Mit Begriffen (und Wort-Ungetümen) wie
Informationsgesellschaft, Datenautobahn und
Multimedia ist nur grob umrissen, welcher Umbruch sich
gegenwärtig, weitgehend technisch induziert, zwischen Massen- und
Individualkommunikation vollzieht. Elektronische Massenmedien wie
Hörfunk und Fernsehen rücken näher an individuell genutzte
Kommunikationsmittel wie Computer und Telefon heran. Die Digitalisierung
ermöglicht es im Prinzip, alle elektronischen Kommunikationsmittel
zusammenzuführen. Damit gerät die Medienpolitik klassischen
Zuschnitts nicht nur unter neuen Rechtfertigungszwang, zum Teil kommt ihr
auch die Eingrenzbarkeit ihres Gegenstandes abhanden.
Dabei leidet die aktuelle Debatte an einem doppelten Defizit: Zum einen werden die ,,neuen`` technischen Möglichkeiten und Realitäten meist nur sehr vage bestimmt, wird kaum zwischen Technik und Anwendung unterschieden. Zum anderen wird so getan, als fielen mit der neuen Technik auch die neuen Medien gleichsam vom Himmel. Die Herausbildung eines Mediums ist jedoch nicht nur technisch, sondern auch ökonomisch und sozial ein höchst komplexer Prozeß - der gleichwohl, wie hier behauptet und gezeigt werden soll, politischen Entscheidungen nicht verschlossen bleibt. (Auch wenn, wie sich zeigen wird, an der postpolitischen Tradition, die Entscheidungen in kleinen Zirkeln aus Politik und Wirtschaft hinter verschlossenen Türen zu fällen, festgehalten wird.)
Die vorliegende Arbeit skizziert zunächst kurz die bisherigen
Regulierungsformen der (bislang getrennt behandelten) Bereiche
Telekommunikation und Rundfunk, um
dann im zweiten Schritt darzustellen, welche (gesellschaftliche als solche
wahrgenommenen) Probleme damit gelöst werden und wie diese
Lösungen implementiert sind. In beiden Politikfeldern wird zum
Beispiel das Problem der Grundversorgung (mit Telekommunikationsdiensten
sowie mit Medien-Unterhaltung und -Information) auf je eigene Art
bearbeitet.
Daran anschließend soll analysiert werden, wie die technische Entwicklung die bisherigen Regulierungsformen in ihren Voraussetzungen, ihren Anknüpfungspunkten und in ihrer Wirkungsweise verändert, unterläuft, wirkungslos macht. Nach einem eher darstellenden Teil (3.1) sollen dann die veränderten Problemlagen analysiert werden, die neuen Knappheiten und die alten Machtfragen der Kommunikationsordnung, die sich von neuem stellen.
Während die technische Integration der verschiedenen Netze (Telefon, Daten, Fernsehen) voranschreitet, hält das politische System an der getrennten Bearbeitung fest. Dies hat nicht zuletzt in zwischen Bund und Ländern verteilten Kompetenzen seinen Grund. So haben sich Koalition und Opposition in Bonn auf Eckpunkte eines neuen Telekommunikationsgesetzes geeinigt, während die Länder sich gerade über die wesentlichen Fragen einer Neufassung des Rundfunkstaatsvertrages verständigt haben. Vor diesem Hintergrund ist die Debatte über den Rundfunkbegriff eher als Kontroverse über die Verteilung von Regelungskompetenzen als über die Regelungsdichte zu verstehen.
Die Arbeit beschränkt sich im Prinzip auf die Bundesrepublik Deutschland. Die als Rahmenbedingung vorausgesetzte technische Entwicklung hält sich jedoch nicht an nationale Grenzen. Und auch die Europäische Union setzt Rahmenbedingungen für die De- und Re-Regulierung von Medien und Telekommunikation. Verschiedene hierzulande diskutierte Regulierungsformen sind in anderen Ländern bereits implementiert. Aus diesem Grund wird, wenn auch nur kursorisch, auf Parallelen und Unterschiede zu internationalen Regulierungsprozessen und zur Anfang 1996 abgeschlossenen Neuregulierung der Telekommunikation in den USA verwiesen.
Der technische Focus liegt dabei auf der Digitalisierung, die
Analyse schränkt ihren Blick immer wieder auf deren Folgen ein. Damit
bleiben die dispersen politischen und ökonomischen Kräfte, die
den derzeitigen Differenzierungsschub des Telekommunikations- und des
Mediensystems vorantreiben, zwar nicht außen vor; es kann aber
keine vollständige Analyse dieses heterogenen und mehrfach
gebrochenen Politikfeldes geboten werden. Allein die Existenz von
fünfzehn Landesmedienanstalten zwingt bereits zur Auswahl. Ebenso
wird der bevorstehende Markteintritt neuer Telekommunikationsunternehmen
in Deutschland zwar nicht ignoriert, aber nicht in der Breite diskutiert,
die angesichts der Größenordnung des Regulierungsproblems
durchaus gerechtfertigt wäre. (Immerhin handelt es sich zum Teil um
die großen Energieversorgungsunternehmen und damit um Konzerne, die
aus einem wettbewerbsfernen Umfeld kommen.) Damit ist schon
angedeutet, daß ich auch auf eine detaillierte Rekonstruktion der
inzwischen dreistufigen Postreform verzichtet habe; gleichwohl wird
die dritte Stufe, die bis zur diesjährigen parlamentarischen
Sommerpause abgeschlossen sein soll, unter Aspekten der Medienregulierung
analysiert (5.1). Ich habe versucht, die aktuelle, sehr
dynamische Entwicklung parallel zum Schreiben dieser Arbeit zu verfolgen.
Deshalb sind manche Aussagen, ob von mir oder aus zitierten Quellen,
naturgemäß mit Vorsicht zu genießen. Schon in einem Jahr
wird sich manches anders lesen.
Theoretisch knüpft die Arbeit einerseits an systemtheoretische Überlegungen und Begrifflichkeiten an, andererseits nimmt sie einen kleinen Ausschnitt der politikwissenschaftlichen Debatte um Regulierung wahr. Ansätze, die beide Diskussionsstränge miteinander verbinden würden, sind mir bislang nicht begegnet; mit Ausnahme des lesenswerten Buches von Frank Marcinkowski (1993), das eine systemtheoretische Analyse der Massenmedien (Publizistik als autopoietisches System) bietet, ohne die Regulierungsdiskussion zu ignorieren (siehe dazu vor allem Kapitel 4.1). Wenn also der Eindruck entsteht, daß die theoretische Fassung der Analyse ein wenig unsystematisch zwischen beiden Polen oszilliert, dann muß ich dem wohl recht geben.