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Zum Tode von Georg Kotowski
Entschieden und liberal


Wir kannten uns, die kleine Gruppe Studentinnen und Studenten, die 1946 das Historische Seminar Unter den Linden bevölkerten, Anfänger und einige wenige, die schon ein oder zwei Semester "fortgeschritten” waren. Zu denen gehörte Georg Kotowski, und wir anderen nahmen respektvoll zur Kenntnis, dass er zu dem noch kleineren Kreis von Auserwählten gehörte, die bei dem berühmten Friedrich Meinecke Seminare besuchen durften; der Emeritus, 84 Jahre alt, hielt sie privatissime bei sich zu Hause in Dahlem.

Jedes Gespräch mit dem Meinecke-Schüler Georg Kotowski, der 1966-88 den Lehrstuhl für geschichtliche Grundlagen der Politik am Otto-Suhr-Institut innehatte, bewies, dass Verstehen und Beurteilen einander keineswegs ausschließen: er liebte es, über Zeiten und Länder hinweg seine Sicht politischer Geschichte zu verschränken. Von Wertrelativismus, den man der Schule des Historismus, der von Meinecke erforschten und gepflegten Sichtweise, vorgeworfen hat, konnte auch bei Kotowski keine Rede sein.

In einem Taschenbuch, das 1965 in der Fischer-Bücherei erschien, hat Kotowski zusammen mit Werner Pöls und Gerhard A. Ritter "Das Wilhelminische Deutschland" beleuchtet. Es ist dies aber kein Buch über große (oder weniger große) Männer, die Geschichte machen. Es ist Sozialgeschichte in einem erst später theoretisch konturierten Sinn, wie schon Kapitelüberschriften belegen: Leben in Stadt und Land; Wirtschaft und Technik ... Und es ist ein Beleg dafür, dass "Teamwork" nicht erst 1968 erfunden wurde.

Von Georg Kotowski als Alleinverfasser liegt nur ein opus magnum vor: Friedrich Ebert. Eine politische Biographie. Band 1: Der Aufstieg eines deutschen Arbeiterführers 1871 bis 1917, Wiesbaden 1963. Warum hat der zeitweilige CDU-Parlamentarier Kotowski gerade den Sozialdemokraten Ebert als lebenslanges Forschungsthema gewählt (Band 2 ist unter dem Druck des Universitäts-Alltags späterer Jahre nie fertig geworden.)?

Im Vorwort nennt Kotowski Friedrich Ebert "... das Symbol für die Wandlung der deutschen Sozialdemokratie von einer staatsfeindlichen zur staatstragenden Partei. Als Demokrat und Sozialist ist er von den antidemokratischen Parteien und Gruppen der Rechten wie der Linken leidenschaftlich bekämpft worden ..." Hinter solchen Worten steht der Schulterschluss aller Demokraten, der in Berlin damals die Politik kennzeichnete; keine schlechte subjektive Basis für nach Objektivität strebende Geschichtsschreibung, meine ich.

Zeitgeschichte Berlins (z.B. als Mitherausgeber des Bandes Berlin als Hauptstadt im Nachkriegsdeutschland ... 1987) und speziell die junge Geschichte der Freien Universität Berlin waren weitere Schwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeit Kotowskis. Schon 1953 führte er mit einem Beitrag "Der Kampf um Berlins Universität" die Festschrift der FU und der damals noch eigenständigen Deutschen Hochschule für Politik (später Otto-Suhr-Institut) zur 200-Jahrfeier der Columbia Universität New York ein. In der Folgezeit kehrte er immer wieder zu diesem Thema zurück – u.a. 1988 in einem Jubiläumsband zur 40. Wiederkehr der FU-Gründung, und zuletzt in Vortragsform während der Erinnerungs-Vorlesung im Wintersemester 1998/99, deren Texte hoffentlich bald im Druck vorliegen werden. Es bedarf für keinen, der Kotowski kannte, besonderer Erwähnung, dass in diesen Aufsätzen sein eigener beachtlicher Beitrag zum Gelingen der FU-Gründung bescheiden im Hintergrund blieb: Er war es wohl in erster Linie, der Friedrich Meinecke 1948 davon überzeugte, symbolisch das Amt des ersten Rektors der FU zu übernehmen.

Wer ihm begegnete, spürte, einem entschiedenen und zugleich liberalen Gelehrten gegenüberzustehen, der seinen Standpunkt vertrat, ohne zum Dogmatiker zu werden. Berlin und die FU waren die Leidenschaft von Georg Kotowski.

Prof. em. Dr. Franz Ansprenger