Die Berliner Koalitionsparteien SPD und PDS haben am 20. Dezember 2001 weit reichende Sparmaßnahmen in der Hochschulmedizin beschlossen, die einseitig zu Lasten der Freien Universität gehen. So soll das Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF) nach dem Auslaufen des bis Ende des Jahres 2005 geltenden Hochschulvertrags in ein privates Versorgungskrankenhaus umgewandelt und der Fachbereich Humanmedizin aufgelöst werden. FU-Präsident Peter Gaehtgens kommentiert den Koalitionsbeschluss.
Das Universitätsklinikum Benjamin Franklin ist ins Visier der Berliner Politik geraten.
Die Entscheidung der SPD/PDS-Koalition, die FU-Medizin zum Jahr 2006 gänzlich zu schließen, zerstört das Vertrauen in Berliner Politik und ruiniert die Attraktivität Berlins für die in den kommenden Jahren dringend benötigten besten Köpfe. Erst 1995 wurde das Universitätsmedizingesetz im Interesse einer langfristigen Bestands- und Standortsicherung der Berliner Universitätsklinika (§ 1, Abs.1) verabschiedet unter Beteiligung der SPD, mit denselben Personen, die jetzt wieder entschieden haben. Glaubwürdigkeit der Politik ist die wichtigste Voraussetzung für die Zukunft der Wissenschaft in dieser Stadt und mit der Glaubwürdigkeit ist es vorbei. Im Wahlkampf wurde wochenlang verkündet, Bildung und Wissenschaft seien die Zukunftsbranchen und würden daher Priorität genießen die jetzige Koalitionsvereinbarung zeigt, wie SPD und PDS das meinen.
Der Vertrauensverlust in die Berliner Politik hat einen weiteren Grund: Noch im Juli 2001 hatten Senat und Abgeordnetenhaus die Hochschulverträge beschlossen, die auch die Hochschulmedizin umfassen. Die jetzige Koalitionsabsprache bricht mit der bisher bundesweit beispielhaften Wissenschafts- und Hochschulpolitik Berlins. Keine der Berliner Hochschulen darf mehr darauf rechnen, dass ihre Verträge von dieser Koalition respektiert werden. Die Freie Universität wird daher eine Klage gegen den Schließungsbeschluss prüfen.
Zerstört wird auch die Erwartung, dass Leistung sich lohne. Die FU-Medizin hat seit der Bildung des Fachbereichs Humanmedizin im Jahre 1995 eine Leistungssteigerung aufzuweisen, die ihresgleichen sucht.
Zwei DFG-Sonderforschungsbereiche, ein Graduiertenkolleg, drei Forschergruppen, kontinuierliche Drittmittelsteigerung auf heute 50 Mio. DM jährlich sind Ausweis der deutlich gewachsenen Forschungsaktivität. Anhaltend überdurchschnittliche Ergebnisse in den bundesweit einheitlichen Prüfungen der Medizinstudenten, ein innovatives Ausbildungsprogramm im Benjamin-Franklin-Kolleg, ein zunehmend positives Klima zwischen Dozenten und Studierenden diese Entwicklungen haben den früheren Trend zum Wechsel von Studierenden in die Charité umgekehrt.
Die erfolgreichen Neuberufungen der letzten Jahre belegen die deutlich gestiegene Anerkennung des Leistungsniveaus im UKBF, die auch durch eine Stellungnahme attestiert wird, die der Wissenschaftsrat am 30.11.2001 auf Nachfrage der Berliner SPD abgegeben hat: Bezogen auf die Forschungsleistungen pro Wissenschaftler der nur halb so großen Medizinischen Fakultät der Freien Universität steht das Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Charité nicht nach.
Seifenblasen
Es ist unerfindlich, was die Koalition getrieben haben mag, diese Erfolgsstory durch Schließung zu bestrafen. Die Leistungsbilanz kann es nicht sein und erhoffte Einsparungen werden sich als Seifenblasen erweisen. Eine davon beruht auf der falschen Annahme, dass 80 Prozent der Medizinprofessoren in den nächsten Jahren in Pension gehen werden. Tatsächlich scheiden von ihnen aber nur etwa 35 Prozent bis Ende 2005 aus, die bleibenden 65 Prozent sowie die Pensionen der Ruheständler müssen weiter bezahlt werden.
Die Jahr für Jahr gestiegenen Drittmitteleinwerbungen finanzieren Hunderte von hochqualifizierten Arbeitskräften mit Geld, das nicht aus Berlin kommt diese Arbeitsplätze werden schnell verschwunden sein. Das DIW hat erst jüngst nachgewiesen: Eine für die Hochschulen ausgegebene Berliner DM zieht zwischen 3 und 9 DM nach Berlin. Statt einer Stärkung der Berliner Wirtschaftskraft durch die Wissenschaft riskiert Rot-Rot weitere Haushaltsbelastungen: Für frühere Bauinvestitionen in
den Steglitzer Klinikumsbau hat Berlin vom Bund Zuschüsse erhalten, die nun zurückgezahlt werden müssen: über 150 Mio. DM. Auch für das weiter bestehende Regionalkrankenhaus in Steglitz sind Investitionen in Höhe von 250 Mio. DM erforderlich, an denen sich der Bund aber nicht wie in einem Universitätsklinikum zu 50 Prozent beteiligen wird. Rückzahlung und Verlust des Bundeszuschusses bedeuten eine zusätzliche Investitionsbelastung Berlins von 275 Mio. DM. Die erhoffte Einsparung des konsumtiven Zuschusses wird allenfalls nach sehr vielen Jahren eintreten, wenn der Rechtsanspruch der noch vorhandenen Medizinstudierenden auf Beendigung des Studiums erfüllt ist wahrscheinlich aber werden durch die Gerichte noch ziemlich lange neue Studienanfänger zugelassen, weil Kapazitäts- und Verfassungsrecht die Einstellung der harten NC-Fächer Human- und Zahnmedizin nicht erlauben. Wer also behauptet, die Berliner Haushaltsnöte zwängen zu einer Schließung des UKBF, hat sich verrechnet für Berlin wird dabei eine weitere Haushaltsbelastung herauskommen.
Durch Schließung des UKBF wird der Biowissenschaftsstandort Berlin geschwächt. Der Wissenschaftsrat schreibt am 30.11.2001 an die Berliner SPD: Auch für die außeruniversitären biomedizinischen Einrichtungen sind leistungsfähige hochschulmedizinische Strukturen zwingende Voraussetzungen. Und er mahnt: Während andere Bundesländer die Hochschulmedizin als vorrangig förderungswürdig betrachten, zeichnen sich in Berlin nach bereits vollzogenen einschneidenden Reduktionen weitere Verringerungen der Ressourcen für Forschung, Lehre und hochschulmedizinische Krankenversorgung ab.
Die Antwort von Rot-Rot auf diese eindringliche Warnung ist die Schließung des UKBF damit meldet sich Berlin ausgerechnet aus dem Wissenschaftsbereich ab, der die größten Chancen auf eine Stärkung der Wirtschaftskraft der Stadt bietet.
Während der Koalitionsverhandlungen von SPD und PDS informierten FU-Präsident Gaehtgens (im Bild am Pult) und der Vorstand des Universitätsklinikums Benjamin Franklin die Mitglieder des FB Humanmedizin in mehreren Versammlungen über den Stand der Verhandlungen.
Katastrophales Signal
Die Schließung der FU-Medizin hat Konsequenzen für die Berliner Wissenschaftslandschaft. Sowohl in der Ausbildung der Studierenden als auch in der Forschung bestehen enge Kooperationen mit den verschiedenen universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen für Medizin und Naturwissenschaften. Ein Ende der FU-Medizin würde auch diese Kooperationspartner deutlich schwächen. Man muss fragen, welches hochschul- und wissenschaftspolitische Konzept diese Koalition verfolgt. Hat sie überhaupt eins?
Die Schließung des UKBF ist eine strukturell und politisch falsche Entscheidung, denn Berlin hat sich zu einem Zentrum der Biowissenschaften und der Biotechnologie entwickelt. Der Verlust eines Universitätsklinikums wirft diese positive Entwicklung zurück. Die rote Koalition will 2006 eine Volksabstimmung und 2009 die Fusion Berlin/Brandenburg herbeiführen. Da keine der drei Universitäten in Brandenburg eine Universitätsmedizin hat, bleibt somit der gesamte Süden des Landes ohne Universitätsmedizin.
Eine Koalitionsvereinbarung ist nur eine Absichtserklärung. Aber schon diese unterhöhlt Leistungsbereitschaft und Zukunftshoffnungen aller Betroffenen. Die neue Berliner Koalition zeigt: Leistung lohnt sich nicht. Dieses Signal ist katastrophal, weil es den enorm gewachsenen Leistungswillen zahlreicher Mitarbeiter/ innen in den Wissenschaftsinstitutionen und die dringend erforderliche Attraktivität Berlins als Wissenschaftsstandort zerstört. Aufgabe der Politik ist aber zu gestalten, nicht zu zerstören. Darum wird die Freie Universität alles daransetzen, die Schließung der FU-Medizin zu verhindern. Frei nach Friedrich dem Großen: Der König hat eine Bataille verloren, jetzt gilt es, die Schlacht zu gewinnen.
Univ.-Prof. Dr. Peter Gaehtgens
Präsident der Freien Universität Berlin
Foto: UKBF
Foto: Dahl
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