Er ist jung und auf dem besten Wege, eines Tages Nobelpreisträger zu werden. Der 31-jährige deutsche Physiker Dr. Jan Hendrik Schön ist mit dem Otto-Klung-Weberbank-Preis für Physik ausgezeichnet worden. Auf Vorschlag der Auswahlkommission am Fachbereich Physik der Freien Universität erhielt Schön, der seit drei Jahren in Amerika forscht, den mit 50.000 DM dotierten Preis für seine richtungweisenden Arbeiten über organische Halbleiter und zur Supraleitung.
Seit 1973 verleiht die Otto-Klung-Stiftung jährlich abwechselnd für Physik und Chemie den Otto-Klung-Preis; im Jahr 2001 das erste Mal in Zusammenarbeit mit der Weberbank. In Wissenschaftskreisen gehört dieser Preis inzwischen zu den begehrtesten für junge deutsche Nachwuchswissenschaftler. Schaut man sich die Liste der bisher Prämierten an, weiß man, warum: Vier der Otto-Klung-Preisträger wurden im späteren Verlauf ihrer Karrieren mit dem wichtigsten aller Wissenschaftspreise gekrönt dem Nobelpreis. Nobelpreisverdächtig also ist jeder, der mit dem Otto-Klung-Weberbank-Preis ausgezeichnet wird. So ist es nicht verwunderlich, dass einer, der selber beide Preise gewonnen hat, die Laudatio auf Hendrik Schön anlässlich der Preisverleihung am 6. Dezember 2001 hielt. Welcome to the club, empfing der deutsche Physik-Nobelpreisträger 1998 und Otto-Klung-Preisträger 1985, Prof. Dr. Horst Störmer von der Columbia University/ New York, den jungen Preisträger. Drei Dinge in drei Jahren habe Dr. Jan Hendrik Schön erforscht, und allesamt seien sie sensationelle Forschungsergebnisse für die Fachwelt, lobte ihn Störmer enthusiastisch. Da die Altersgrenze für den Otto-Klung-Weberbank-Preis bei 40 Jahren liegt, bleiben Hendrik ganze neun Jahre, um den Preis mindestens noch ein zweites Mal gewinnen zu können.
Plastik unter Strom
Die bahnbrechenden Leistungen, die Störmer begeistert feiert, sind Schöns Forschungen an organischen Materialien, also Kunststoffen, die sich auch für die Produktion von Massenartikeln anwenden lassen. Er hat Eigenschaften bei Plastik gefunden, die wir nie für möglich gehalten hätten, so Störmer. Dem jungen Physiker ist es gelungen, ein ausgeklügeltes Verfahren zur Herstellung und Reinigung von einzelnen Kristallen aus organischen Materialien zu entwickeln. Mit diesen Kristallen, die in der Lage sind Strom zu leiten, baute er Transistoren und einfache elektronische Schaltkreise, die ein großes Potenzial im Bereich der Billig- und Einwegelektronik besitzen. Die Fähigkeit organischer Substanzen, sich mit biegsamen Kunststoffen gut zu verbinden, ebnet den Weg in Richtung Plastikelektronik. Organische Materialien für Anwendungen in Elektronik und Optoelektronik sind deshalb so interessant, weil sie im Unterschied zu den heute hauptsächlich eingesetzten anorganischen Halbleitern wie Silizium und Germanium erheblich einfachere und billigere Herstellungsverfahren ermöglichen. Deshalb sind sie besonders geeignet für Massenproduktionen. Auch wenn Kunststoffe nie so gute Halbleiter sein werden wie etwa Silizium, erklärt Schön, sind sie trotzdem für großflächige Anwendungen interessant, zum Beispiel für die Bildschirme zusammenklappbarer Laptops. Interessant sind Schöns Entdeckungen auch für die Herstellung elektronischer Warenetiketten mit neuartigen Plastikchips. Mit ihnen wäre der Gang durch die Supermarktkasse weil die Etiketten automatisch abgelesen werden würden nur noch eine Angelegenheit von Sekunden, und Hinweisschilder an den Kassen mit der Aufschrift Bitte alle Waren auf das Band legen gehörten bald schon der Vergangenheit an.
Jan Hendrik Schön studierte Physik an der Universität Konstanz. Er erwarb 1993 sein Diplom und promovierte 1997. Kurzzeitig war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Konstanz tätig, bis er 1998 als &Mac226;Postdoc zu den angesehenen Bell Laboratories in Murray Hill/New Jersey ging. Begonnen hat Schön seine Forschungsarbeiten bei den Bell Labs, wie sie in Kennerkreisen genannt werden, in der Arbeitsgruppe von Bertram Batlogg, der inzwischen Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ist. Zusammen mit ihm und dem erfahrenen Materialforscher Christian Kloc gelangen Schön nach kurzer Zeit die ersten Aufsehen erregenden Experimente zu organischen Halbleitern. Schon im Jahre 1999 erhielt Schön zusammen mit Batlogg und Kloc den &Mac226;Industrial Award anlässlich der &Mac226;International Conference on Synthetic Metals.
Im Team zum Erfolg
Neben den wesentlichen Fortschritten in der festkörperphysikalischen Anwendung organischer Materialien realisierten die drei Wissenschaftler den organischen Feldeffekt-Transistor, mit dem Materialien mit elektrischen Ladungen &Mac226;dotiert werden können. Auf diese Weise kann die elektrische Leitfähigkeit des Materials über einen größtmöglichen Bereich variiert werden: von isolierend über metallisch bis hin zu supraleitend. Um diese phantastischen Veränderungen der elektrischen Eigenschaften zu erreichen, ist es lediglich erforderlich, eine Spannung am Feldeffekt-Transistor zu ändern, d.h. die elektrischen Eigenschaften können sozusagen im Handumdrehen verändert werden. Neben der Realisierung des ersten Polymer-Supraleiters konnten die drei Physiker auch in Substraten aus Fullerenen (das sind Kristalle aus fußballförmigen Kohlenstoffmolekülen) supraleitende Sprungtemperaturen bis zu 117 Grad Kelvin erreichen, also von bis zu minus 156 Grad Celsius einer Temperatur, die durch Kühlung mit flüssigem Stickstoff leicht und kostengünstig erreichbar ist. Wenn durch diese Methode Supraleitung induziert wird, sind die supraleitenden Eigenschaften eines Materials auf einfache Weise lateral zu kontrollieren, was es erlaubt, die sogenannte Josephson-Kopplung zwischen zwei Supraleitern voll durchzustimmen. Auch dies gelang den Physikern, wodurch möglicherweise eine Basis zum Bau von supraleitenden Quantencomputern gelegt wurde. Wesentliche Fortschritte erreichten Schön und seine Kollegen auch auf dem Gebiet der Wechselwir-kung von Licht mit organischen Materialien. Sie schafften es, den ersten elektrisch betriebenen organischen Laser zu demonstrieren und ein völlig neuartiges Bauelement zu entwickeln: den Licht-emittierenden Transistor, der die Eigenschaften eines Lasers mit denen eines Transistors vereinigt und damit neuartige Möglichkeiten in der Optoelektronik eröffnet.
Der Otto-Klung-Weberbank-Preis wird durch die Otto-Klung-Stiftung an der Freien Universität in Verbindung mit der Fördergesellschaft der Weberbank gGmbH verliehen. Die in diesem Jahr begonnene Zusammenarbeit mit der Fördergesellschaft der Weberbank ist für die Otto-Klung-Stiftung eine gute Chance, dem gemeinsam verliehenen Preis noch mehr Gewicht und Geltung zu verschaffen, erläutert Kurt Hammer, Vorstandsmitglied der Otto-Klung-Stiftung, die neue Kooperation. Gegründet wurde die Otto-Klung-Stiftung 1973 als Vermächtnis des Berliner Kaufmanns Otto Klung (1893 1968). Klung brachte es vor allem nach dem zweiten Weltkrieg zu finanziellem Erfolg. Der gelernte Maschinenbauer und graduierte Ingenieur bedauerte es zeitlebens, dass er keine Gelegenheit hatte, ein weiterführendes naturwissenschaftliches Studium zu absolvieren, das es ihm ermöglicht hätte, den Fortschritt in Wissenschaft und Gesellschaft aktiv mit zu gestalten. Durch sein Vermächtnis und die nach ihm benannte Stiftung gelang es ihm aber, einen bleibenden Beitrag zur Förderung herausragender junger Wissenschaftler in Deutschland zu leisten.
Ilka Seer
Jan Hendrik Schön, 2001 (Physik)
Matthias Driess, 2000 (Chemie)
Roland Ketzmerick, 1999 (Physik)
Michael Famulok, 1998 (Chemie)
Stephan Schiller, 1997 (Physik)
Carsten Bolm, 1996 (Chemie)
Thomas Elsässer, 1995 (Physik)
Wolfgang Schnick, 1994 (Chemie)
Karl Dieter Weiss, 1993 (Physik)
Stefan Jentsch, 1992 (Chemie)
Herrmann Nicolai, 1991 (Physik)
Klaus Rademann, 1990 (Chemie)
Gisela Schütz, 1989 (Physik)
Gerhard Brinkmann, 1988 (Chemie)
John Georg Bednorz**, 1987 (Physik)
Hartmut Michel**, 1986 (Chemie)
Horst Ludwig Störmer**, 1985 (Physik)
Martin Quack, 1984 (Chemie)
Gerd K. Binnig**, 1983 (Physik)
Wolfgang A. Herrmann, 1982 (Chemie)
Gerhard Mack, 1981 (Physik)
Helmut Schwarz, 1980 (Chemie)
Theodor W. Hänsch, 1979 (Physik)
Von 1973 bis 1978 wurde der Otto-Klung-Preis für hervorragende wissenschaftliche Leistungen von Doktoranden und Habilitanden an der Freien Universität Berlin, Fachbereiche Chemie und Physik, verliehen:
Andreas Gaupp, 1978 (Physik)
Wolfgang Lubitz, 1977 (Chemie)
Günther Kerker, 1976 (Physik)
Michael Grunze, 1975 (Chemie)
Wolf-Dietrich Hunnius und
Rolf Minkwitz, 1974 (Chemie)
Klaus-Peter Dinse, 1973 (Physik)
* Der Otto-Klung-Preis ist anlässlich der seit dem Jahr 2001 bestehenden Zusammenarbeit mit der Weberbank in Otto-Klung-Weberbank-Preis umbenannt worden.
** Wurde später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
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