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Das Photosystem II als Spielwiese für neuen Biophysiker:
Prof. Holger Dau
Pflanzen beleuchten, bestrahlen und belauschen

VON STEFFI BARBIRZ

Einen Gemüsegroßhändler in FU-Nähe – den muss Prof. Holger Dau noch suchen, denn der neue C3-Professor im Fachbereich Physik braucht Spinat. Das grüne Blattgemüse dient dem Biophysiker keineswegs als vitaminreicher Kraftspender, sondern als Forschungsobjekt. "Man könnte auch Kopfsalat benutzen", lacht Dau, aber dessen Blätter enthalten weniger Blattgrün. In Spinat dagegen finden die Wissenschaftler viel Chlorophyll. Genug, um einen der wichtigsten biologischen Prozesse auf der Erde zu untersuchen, die Photosynthese. Mit Röntgenstrahlung und Fluoreszenzmessungen versucht die Arbeitsgruppe von Holger Dau zum Verständnis des Mechanismus beizutragen, in dem Pflanzen, Algen und Bakterien Licht in Biomasse umwandeln. Besonders interessiert sie dabei das sogenannte Photosystem II, in dem während der Photosynthese Sauerstoff entsteht. So gut wie jedes Sauerstoffmolekül der Erdatmosphäre ist im Photosystem II gebildet worden. Bisher ist dieser wichtige Mechanismus aber zugleich laut Dau "eines der letzten großen Rätsel der Photosynthese".

Wie im Spinat der Sauerstoff entsteht: Das grüne Blatt und die Chloroplasten sind noch mit dem bloßen Auge bzw. mit dem Mikroskop erkennbar. Für einen tieferen Einblick in das Photosystem II dagegen machen Holger Dau und seine Mitarbeiter Röntgenabsorbtionsmessungen.

"Das Photosystem ist sehr komplex aufgebaut", erklärt Dau. Es lässt sich in mehrere Funktionsbereiche unterteilen: Zuerst wird in einem "Antennenbereich" Licht aufgenommen. Die Lichtenergie wird dann elektronisch zwischen den Molekülen des Photosystems weitergegeben und ermöglicht schließlich Umwandlung von Wasser in Sauerstoff. Dabei sind mehr als zwanzig verschiedene Proteine, zahlreiche Cofaktoren und bis zu 250 Chlorophylle beteiligt. In der Tat sind Physiker gefragt, zur Aufklärung des biologischen Phänomens Photosynthese beizutragen, denn schließlich geht es um die Aufnahme von Lichtquanten und die Verschiebung von Elektronen. Diese Prozesse laufen zwar zwischen großen Biomolekülen ab, aber das ist Holger Dau, der in Kiel Physik studiert hat, schon lange gewohnt: Bereits in Diplomarbeit und Promotion beschäftigte er sich mit photosynthetischen Regelsystemen in Pflanzen, unter anderem während eines Forschungsaufenthaltes in Israel am Weizman-Institut in Rehovot. 1990 ging er nach Berkeley, 1993 in den Fachbereich Biologie der Universität Marburg, wo er sich 1994 habilitiert hat und bis Anfang dieses Jahres als Wissenschaftler tätig war.

Die Arbeitsgruppe von Dau untersucht das Photosystem II auf verschiedenen Ebenen: Zum einen nutzen sie die optische Spektroskopie, um die "Antennen” des Photosystems zu untersuchen. Das sind Moleküle, die das Licht absorbieren. Meist sind sie grün – wie das Chlorophyll im Spinat –, doch als Forschungsobjekte gibt es "einen ganzen Zoo von Algen und Cyanobakterien", erzählt Dau, die auch blau oder braun gefärbt sein können. Mit einem Fluoreszenzspektrometer kann man die Antennenmoleküle bei der Lichtaufnahme beobachten und messen, wieviel Licht welcher Wellenlänge absorbiert wird. Dieses Phänomen haben die Biophysiker ausgenutzt, um mit einer eigens entwickelten Tauchsonde Algenpopulationen zu beobachten. Die Sonde mit der Messeinrichtung wird ganz einfach ins Wasser geworfen und erzeugt im Fallen ein Spektrum von Algensorte und -menge in jeder Wassertiefe. "So viele Proben einzeln aus jeder Wassertiefe zu ziehen und von Hand zu messen würde ein halbes Jahr dauern", sagt Dau. Die Tauchsonde wird mittlerweile in Zusammenarbeit mit einer Firma produziert. Eingesetzt wird sie schon heute zur Überwachung von Trinkwasserreservoirs, wo die Wasserqualität insbesondere im Sommer durch eine Algenblüte gefährdet werden kann.

Tieferen Einblick in das Photosystem erhalten die Biophysiker dagegen, wenn sie energiereichere Strahlung anwenden: Die Proteine im Inneren des Photosyntheseapparats sind an Metallatome gekoppelt, die Röntgenstrahlung spezifisch absorbieren können. Vier Manganatome bilden das Zentrum der Sauerstoffentwicklung im Photosystems II. In einem zyklischen Prozess sorgen sie dafür, dass die an der Reaktion beteiligten Elektronen aufgenommen und wieder abgegeben werden. Angetrieben wird diese atomare Elektronenpumpe durch das Licht, das die Organismen bei der Photosynthese absorbieren. Wie allerdings die Manganatome im Photosystem angeordnet sind und wie die Elektronenweitergabe im Zyklus funktioniert, wird bisher nur vermutet. Aufgrund von Röntgenabsorptionsmessungen konnten die Wissenschaftler um Holger Dau jetzt vorschlagen, wie sich die Struktur des Mangan-Clusters während der Elektronenweitergabe ändern könnte. Bei ihren Messungen machten sie sich besonders eine Variante der sogenannten EXAFS-Technik zunutze, bei der die Probe gegenüber dem Röntgenstrahl in einem bestimmten Winkel angeordnet wird. "Diese Einschränkung erlaubt uns, genauere Modelle zu konstruieren", sagt Dau. Für diese Arbeiten setzt er auch auf die interdisziplinäre Kooperation mit Strukturbiologen, die sich die Kristallisation der am Photosystem beteiligten Proteine zum Ziel gesetzt haben. "In Berlin bestehen gute Möglichkeiten zur Zusammenarbeit", meint der Biophysiker, besonders weil dieses Thema in einem gerade neu gegründeten Sonderforschungsbereich ein wichtiger Schwerpunkt ist. In Berlin will Dau neben den Licht- und Röntgenabsorptionsmessungen noch eine weitere Methode etablieren, die photoakustischen Messungen. Photosynthese kann man nämlich auch hören: "Man strahlt Licht ein und empfängt dann akustische Signale", erläutert Dau den Versuch. Die "Töne", die man dabei empfängt, entstehen bei der Weitergabe von Elektronen im Photosystem. Nein, das Gras könne man sicher nicht wachsen hören, schränkt Dau ein, aber man erhält Informationen über maßgebliche Reaktionen der Photosynthese.

Um an der FU so richtig durchstarten zu können, fehlen Dau jetzt noch eine Wohnung in FU-Nähe und wissenschaftliche Mitstreiter für seine Arbeitsgruppe. Für ihn und seine Familie wird die Großstadt Berlin zunächst gewöhnungsbedürftig sein: "Marburg ist die Stadt der kurzen Wege", erzählt Dau. Und weil seine Marburger Mitarbeiter großenteils gerade ihre Doktorarbeiten fertig stellen und nicht mit nach Berlin umziehen, braucht Holger Dau noch motivierten Nachwuchs zur Photosyntheseforschung. Vielleicht weiß der sogar besonders gut Bescheid, wo man in Berlin den frischesten Spinat bekommt.

Foto: Portnoi