CD-ROM:
WOLKEN - MALEREI - GESCHICHTE


Vorbemerkung:

Im Programm zum Wintersemester 1995/96 wird u.a. auf die mehrjährige Zusammenarbeit mit Professor Werner Wehry vom Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin hingewiesen. Ebenfalls erwähnt ist dort, dass diese Kooperation den Anstoss zu mehreren CD-ROM-Projekten gab. Eines von ihnen heisst "Wolken - Malerei - Geschichte". Die Arbeiten daran sind mittlerweile unter Beteiligung von Historikern, Historiker-Demographen, Meteorologen (-Photographen), Kunst- und Kulturhistorikern sowie Fachleuten von der Zentraleinrichtung für Audiovisuelle Medien der Freien Universität (ZEAM) soweit gediehen, dass eine serienmässige Produktion mit anschliessendem Vertrieb über die üblichen Handelskanäle wie auch zu günstigeren Konditionen direkt über den Eigenverlag der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft vor dem Abschluss steht. Die Auslieferung ist für Februar/März 1996 geplant.
Zwar erfolgt die interaktiv-hypermediale Aufbereitung des Materials auf der CD-ROM so, dass ein Navigieren mittels Anklicken verständlicher Symbole problemlos möglich sein und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Teilen einsichtig werden dürften. Dennoch wird der CD ein integriertes, ebenfalls anklickbares Booklet beigegeben. Der Text kann nach Belieben auf den Monitor geladen oder/und ausgedruckt werden. Absicht ist eine knappe generelle Inhaltsorientierung - als Einführung, als Resümee, für zwischendurch.
Die Vorabpublikation des Booklets an dieser Stelle verfolgt zwei Ziele: zum einen möchte sie Interessenten ansprechen, die gegebenenfalls noch an der Realisierung dieses Projektes (bzw. weiterer im Gange befindlicher Projekte) mitwirken möchten. Zum anderen handelt es sich um Pflichtlektüre für Teilnehmer am Votivtafel-Proseminar.


Inhalt des integrierten CD-ROM-Booklets:

Historische Wolken

  • Zwei Wolkenkomplexe
  • 1. Wolken auf niederländischen Gemälden des 17. Jahrhunderts
  • 2. Wolken auf Votivtafeln
  • Was bedeuten die Wolken?
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit: notwendig und anregend ...
  • ... aber nicht Endzweck
  • Der fundamentale Wandel von der unsicheren zur sichereren Lebenszeit
  • Das Konzept vom Lebensplan
  • Doppelt so viele, weil doppelt so gute Jahre
  • Zugang zur CD: unterschiedlich je nach Interesse


  • Historische Wolken

    Sahen Wolken vor drei oder vier Jahrhunderten anders aus als heute? Wie soll man das wissen, wo Wolken doch dermassen flüchtige Gebilde sind, dass ihre Formen, Farben, Konturen in vorphotographischen Zeiten kaum exakt festzuhalten waren.

    Zwei Wolkenkomplexe

    Dennoch findet man Wolken auf Hunderten von Bildern aus früheren Jahrhunderten. Und die Maler werden sich gewiss etwas dabei gedacht haben, wenn sie sie in so grosser Zahl in ihren Werken festhielten. Es fragt sich nur, was sie uns damit sagen wollen. Auf der CD wird diese Frage in zweierlei Hinsicht erläutert.

    1. Wolken auf niederländischen Gemälden des 17. Jahrhunderts

    Zum einen werden Gemälde prominenter Künstler gezeigt und erläutert, Werke der hohen Kunst also. Im Zentrum stehen dabei niederländische Bilder aus dem 17. Jahrhundert, dem "Goldenen Zeitalter".
    Ein Jahrhundert zuvor waren die Niederlande zum Calvinismus übergetreten. Inzwischen hatte eine wirtschaftlich prosperierende Mittelschicht - Bürger in den aufstrebenden Städten, reiche Bauern auf dem Lande - die Kirche als Hauptauftraggeber von Kunstwerken abgelöst. Der neuen Käuferschicht entsprechend standen nunmehr andere Bildinhalte im Vordergrund: statt Heilige und fromme Gestalten alltägliche Figuren, Porträts, Stilleben, Interieurs, Landschaften. Vor allem bei letzteren gab es viel Platz für Himmel und Wolken. Zwei Drittel eines Gemäldes mit einem wolkenlosen Himmel zu füllen, wäre ein ziemlich langweiliges Bild geworden.
    Wie aber sehen die Wolken aus? Sind sie realistisch? Stimmen sie mit der Tages- und Jahreszeit des übrigen Gemäldes überein? Sind gar Skizzen, Vorzeichnungen, Wolkenstudien der Künstler erhalten? Ergäben diese Wolken auf den niederländischen Gemäldes des 17. Jahrhunderts in ihrer Gesamtheit die Grundlage für einen historischen Wolkenatlas? Oder handelt es sich eher um flächen-, kontur- und farbkompositorisch dem restlichen Werk angepasste Gebilde, weniger nach der Natur geschaffen als in freier Phantasie erfunden?
    Neue Technologien erlauben, auf elegante Weise die damaligen Wolkenformationen mit modernen Wolkenphotographien zu vergleichen. Sowohl Bild wie Photo werden in digitalisierter Form nebeneinander auf den Monitor geladen. Die CD macht sich diese einfache Möglichkeit zwecks Verifizierung beziehungsweise Falsifizierung historischer Gemäldewolken zunutze (insbesondere im Teil Wolken-ge-Bilde). Es ist eine spannende Art, altbekannte Gemälde auf eine ganz neue Weise anzusehen und im Hinblick auf völlig neue Aspekte zu befragen. Vertiefend führt die hypermediale Aufbereitung dort eine Fülle ungeahnter Querverbindungen vor Augen, oder sie erteilt durch abrufbare Einblendungen zusätzlich Auskünfte über Maler, kunst- und kulturgeschichtliche Begriffe, Wolkengattungen, Publikationen zum betreffenden Thema.

    2. Wolken auf Votivtafeln

    Beim zweiten Komplex kennt man weder die Künstler, noch befänden sich diese Bilder in berühmten Gemäldegalerien oder Kunstmuseen. Wolken allerdings enthalten sie genauso reichlich. Die Rede ist von Votivtafeln, dem anschaulichsten Quellenmaterial zur Alltagsgeschichte unserer Vorfahren während der letzten Jahrhunderte. Egal ob es sich um Krankheiten unter Menschen und Tieren handelte, um schwere Geburten und Säuglingssterbefälle, um Unfälle aller Art, um kriegerische Ereignisse, um Feuersnot und drohende Missernten oder um psychische Leiden und die Sorge um das Seelenheil: alles ist bildlich minutiös und allgemeinverständlich dargestellt.
    Votum ist lateinisch und heisst Gelübde oder Versprechen. Eine Votivtafel konnte seinerzeit beim Anflehen überirdischer Helfer in jedweder schwierigen Alltagssituation oder als Dankesbezeugung für die erhaltene Hilfe versprochen werden. Angefleht wurden die mächtigsten Fürsprecher beim Herrn, speziell zuständige Heilige oder Selige bei bestimmten Übeln wie etwa der Heilige Rochus im Falle von Pest, Blasius bei Halsleiden, Sankt Leonhard bei Viehseuchen, der Heilige Sankt Florian bei Feuersgefahr, die Muttergottes generell in allen Nöten. Selbstverständlich musste das Versprechen anschliessend eingelöst und die bei einem lokalen Handwerker-Künstler in Auftrag gegebene Tafel zur grösseren Ehre des erfolgreich intervenierenden himmlischen Vermittlers gut sichtbar in einem Gotteshaus angebracht werden. Die 28 Beispiele auf der CD etwa stammen aus einer Wallfahrtskirche. Die erste ist von 1641, die letzte von 1866.

    Was bedeuten die Wolken?

    Votivtafeln enthalten in der Regel vier Komponenten: erstens die gemalte Schilderung des Votationsanlasses (Sturz vom Dach, Gewitter mit Blitzeinschlag, räuberischer Überfall, Mutter im Kindbett usw.), zweitens den oder die Votanten, drittens die um Vermittlung beim Herrn angeflehten überirdischen Helfer, viertens eine kurze, meist mit der Jahreszahl versehene Beschreibung des Geschehens und dem Hinweis "ex voto", das heisst aufgrund des Versprechens.
    Was die auf so gut wie allen Tafeln vorhandenen Wolken betrifft, so haben die mehr oder weniger üppigen Wolkengirlanden, Wolkenbäusche, Wolkenbänke, überhaupt Wolken in allen erdenklichen Formen und Farben die Aufgabe, eine deutliche Trennung zwischen irdischer und überirdischer Sphäre zu markieren. Realistisch wird man diese Abgrenzungswolken in den wenigsten Fällen nennen mögen. Das war auch nie die Absicht. Dagegen drängen sich bei ihrem Betrachten alsbald ganz andere Frage in den Vordergrund.
    Seinerzeit gab es - nicht anders als heute - den irdischen Alltag mit Menschen voller Sorgen und Nöte. Doch jenseits der Wolken existierte für unsere gläubigen Vorfahren eine Anlaufstelle, die auf Abwendung der Not oder doch auf Linderung hoffen liess. Manchmal kann man auf den Votivtafeln sogar beobachten, wie ein Lichtstrahl oder -bündel vom angerufenen überirdischen Patron durch die Wolken auf den Votanten ausgeht, ein deutliches Zeichen nicht nur der Erhörung in der Not, sondern auch der Verbundenheit beider Sphären.
    Wolken lassen sich von der Erde aus selbstverständlich noch heute beobachten und betrachten. Doch einflussreiche Helfer, Vermittler bei einem allmächtigen Gott, Patrone in sämtlichen schwierigen Lebenslagen existieren dort für uns nicht mehr. Wir werden mit unseren nach wie vor reichlich vorhandenen Sorgen und Nöten vergleichsweise allein gelassen. Ob wir durch den Abschluss aller nur denkbaren Versicherungen, durch Hochleistungsmedizin und soziale Netzwerke einen vollgültigen Ersatz geschaffen haben, scheint fraglich.
    Nicht ebenso einfach - wiewohl hintergründig - sind die Wolken auf den niederländischen Gemälden des 17. Jahrhunderts zu deuten, es wäre denn, man würde ihnen nur eine kompositorische Berechtigung zubilligen. Entsprechend umfangreich und differenziert fällt das Kapitel Wolken-ge-Bilde aus.
    Das Stichwort "Calvinismus" liess oben aufhorchen. Manche unter den Neugläubigen nahmen ihre Religion in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts sehr ernst. Warum sollten sich nicht auch malende Künstler darunter befunden haben?
    So wurde im Calvinismus zum Beispiel den Eltern erstmals eine deutliche Mitverantwortung am Wohl und Wehe ihrer Nachkommen übertragen. Für sie galt nicht länger: "Der Herr hat es (das Kind) gegeben, der Herr hat es genommen; der Name des Herrn sei gepriesen". Aus Erfahrung wusste man auch damals schon, dass Mütter, die ihre Neugeborenen regelmässig und sorgäfltig stillten, die Überlebenschancen ihrer Säuglinge - in Erfüllung neu auferlegter Pflichten, aber auch zum Wohlgefallen Gottes - spürbar erhöhten.
    Betrachten wir nun niederländische Bilder aus dem 17. Jahrhundert, werden wir nicht selten sorgfältig stillende Mütter zu Gesicht bekommen. Sollte der Künstler dabei eine von ihm beobachtete Realität wiedergegeben haben, so könnte uns das Gemälde als Quelle für die damalige Alltagsgeschichte dienen. Die Interpretation würde lauten: In den Niederlanden war es damals längst üblich, Säuglinge gut zu pflegen und lange zu stillen. Dies ist der Grund dafür, weshalb die Säuglingssterblichkeit damals dort vergleichsweise sehr niedrig lag.
    Handelte es sich beim Künstler indes um einen quasi als Maler verkappten calvinistischen Prediger, so könnten wir in demselben Bild trügerischerweise einen religiös untermauerten Appell vor uns haben. Hier würde die Interpretation heissen, dass Mütter ihre Säuglinge - wie auf dem Bild demonstrativ vor Augen geführt - lange und sorgfältig stillen sollten. Dies würde deren Überlebenschancen markant erhöhen. Das Bild wäre also keine Wiederspiegelung bereits vorhandener Realität, sondern gerade umgekehrt eine anmahnende Dokumentation von deren beklagenswertem Fehlen.

    Interdisziplinäre Zusammenarbeit: notwendig und anregend ...

    Da die niederländischen Maler des Goldenen Zeitalters auf ihren Bildern jedoch nicht vermerkten, ob sie nun die Realität wiedergaben oder eine Wunschvorstellung zum Ausdruck brachten, erstaunt wenig, dass sich selbst kompetente Fachleute (in der Regel Kunsthistoriker) noch heute nicht einig darüber sind, was sie beziehungsweise wir auf jenen Gemälden eigentlich sehen (sollen). Während die einen die Realität betonen, so neigen die anderen zur These der verkappten Aufrufe.
    Verunsichert durch solche widersprüchlichen Aussagen aus berufenem Munde suchten wir als gewöhnliche Bildliebhaber nach einem Ausweg aus dem Dilemma. Schliesslich wollten wir uns die Freude an den Gemälden nicht verderben lassen. Nach langem Hin und Her fanden wir einen neuen Zugang zu den umstrittenen Gemälden, indem wir uns zuerst jeweils auf die weniger symbolbeladenen Wolkenpartien konzentrierten. Mit Hilfe sachverständiger Meteorologen musste es doch möglich sein, zumindest deren Realitätsgehalt eindeutig festzustellen. Sollte es sich bei den gemeinsamen Erörterungen erweisen, dass dieser oder jener Künstler tatsächlich sorgfältig beobachtet und "richtige" Wolken gemalt hatte, so durften wir wohl auch in bezug auf den Rest der Darstellung mit einer weitgehend realen Wiedergabe der gezeigten Dinge und Situationen rechnen. Ein solches Bild würde sich folglich als einigermassen zuverlässige Quelle für die damalige Alltagsgeschichte eignen.

    ... aber nicht Selbstzweck

    Die aufgrund eigener Zweifel notwendig gewordene Kooperation zwischen Historikern und Meteorologen - immer auch wieder unter Beiziehung von kompetenten Kunst- und Kulturhistorikern - führte zwar vor den Monitoren wie den Originalen zu ungewöhnlich anregenden Diskussionen und augenöffnenden Erlebnissen. Auch das Entstehen dieser CD ist letztlich darauf zurückzuführen (vgl. vor allem den Teil Wolken-ge-Bilde). Dennoch handelte es sich bei diesem interdisziplinären Teamwork nicht um einen Selbstzweck. Die parallel vor sich gehende Betrachtung von Wolken auf Votivtafeln hatte uns zusätzlich nachdenklich gemacht.
    Am Realitätsgehalt jener Votivtafel-Darstellungen gab es nämlich, anders als bei den niederländischen Gemälden, nicht den geringsten Zweifel. Einerseits wurde dort dutzendfach bezeugt, dass und wie die Existenz unserer Vorfahren durch die Auswirkungen von "Pest, Hunger, Krieg" permanent gefährdet war. Doch ebenso grosse Sicherheit bestand darüber, dass sich jene Menschen ihren Sorgen und Nöten nicht hilflos ausgeliefert fühlten. Sie hatten sich ihre eigenen überirdischen Anlaufstellen geschaffen. Die Sphäre jenseits der Wolken war für sie letztlich die wichtigere, diejenige, die Halt im Leben gab.
    Eben weil dies heute alles so anders ist, wäre es unbefriedigend, sich hier einfach mit dieser Feststellung zu begnügen. Votivtafeln als untrügliche Belege der vergangenen schlechten alten Zeiten vermögen unsere historische Phantasie in Gang zu setzen und zu beflügeln. Sie bieten fruchtbare Anregungen zu unerwarteten Vergleichen mit heute. Nicht etwa, dass wir das Rad der Geschichte zurückdrehen wollten. Wer möchte denn schon mit den "Pest, Hunger, Krieg"-gefährdeten Zeiten unserer Vorfahren tauschen? Doch nachsehen, wo die seinerzeitigen Probleme lagen und wie mit ihnen umgegangen wurde, lohnt sich noch immer. Zumindest könnte daraus Ansporn erwachsen, die Hände angesichts eigener Probleme nicht in den Schoss zu legen, auch wenn sie heute auf ganz andere Ursachen zurückzuführen sind.

    Der fundamentale Wandel von der unsicheren zur sichereren Lebenszeit

    Je mehr man sich in die Votivtafeln vertieft und die seinerzeitige Situation mit der heutigen vergleicht, umso deutlicher hebt sich ein fundamentaler Wandel von einer ehemals unsicheren zu einer mittlerweile ungleich sichereren Lebenszeit ab. Pestilenzen alter Art gibt es nicht mehr. (AIDS als neue Seuche spielt statistisch noch keine Rolle.) Hunger kennen wir nicht länger. Von Kriegsfurien werden wir seit einem halben Jahrhundert verschont.
    Entsprechend haben sich die ehedem sehr unterschiedlichen Sterbealter stark gebündelt. Ihr Durchschnitt liegt inzwischen auf der doppelten, wenn nicht dreifachen Höhe von früher. Harte Fakten stehen diesbezüglich auf der CD in den historisch-demographischen Partien zum Aufrufen und Vergleichen bereit.
    Dabei zeigt sich, dass die meisten von uns nun erstmals mit einer Lebensspanne von siebzig bis achtzig oder noch mehr Jahren rechnen können. Das heisst aber auch, dass es heute nicht länger sinnvoll ist, einfach in den Tag hinein zu leben. Vielmehr lohnt es sich, auf jede erdenkliche Weise materiell wie immateriell in ein voraussichtlich langes Leben zu investieren. Bedacht werden sollte dabei, dass in den späten und sehr späten Jahren die körperlichen Möglichkeiten häufig vor den geistigen, musischen, seelischen - wenn sie denn ein Leben lang gepflegt und vertieft wurden - abnehmen. Auch die letzten Jahre aber sollten sich noch zu leben lohnen, selbst dann, wenn das physische Umfeld enger und enger wird. Die CD macht verschiedentlich auf das Problem der überdurchschnittlich häufigen Selbsttötungen im sogenannten Vierten Alter aufmerksam. Vorbeugung beginnt in früher Jugend und nicht erst dann, wenn man dort angekommen ist.

    Das Konzept vom Lebensplan

    Hier stellt die CD das Konzept vom "Lebensplan" vor. Dieses Konzept geht davon aus, dass wir unser Leben erstmals von einem relativ kalkulierbaren Ende her leben und gestalten können.
    Jede Altersstufe hat bekanntlich ihre eigenen Stärken und Schwächen. Der Lebensplan versucht, diese im voraus möglichst flexibel so aufeinander zu beziehen und abzustimmen, dass an jeder von ihnen sukzessive Freude und Geschmack gefunden werden kann. Ziel des Lebensplans ist folglich ein insgesamt erfülltes langes Leben. Wer das erreicht, wird am Ende auch leichter loslassen und den Tod zur rechten Zeit auf sich nehmen können.

    Doppelt so viele, weil doppelt so gute Jahre

    Wir haben heute durchschnittlich nicht nur quantitativ doppelt so viele Lebensjahre wie unsere Vorfahren. Auch qualitativ haben wir mindestens doppelt so gute Jahre: eben Jahre ohne Pestilenzen, ohne Hunger, ohne Krieg. Die ganze Welt steht uns wie nie zuvor offen. Die meisten können sich mehr denn je leisten. Nutzen wir die uns eingeräumten Chancen, um das lange Leben zu einem erfüllten zu machen. Die Voraussetzungen dafür waren zu keinem früheren Zeitpunkt so gut wie heute. Wichtig ist nur, auch in den besten Jahren nicht bloss körperlichen Freuden zu huldigen, sondern daneben - dem Lebensplan entsprechend und die späten Jahre mitbedenkend - auch in geistige, kulturelle, musische Aktivitäten zu investieren.
    Die CD zeigt an einem konkreten Beispiel, wie man unter Einbeziehung neuer CD-Technologien und ungewohnter Fragestellungen ganz neue sinnstiftende Interessen in sich und anderen wecken und dadurch das Lebensplankonzept ein Stück weit verwirklichen kann.

    Zugang zur CD: unterschiedlich je nach Interesse

    Der Zugang zur CD kann auf ganz unterschiedliche Weise erfolgen. Wer zuerst nur an einem Vergleich zwischen gemalten Wolken aus dem 17. Jahrhundert und richtigen Wolken von heute interessiert ist, beginnt mit dem Kapitel Wolken-ge-Bilde. Es geht im wesentlichen auf die Kunst- und Kulturhistorikerin Nathalie Neumann zurück und ist ein Beispiel dafür, wie jemand im Rahmen einer zweijährigen Zusammenarbeit zwischen Historikern, Historikerdemographen, Meteorologen, Kunst- und Kulturhistorikern zunehmend Geschmack an der ungewohnten Thematik fand und in Übereinstimmung mit dem Konzept vom Lebensplan in sich sinnstiftende neue Interessen weckte, vertiefte und schliesslich mit tatkräftiger Hilfe des Meteorologen-Photographen Franz-Josef Ossing vom GeoForschungszentrum Potsdam und dem Multimedia-Fachmann Christian Zick von der Zentraleinrichtung für Audiovisuelle Medien der Freien Universität Berlin überzeugend realisierte. Dieses Kapitel ist so weit in sich abgerundet, dass es auch gesondert betrachtet werden kann.
    Wen dagegen realistische Darstellungen aus dem Alltag unserer Vorfahren mehr interessieren, wird mit dem Votivtafel-Kapitel anfangen. Binnen kurzem dürfte sich von selbst die Frage aufdrängen, wie es in jenen schlechten alten Zeiten wohl um die Lebensdauer, die Todesursachen, die Sterbealter bestellt gewesen sein mochte. Hier können die historisch-demographischen Abschnitte konkrete Auskünfte erteilen.
    Andere wiederum möchten früher oder später oder vielleicht zusätzlich wissen, wie nach dem auf der CD feststellbaren historisch-demographischen Wandel von der unsicheren zur sichereren Lebenszeit heute ein langes Leben mit Aussicht auf Erfolg zu einem erfüllten langen Leben gemacht wird. Ihnen mögen die Partien über den Lebensplan die gewünschten Anregungen bieten.
    Und schliesslich kann, wiederum je nach Interesse, der vorliegende Text zu Beginn als Einführung oder am Ende als Resümee oder zwischendurch zwecks Vertiefung oder orientierende Gesamtschau zur Kenntnis genommen werden.

    Ihr Produktionsteam wünscht Ihnen hierbei viel Freude und Anregung!


    Thursday, 19. October 1995 - 07:09:16

    A. E. Imhof