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Kiebitzweg ade

Der Kiebitzweg an der großen Mensa der Freien Universität hieß seit fast 100 Jahren nach einem hübschen Vogel aus der Familie der Regenpfeifer. Jetzt ist der Kiebitz mit einem orangefarbenen Band durchgestrichen. Darüber prangt der Name eines ehemaligen FU-Professors für Kunstgeschichte – Otto von Simson. Naturschützer bestehen nicht auf Artenschutz. Nur eine Anwohnerin protestierte: "Jetzt muss ich mir neue Visitenkarten drucken lassen".

Prof. Dr. Otto von Simson war eine Koryphäe seines Fachs und nicht nur durch sein Standardwerk über die Gotik bekannt. Wegen rassischer Verfolgung war der Kunsthistoriker nach der Machtergreifung der Nazis gezwungen, in die USA zu emigrieren. Er lehrte an der University of Chicago, bis er wieder nach Deutschland zurückkehren konnte und bei der UNESCO, der Wissenschafts- und Kulturorganisation der UNO, in Paris die junge Bundesrepublik vertrat. Dieses Amt gab er 1964 auf und entschied sich, nach Ablehnung mehrerer Berufungen den Ruf an die Freie Universität Berlin anzunehmen. Als Dekan der Philosophischen Fakultät veranlasste er zwar Reformen, die den Nichtordinarien und Assistenten erweiterte Mitspracherechte einräumten, sah aber dann in dem tatsächlichen Ablauf der Reformen an der FU eine völlige Verkehrung der ursprünglichen Absichten und wurde deshalb einer der Mitbegründer der Notgemeinschaft für eine Freie Universität (NOFU).

Der Hintergrund für diese Straßenumbenennung ist eine von der FU zu ihrem 50. Geburtstag im vergangenen Jahr gestartete Initiative, nach der insgesamt sechs Straßen einen neuen Namen bekommen sollten. Vor allem die Iltis- , die Lans- und die Takustraße würden negative Assoziationen wecken und seien mit dem Image der friedliebenden Freien Universität unvereinbar, argumentierte der ehemalige FU-Präsident Prof. Johann W. Gerlach. Denn einen historisch gebildeten Passanten erinnern sie an den chinesischen Boxeraufstand um 1900, bei dem die deutsche Marine unter ihrem Kommandanten Lans mit dem Kanonenboot "Iltis” das chinesische Fort Taku beschoss.

Doch gerade diese Straßen darf man nicht umbenennen: Rechtlich kommen nur drei Faktoren als Grund für eine Namensänderung der Straße in Frage – a) wenn die Straße während der Nazizeit zwischen 1933 und 1945, b) im Osten während der Zeit von 1945 bis 1989 getauft wurde oder c) wenn es mehrere Straßen mit dem gleichen Namen gibt, um Verwechslungen zu vermeiden. Einen Kiebitzweg gibt es schon in einer Kleingartenkolonie, also konnte der Dahlemer umbenannt werden.

Bei der Namensgebung setzte sich die Zehlendorfer CDU-Fraktion durch. Die Grünen hatten dagegen als Namenspatron für die Straße den Studentenführer Rudi Dutschke vorgesehen, die SPD plädierte für die Chemikerin Clara Immerwahr, die sich das Leben nahm, weil sie nicht verhindern konnte, dass ihr Mann, Fritz Haber, sich an der Vorbereitung des Giftgaskrieges beteiligte. Nach dem Studentenführer Rudi Dutschke hat die Universität bereits im Sommer den Weg neben der Mensa benannt, der ganz auf FU-Gelände liegt und deshalb keine Zustimmung von außen brauchte.

So sind jetzt der "revolutionäre" Student Rudi Dutschke und der "konservative" Kunstprofessor Otto von Simson posthum Nachbarn geworden. "Die Lage der beiden Straßen zeigt die Diskussionskultur unserer Universität", sagte der FU-Präsident Prof. Dr. Peter Gaehtgens bei der feierlichen Umbenennung.

Eine weitere Straßenumbenennung der FU soll folgen – die Straße Nummer 518 in Düppel bei den Veterinämedizinern wird ab dem 13. Dezember nach Robert von Ostertag heißen.

Irene Portnoi