankenhaus gäbe es keine Zahnklinik.

Aus eigener Kraft überlebt

Dabei hat diese Universitätszahnklinik am Heidelberger Platz eine sehr wechselvolle und zum Teil auch leidvolle Geschichte, die nicht gerade Ausdruck einer weisen Wissenschaftspolitik ist: Ursprünglich gebaut in den 50iger Jahren, um dem Bedarf im Westteil der Stadt gerecht zu werden, erweitert um einen Standort im Berliner Nordwesten in der Föhrer Straße und bis zur Auflösung 1993 eigenständiger und weltweit bekannter und sehr erfolgreicher Fachbereich an der FU Berlin. Im Zuge der Neuorganisierung der Medizin im Berliner Norden gab die FU nach dem Fall der Mauer ihr Klinikum Rudolf Virchow und die Nordhälfte ihrer Zahnklinik ab, damit die Charité vergrößert und modernisiert werden konnte. Der verbliebene Teil der Zahnmedizin wurde in das Universitätsklinikum Benjamin Franklin integriert. Nach der Zerschlagung dieses großen zahnmedizinischen Fachbereiches schlug der Berliner Wissenschaftssenat 1996 nochmals zu und wollte die Zahnklinik an der FU in Unkenntnis der Rechtslage gänzlich schließen. Das Verfassungsgericht wies dieses Ansinnen zurück, gleichwohl behielt der Senat den Staatszuschuss von 12 Millionen DM pro Jahr ein und bürdete dem Fachbereich Humanmedizin an der FU auf, die Zahnklinik aus eigenen Mitteln weiterzuführen. Das Klinikum Benjamin Franklin erhielt eine Zahnklinik, die aufgrund ihrer baulichen Größe einmalig in Deutschland ist, sie war gerade teuer asbestsaniert und modern ausgestattet worden. Die Aufwendung jeder Mark zur Finanzierung des täglichen Bedarfs in Forschung, Lehre und Krankenversorgung wurde in den letzten Jahren mehrfach überprüft, und inzwischen wurden die Kosten auf jährlich 8,5 Millionen DM gedrückt. Das ist die unterste Grenze der Funktionsfähigkeit. Wir bilden 40 bis 50 Studenten pro Semester aus, der kontinuierliche Abbau von Personal ging bis an die Überlastgrenze, und die Mittel für Forschung und Lehre wurden auf ein Fünftel reduziert. Trotzdem kann die Zahnklinik beständig steigende international bedeutende Forschungsleistungen und Drittmitteleinwerbungen, engagierte, innovative Lehre und ein hohes Niveau der Patientenversorgung vorweisen.

Die Zahnärzte stellen die größte Facharztgruppe innerhalb der Medizin dar, aber in einem Stadtkrankenhaus gäbe es keine Abteilung für Zahnheilkunde. Jedes Jahr nimmt unsere Klinik 20.000 bis 25.000 neue Patienten auf, vor allem solche Patienten, deren spezielle Probleme nicht im normalen Praxisalltag behandelt werden können. Wo gehen die hin, wenn die Klinik fehlt?
Aufgabe einer Universitätszahnklinik ist es weiterhin, die Bevölkerung der Region mit gut ausgebildeten Zahnärzten zu versorgen. Es wird einen Mangel an Zahnärzten geben, das zeigt die Berechnung der Bedarfszahlen: Immer mehr ältere Zahnärzte werden in den Ruhestand gehen, junge Kollegen müssen ihren Platz einnehmen und die Zahl der Zahnmediziner muss sogar zunehmen, weil immer mehr Menschen aufgrund der präventiven Erfolge der Medizin immer länger ihre eigenen Zähne behalten. Diese gesund zu erhalten oder zu restaurieren, erfordert mehr Zahnärzte in der Region Berlin-Brandenburg. Und wer meint, die Erfolge in der zahnmedizinischen Prophylaxe könnten viele Zahnärzte überflüssig machen, der irrt: Diese Art der Prophylaxe ist zeitintensive und harte Arbeit am Patienten, die beständig mehrfach im Jahr durchgeführt werden muss – hierfür ist viel gut ausgebildetes Personal notwendig! In Berlin gibt es insgesamt 160 Studienplätze für Zahnmedizin, jeweils zur Hälfte aufgeteilt zwischen der Charité und dem UKBF. So haben wir hier an der Zahnklinik des UKBF etwa 500 Studenten aus dem In- und Ausland, es gibt einen ständigen internationalen Studentenaustausch, und die Bewerber für die Fachzahnarztausbildung können aufgrund der hohen Nachfrage nicht alle aufgenommen werden.

Aufgabe einer Universitätszahnklinik ist es weiterhin, die üblichen Behandlungsmethoden wissenschaftlich auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und neue Behandlungsansätze zu entwickeln. Hierzu dient die klinische Forschung in den Abteilungen Kieferorthopädie, Kinderzahnheilkunde, restaurative Zahnmedizin mit den Bereichen präventive Zahnmedizin, Zahnerhaltung, Parodontologie und Prothetik und die Abteilung für Oralchirurgie und zahnärztliche Röntgenologie. Außerdem gibt es an der Zahnklinik der Freien Universität eine Abteilung für Grundlagenforschung, die einzige dieser Art und Größe in ganz Deutschland, ausgestattet mit eigenen histologischen und neuesten elektronenmikroskopischen Laboratorien, sowie Zellkultur- und Materialforschung. Diese Grundlagenforschung ist weltweit anerkannt.

Eng verzahnt in Diagnostik und Therapie

In Zusammenarbeit mit der dentalen Industrie werden kontinuierlich neue Materialien entwickelt, erprobt und den Patienten zur Verfügung gestellt, die eine Versorgung auf höchstem Niveau erwarten. Allen Abteilungen dieser Zahnklinik stehen Direktoren vor, von denen kein einziger aus Berlin stammt, sondern erst in den letzten Jahren aus ganz Deutschland neu berufen worden sind. Wir arbeiten im wahrsten Sinne des Wortes eng verzahnt in Diagnostik und Therapie mit den Kollegen im gesamten Fachbereich Humanmedizin zusammen, denn kaum ein Krankheitsbild ist allein auf die Zähne zu reduzieren: Zähne, Haut und Speicheldrüsen entstammen embryonal demselben Keimblatt, und es gibt eine Vielzahl von Krankheiten, die diesen Zusammenhang als Ursache haben. Auch mit den Kollegen an der Charité gibt es gemeinsame Forschungsprojekte, eine Abstimmung in der Lehre und gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen für die Zahnärzte von Berlin und Brandenburg.

Die Zahnklinik der FU arbeitet außerdem eng mit großen Betrieben der Region und zahntechnischen Laboratorien zusammen. Darüber hinaus bestehen intensive Kooperationsbeziehungen mit medizinischen Fortbildungseinrichtungen und der Landesarbeitsgemeinschaft zur Verhütung von Zahnerkrankungen (LAG), die die schulzahnärztliche Prophylaxe für ganz Berlin organisiert. Ist dem Berliner Senat das alles nicht bekannt?

Patienten, Studenten und Personal der Zahnklinik sind empört über die Absicht des Senats, die Universitätsmedizin an der FU aufzulösen und fühlen sich betrogen um die Aufbauleistung der letzten Jahre unter diesen erschwerten Bedingungen. Die Zahnmediziner werden so lange weiter gemeinsam protestieren, bis auch in der Hochschulpolitik wieder Vernunft Einzug halten wird.

Prof. Dr. Ralf J. Radlanski
Geschäftsführender Direktor der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

Prof. Dr. Martin Paul
Dekan des Fachbereichs Humanmedizin
der Freien Universität

Foto Prof. Dr. Paul: Schönfelder

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