|
|
|
|
|
FU-N 1-2/2000 Hochschule Ergebnisse der Zielvereinbarungen mit den Fachbereichen Stiftungsprofessuren an der Freien Universität Vortragsreihe "Strategisches Dreieck Deutschland - Israel - USA" |
Ergebnisse der Zielvereinbarungen mit den Fachbereichen VON DIETER LENZEN Der Autor ist Erster Vizepräsident Der erste Zielvereinbarungsmarathon der Freien Universität konnte wie vorgesehen pünktlich vor Weihnachten abgeschlossen werden Anlass für eine erste Zwischenbilanz Die Betrachtung der Stärken unserer Fachbereiche bestätigte die Erwartung, dass es mindestens ein Element gibt, das die Fachbereiche der Freien Universität in deutlicher Weise vereint: Die Internationalität in jeder nur denkbaren Hinsicht. Die Fachbereiche unterhalten wissenschaftliche Beziehungen zu zahlreichen ausländischen wissenschaftlichen "Schwester"institutionen, sie planen oder richten vermehrt internationale Studiengänge ein (z.B. Master in International Relations, European Master in Media and Communication Management; Dahlem International Graduate School) und sind in vorbildlicher Weise in internationale For-schungsnetzwerke involviert. Die Freie Universität hat einen Spitzenplatz hinsichtlich der Zahl ausländischer Studierender wie ausländischer Gastwissenschaftler/innen. Darüber hinaus existieren wichtige Einrichtungen wie die in Europa umfangreichste Bibliothek für Internationales Recht, die sich als Fokus weiterer internationaler Akzentuierungen, in diesem Fall im Fachbereich Rechtswissenschaft anbieten. Ein zweites festes Fundament der Freien Universität sind regionalwissenschaftliche Studien. So existieren neben den bekannten Zentralinstituten andere regionalwissenschaftliche Schwerpunkte, die sich teilweise eigene Organisationsformen gegeben haben, wie das Italienzentrum, oder sich beispielsweise als künftige Interdisziplinäre Zentren eignen würden wie Ostasienwissenschaften oder Studien zum Komplex des Vorderen Orients. Weitere, die gesamte Universität umfassende, Profilelemente werden zu Tage treten, wenn nun in einem nächsten Schritt die derzeit laufenden ca. 1.400 Drittmittelprojekte der Universität einer Analyse nach Gemeinsamkeiten unterzogen werden, wenn sich mögliche Schwerpunkte für Interdisziplinäre Zentren herauskristallisieren und wenn die zahlreichen angekündigten Vorhaben auf der Ebene einzelner Fachbereiche im Laufe des Jahres Gestalt gewinnen. Um diese Innovationsvorhaben zu identifizieren und mit den Fachbereichen zu beraten, verliefen die Zielvereinbarungsgespräche so, dass die künftigen Pläne gezielt nach den Bereichen Forschung, Lehre, Nachwuchsförderung, Frauenförderung und Binnenorganisation/Infrastruktur abgefragt wurden. Im Bereich der Forschung erwiesen sich die Fachbereiche nahezu ausnahmslos als Einheiten, in denen zukunftsträchtige Vorhaben angedacht und teilweise bereits begonnen worden sind.
So haben sich die Wirtschaftswissenschaftler, der Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie, der Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften und das John F. Kennedy-Institut vorgenommen, ertragversprechende Geschäftsfelder im Bereich des Steuerrechts, der Materialwissenschaften, der Feasibility Studies und der Multimedia-Entwicklung zu erkunden und ggf. entsprechende Schwerpunkte zu begründen. Solche Schwerpunkte werden für die Freie Universität zunehmend wichtig sein, um die Einnahmesituation zu verbessern. Als mögliche Interdisziplinäre Zentren bieten sich neben den Regionalwissenschaften u.a. Bioinformatik, Life Sciences, Mittelalterforschung, Kunstwissenschaft und Ästhetik sowie Historische Anthropologie an. Die Fachbereiche Erziehungswissenschaft und Psychologie, Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft haben die Absicht, bis zu den nächsten Zielvereinbarungen integrierte Forschungskonzepte für den jeweiligen Fachbereich vorzulegen. Pläne für neue Sonderforschungsbereiche werden zur Zeit im Fachbereich Mathematik und Informatik (Scientific Computing), Geowissenschaften (Paläontologie/Physische Geographie) geschmiedet, der Fachbereich Physik beteiligt sich an dem neuen Sfb "Protein-Cofaktor-Wechselwirkungen". In diesem Zusammenhang wird der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses bei zahlreichen Fachbereichen große Aufmerksamkeit geschenkt. So befinden sich insgesamt acht neue Graduiertenkollegs in der Planung, so u. a. im John F. Kennedy-Institut, in den Fachbereichen Politik- und Sozialwissenschaften, Philosophie und Geisteswissenschaften, Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Geowissenschaften und im Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie. Eine Reihe von Fächern möchte auch von dem seitens des Präsidiums mit der Senatsverwaltung ausgehandelten Angebot Gebrauch machen, Professuren auf Zeit einzurichten, um auch dem hauseigenen wissenschaftlichen Nachwuchs unter bestimmten Bedingungen eine weitere Karrierechance zu eröffnen. Dieses Modell wird auch für den weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs von besonderer Bedeutung sein. In den Zielvereinbarungsgesprächen wurde diesem Bereich deshalb auch ein besonderer Platz eingeräumt. Dabei konnten im wesentlichen drei Maßnahmen mit einer großen Zahl von Fachbereichen verabredet werden. Erstens: Steigerung des Anteils von Frauen bei der Einstellung von wissenschaftlichem Nachwuchs. Zweitens: die Einrichtung von Professuren auf Zeit. Dieses Instrument bietet sich insbesondere dort an, wo aufgrund einer gelungenen Frauenförderungspolitik in der Vergangenheit eine ausreichende Zahl potenzieller qualifizierter Bewerberinnen existiert. Drittens: Maßnahmen zur Förderung von Gender Studies sowohl im Bereich der Forschung als auch der akademischen Lehre. Insgesamt zeigt sich in diesem Feld, dass die Freie Universität ihren Vorsprung bewusst auszubauen bereit und in der Lage ist.
Im Bereich der Akademischen Lehre zeigte sich zunächst eine erfreuliche, ausnahmslose Bereitschaft aller Fachbereiche und Zentralinstitute, sich an den in den Hochschulverträgen fixierten Lehrevaluationen zu beteiligen. Die Fachbereiche Physik sowie Mathematik und Informatik werden ihre bereits erprobten Lehrevaluations-Modelle ausbauen bzw. ein netzgestütztes Evaluationssystem entwickeln. Auffällig war auch die große Bereitschaft, die vorhandenen Studienordnungen zu überarbeiten und zeitgemäß umzugestalten, so in besonderer Weise bei den Fachbereichen Politik- und Sozialwissenschaften, Erziehungswissenschaft und Psychologie, Rechtswissenschaft sowie Philosophie und Geisteswissenschaften. Diese Absichten werden nicht selten verknüpft mit Plänen zur Einführung oder Modifikation von Studiengängen, auch als Bachelor- bzw. Masterstudiengänge. Das gilt z. B. für die Italienstudien, für ein Europäisches Doktorat für Renaissance-Studien oder für einen Studiengang Editionswissenschaft. Der Fachbereich Physik möchte ein englischsprachiges Master-Studienangebot entwickeln und erproben. Die Einsicht in die Notwendigkeit, auch durch detaillierte Reformschritte dort Abhilfe zu schaffen, wo die Studien verbesserungsbedürftig sind, ist erfreulich weit verbreitet. Einige Beispiele: Die Fachbereiche Philosophie und Geisteswissenschaften und die Chemiker wollen dem Beispiel der Erziehungswissenschaftler folgen und ein Mentorenmodell für die Studierenden anbieten.
Einige Fachbereiche wollen Konzepte ersinnen, mit deren Hilfe den Studierenden die Findung von Themen für ihre wissenschaftlichen Abschlussarbeiten erleichtert werden sollen, des weiteren wird in einigen Fachbereichen an der Erstellung eines Pflichtlektürekanons gearbeitet, an Modellen zu Reduktion von Abbrecherquoten, an einem internetbasierten Studieneinführungssystem wie bei den Geowissenschaften, und ein interessantes aber besonders für die Naturwissenschaften bedeutsames Detail: Physik, Mathematik und Informatik sollen in ihrer Attraktivität für künftige Studierende, besonders aber für Mädchen dadurch gesteigert werden, dass die Fachbereiche in enger Zusammenarbeit mit Gymnasien für eine adäquate Studienvorbereitung und für den Abbau von Schwellenängsten gegenüber diesen Fächern sorgen. Viele Fachbereiche haben auf die Anregung positiv reagiert, sich Gedanken über lukrative Geschäftsfelder im Bereich der Weiterbildung zu machen. Das gilt für Philosophie und Geisteswissenschaften, für Physik, Mathematik und Informatik, für die Geowissenschaften, für Biologie, Chemie, Pharmazie, für Politik- und Sozialwissenschaften sowie für Erziehungswissenschaft und Psychologie. Die Freie Universität wird sich im Rahmen ihrer Profilüberlegungen darüber Gedanken machen, inwieweit Weiterbildung generell ein wesentliches künftiges Merkmal ihres Selbstkonzepts sein kann, auch im Hinblick auf den Teilbereich Lehrerfortbildung. Eine deutliche Innovationsabsicht war auch im Hinblick auf die Entwicklung und Einführung von Multimedia-Einheiten in die Lehre erkennbar, so bei den Wirtschaftswissenschaftlern, im Fachbereich Politik und Sozialwissenschaften, bei Pädagogen und Psychologen. Sollen die gehegten Pläne in den zahlreichen Feldern der Zielvereinbarungen Wirklichkeit werden, dann gehört dazu auch eine zukunftsorientierte Infrastruktur und Organisationsplanung in den Fachbereichen. Und dazu gehört ganz schlicht: Geld. Die Zielvereinbarungsgespräche waren deshalb auch der Ort, an dem etliche Fachbereiche auf den dringenden Investitionsbedarf bei der Erneuerung ihrer Geräteausstattung hingewiesen haben. Das Präsidium wird diese Daten systematisiert in die nächste Runde der Haushaltsverhandlungen mit dem Senat einbringen. Ebenso deutlich wurde aber auch geäußert, dass der historisch gewachsene Verteilungsschlüssel für Sachmittel der Grundausstattung zwischen, aber auch innerhalb der Fachbereiche revisionsbedürftig ist. Es wird eine der nächsten Aufgaben sein, sich diesem Problem zu widmen, was durch die zahlreichen Prozesse der Umstrukturierung von Fachbereichen und der periodischen Neuziehung von Fachbereichsgrenzen entstanden ist, sicherlich aber auch dadurch, dass die Sachmittelbedarfsstrukturen sich aufgrund veränderter Verhältnisse in etlichen Wissenschaften gleichfalls geändert haben. Durchgängig zeigten sich die Fachbereich bereit, bei der Vergabe der leistungs- und belastungsbezogenen Mittel innerhalb der Fachbereiche darauf zu achten, dass der darin enthaltene Leistungsanreiz sich auch in entsprechenden "Leistungsbelohnungen" widerspiegelt. Große Aufgeschlossenheit existierte bei den Fachbereichen auch gegenüber den Plänen des Präsidiums, die Bereiche zur Erschließung von Geschäftsfeldern zu ermuntern. Dazu gehört auch die Einführung von Bibliotheksbenutzungsgebühren für universitätsfremde Nutzer/innen.
Eine Reihe von Verwaltungsleitern zeigt im Übrigen ein großes Interesse an der Einführung und Erprobung von neuen Modellen für Kosten-Leistungs-Rechnungen und andere Verwaltungsoptimierungen. Der Fachbereich Physik möchte probeweise die Verwaltung seiner Drittmittel selbst übernehmen. Der Gesamteindruck, den ich in den fast dreimonatigen Gesprächen gewonnen habe, ist für mich außerordentlich positiv. Die Freie Universität, ihre Fachbereiche und Zentralinstitute sind in Bewegung. Es existiert eine zukunftsorientierte, auch im Detail entfaltete Bereitschaft zuzupacken. Die Zielvereinbarungsgespräche haben zum ersten Mal die Möglichkeit erbracht, die gesamte Universität im Detail zu sehen, Gemeinsamkeiten herauszufiltern, Stärken und Schwächen zu identifizieren die Voraussetzung dafür letztere zu bekämpfen und erstere in ihrer Entfaltung zu unterstützen. Das Echo war deshalb auch positiv, und viele haben mit der Arbeit an dem Modernisierungsschub begonnen, vor dem die Freie Universität nun steht. Nach der hoffentlich baldigen Konsolidierung des Haushalts, der hinter uns liegenden Neustrukturierung der Fachbereiche geht es nun an die Arbeit im Detail. Dazu wird strategisch insbesondere die künftige Politik für die (Neu)widmung der etwa 50 Professuren gehören, die in den nächsten Jahren zur Wiederbesetzung anstehen. Das Kuratorium hat sich vorbehalten, dazu seine Stellungnahme abzugeben. Die Zielvereinbarungsgespräche haben auch für die dazu erforderlichen Vorbereitungen die notwendige Basis geschaffen, denn mit jedem Fachbereich wurde auch ein Konzeptentwurf für die künftige Wiederbesetzungpolitik diskutiert. Wir stehen also vor einer großen Herausforderung, die bei aller Belastung aber auch die nach fast 30 Jahren endlich eingetroffene Chance einer großen Reform enthält. Dabei wird nicht jedes der Hunderte von Vorhaben durch-, nicht jede der Tausende von Ideen umgesetzt werden können. Deswegen indessen zurückzustecken und "kleine Brötchen zu backen" wäre fahrlässig. Denn für die vor uns liegenden Prozesse gilt in besonderer Weise, was Ludwig Marcuse gemeint hat: "Wer nicht mehr will als er kann, bleibt unter seinen Möglichkeiten." |
|||||