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...nie war er so schön wie heute?

Nicht erst seit dem Herbst fliegen sie, die bunten Blätter: Von "Dienstleistung" ist da die Rede, "Karriereservice" und "wertvollen Informationen zum Berufseinstieg". Plötzlich schießen Hochglanzprospekte ins Kraut, auf dickem Papier und ganz umsonst. "Der deutsche Rechtsmarkt - nie war er so schön wie heute" titelt der Veranstalter einer "Karrieremesse". Das freut den Absolventen, er fühlt sich nachgefragt und bangt ein wenig weniger um seine berufliche Zukunft. Doch - gab es nicht bis ganz vor kurzem noch viel zu viele Juristen? Wo sind die denn alle geblieben, dass jetzt soviel Geld ausgegeben wird, um Berufseinsteiger anzuwerben? Was ist passiert?

Eigentlich nichts besonderes, möchte man dem imaginären Fragesteller zurufen: Wieder einmal hat sich ein anglo-amerikanischer Trend mit einiger Verspätung (dafür aber auch mit gehöriger Übertreibung) in Kontinentaleuropa durchgesetzt: Mit zunehmenden Investments über Grenzen hinweg sind zwei Effekte eingetreten: Zum einen entsteht für überregionale Investoren immenser, aber lokal zu befriedigender Beratungsbedarf, weil die Rechtsordnungen nun mal nach wie vor durch die Nationalstaaten geprägt sind. Zum anderen will aber der Kunde - davon sind die "key players" überzeugt - unbedingt nur einen Ansprechpartner weltweit haben, um seine Probleme gelöst zu bekommen. Dass die herkömmliche Anwaltsstruktur diesen Anforderungen nicht gerecht werden konnte, bedarf keiner weiteren Darlegung: Die überwiegend lokal tätigen Kanzleien, allenfalls locker verbunden, mit überwiegendem Arbeitsschwerpunkt in der forensischen Tätigkeit (so das Schimpfwort für die unprofitable Vertretung von Mandanteninteressen vor Gericht) waren auf diese Entwicklung nicht vorbereitet. Und so wurden viele renommierte Anwaltskanzleien in Deutschland unruhig und fusionierten - unter Aufgabe von Namenshoheit und Firmenkultur - mit amerikanischen oder britischen Law Firms. Wobei sich die Bezeichnung "Fusion" in vielen Fällen nicht nur am Rande der Euphemie bewegen dürfte. Einige versuchen, gegen den Strom zu schwimmen und unter Bewahrung der eigenen Kultur aus Deutschland heraus zu wachsen, aber das geht langsam. Sie dürfen sich immerhin durch die zunehmende Zahl von Spin-Offs aus den fusionierten Kanzleien bestätigt fühlen, von Ausgründungen unzufriedener Partner, die mit dem anglo-amerikanischen Arbeitsstil nicht zurechtkommen.

Alle an diesem Spiel Beteiligten sind stramm auf Wachstumskurs. Wie wenig Zeit dabei für eine realistische Standortbestimmung bleibt, illustriert der folgende Satz, der jüngst auf der Präsentation einer großen Anwaltskanzlei fiel: "Wir machen - alles." Womit wohlgemerkt nicht etwa alle Gebiete gemeint sind, auf denen ein Anwalt tätig sein könnte. Nein, es sind alle Ge- biete gemeint, auf denen im Wirtschaftsrecht Geld verdient werden kann, also - aus der Ausbildungsperspektive - gerade mal ansatzweise das Gebiet eines Wahlfachs. Verdienen die anderen Rechtsgebiete überhaupt Beachtung? "Wenn eine Sache forensisch wird, geben wir sie ganz schnell ab", meint ein Vertreter einer Großkanzlei mit unverhohlenem Ekel.

"Wir wollen die Besten", schallt es dazu aus allen Ecken. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: "Die Besten" wollen sie alle, den Rest will keiner. Damit aber ja niemand, den man gebrauchen könnte, an seinem Glück vorbeigeht, wird in die Breite geworben was das Zeug hält. Die Folge sind massenhafte Bewerbungen, getippt mit leuchtenden Augen und der Hoffnung auf das große Geld, Ruhm und einen Platz ganz oben. Wie bewältigt man diesen Berg von Bewerbungen? Klar, mit einem Raster an Anforderungen. Am besten mit einem, durch das so viele durchfallen, dass man sich für den Rest noch ein Assessment-Center leisten kann. Da können schon 13 Semester bis zum Examen - trotz Auslandsaufenthalt - das K.O. bedeuten.

Wer aber kommt durch? Wem die diffuse Mischung aus Neigung, Hintergrund, Zufall und Fleiß das Glück beschert hat, zu eben "den Besten" zu gehören. Aber nicht nur das: Allerorten tönt es, "soziale Kompetenz", "Kreativität", ja "Persönlichkeit" seien gefragt. Aha, wer den stromlinienförmigsten Lebenslauf hat, zeigt dadurch seine herausragende Persönlichkeit - fällt dieser Widerspruch denn niemandem auf? Statt dessen ist ein LL.M. plötzlich unheimlich wichtig, obwohl es kein einheitliches Lehrprogramm gibt und sich längst herumgesprochen hat, dass man ihn auch mit einem Jahr feiern in Kapstadt "erschlagen" kann. Um die Sachkompetenz kann es also nicht gehen. Es gilt vielmehr, den Kanzlei-Briefkopf (und am besten auch dessen Rückseite) mit zahllosen Titeln zu pflastern. So beeindruckt man den Mandanten. "Alles andere bringen wir Ihnen bei!", strahlt der Partner ins Publikum der Karrieremesse. Jedenfalls den Absolventen, die eine Chance haben, die Kanzleiräume von innen zu sehen - etwa ein Prozent. Dem Rest bleibt wohl nichts als der schale Nachgeschmack mit Kalkül enttäuschter Erwartungen. Kein Sturm im Wasserglas also. Eher ein Orkan. Bei dem bis sechs Meter Wassertiefe die Post abgeht - und sich auf den restlichen 4000 bis zum Meeresgrund rein gar nichts tut. "Der deutsche Rechtsmarkt - nie war er so schön wie heute". Finden jedenfalls die treusorgenden "Personaldienstleister". Das sind die, die mit dem Ende des Booms genauso schnell verschwinden werden, wie sie dereinst gekommen sind.

Karl Anton Didat

(erschienen im DEFO-Info Nr. 43 vom SS 2001)



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