Marcinkowskis Antwort auf die Titelfrage dieses Abschnitts ist unvermeidlich paradox. Da er die Grenzen des Mediensystems über Kommunikationsthemen und -inhalte definiert, kann er das Steuerungsziel der Rundfunkpolitik unter systemtheoretischen Prämissen immer nur im Zugriff auf das Programm sehen: ,,Von Systemsteuerung kann man offensichtlich nur dann sprechen, wenn [...] durch externe Eingriffe die thematisch-inhaltliche Struktur des Kommunikationssystems Rundfunk zielgerichtet verändert wird.`` Solche Eingriffe trachten danach, die systemkonstituierende Differenz zu minimieren, greifen also in die Basisoperationen des Systems ein. ,,Das kann ganz traditionell als Zweckorientierung aufgefaßt werden. Der Zweck wird dann gedacht als Differenz zu dem Zustand, der eintreten würde, wenn man nichts täte, und das Erreichen des Zwecks verringert eben diese Differenz - im Idealfall bis auf Null.``
Die Folgerungen für die Möglichkeiten politischer Steuerung hängen dann davon ab, welche Differenz als Leitdifferenz des publizistischen Systems (oder des Systems der Massenmedien) angesehen wird. Faßt man (wie Marcinkowski) die Unterscheidung öffentlich/nicht-öffentlich als Code des Systems auf, dann muß politische Steuerung (im systemtheoretischen Sinne) darauf zielen, entweder (noch) nicht Veröffentlichtes zu veröffentlichen oder zur Veröffentlichung Anstehendes geheimzuhalten. Sieht man (wie Luhmann) die Differenz von Information und Nichtinformation als systemkonstitutiv an, dann liegt die Vermutung nahe, daß Steuerung darauf abzielt, die eigentümliche Dynamik des Mediensystems zu verringern, mit der es dauernd Information in Nichtinformation transformiert: Mit bereits Veröffentlichtem kann das System nichts mehr anfangen.
Das Strukturproblem rundfunkpolitischer Steuerung als Differenzminimierung - und damit die Hauptursache ihres weithin diagnostizierten Versagens - besteht also demnach darin, daß sie elementar in die Bestandsvoraussetzungen des zu steuernden Systems eingreifen muß. Erfolgversprechender erscheint aus dieser Perspektive eine Optionenpolitik, die dem intervenierten System innerhalb seiner Operationen Optionen anbietet, die seine Autonomie respektieren, die also in der systemeigenen Sprache Veränderungen der Umweltbedingungen signalisieren, die zur Sicherung des systemeigenen Operierens beachtet werden müssen. In der journalistischen Praxis geschieht dies zum Beispiel in Form der allgegenwärtigen Öffentlichkeitsarbeit, die instruktive Inter-System-Kommunikation zwischen Massenmedien und anderen Systemen der Gesellschaft ermöglicht.
Versteht man Massenmedien und Politik als autonome Systeme im Sinne der Systemtheorie Luhmanns, dann sind sie im besten Falle zu wechselseitiger Resonanz fähig, in keinem Fall aber gegenseitig beherrschbar. Vor diesem Hintergrund (der hier wiederum nur angedeutet werden konnte) skizziert Marcinkowski die verbleibenden Optionen für eine politische Steuerung der (elektronischen) Medien: Von Steuerung in traditionellem Sinne kann dabei nicht mehr die Rede sein; Marcinkowski bestreitet dem autoritativ kontrollierenden Zugriff auch seine Berechtigung. Der Staat hat in diesem Sinne kein Definitionsmonopol mehr über eine Hierarchie gesellschaftlicher Zwecke, er ist vielmehr selbst ein gesellschaftliches Teilsystem mit systemspezifischer Rationalität. Steuerung müßte sich auf diese Konfiguration insofern einlassen, als daß sie sich reflexiv zu Zwecken, Zielen und Werten des zu steuernden Systems verhält. Die Relevanz von Medieninhalten läßt sich nicht mehr auf gewohnte Weise mit den Relevanzkriterien von anderen gesellschaftlichen Systemen (in Form von ,,gesellschaftlich relevanten Gruppen``) synchronisieren.
Umgekehrt muß sich auch das Rundfunksystem selbst beschränken und kontrollieren, will es Störungen in Systemen seiner Umwelt vermeiden, die dann wieder zu Interventionen herausfordern würden: ,,Und das kann bei reflektierter Interpretation seiner reflexiven Interessen nicht intendiert sein.`` Reflexion zielt also auf Selbstbeschränkung, aus ,,wohlverstandenem [systemischen] Eigeninteresse`` heraus. Marcinkowski hält die Frage, wie Reflexion aufgebaut werden kann, für eine empirisch durch ,,eine Art Folgenforschung`` zu klärende. Wie in einer solchen ,,heterarchischen`` Netzwerkstruktur einer funktional differenzierten Gesellschaft noch politische Steuerung - und sei es auch ,,weiche`` Steuerung - möglich sein könnte, skizziert Marcinkowski in zwei Varianten.