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Ein Jahr Auslandsstudium in Glasgow

Anfang letzten Jahres entschloß ich mich relativ spontan, mich über das ERASMUS-Programm um einen Studienplatz an der University of Glasgow zu bewerben. Eigentlich hatte ich ein Auslandsstudium nie vorgehabt. Aber irgendwie traf ich immer mehr Kommilitonen, die mir von ihren Plänen erzählten. Von anderer Seite hörte ich dann, wie gut sich doch ein Auslandsaufenthalt auf dem Lebenslauf machen würde. "Das beweist Flexibilität. Das mögen Arbeitgeber.", sagte man mir. Aha, das überzeugte mich nicht unbedingt. Trotzdem warf ich mehr oder minder unentschlossen einen Blick auf die Austauschmöglichkeiten mit den verschiedenen Programmen.

Aus unerfindlichen Gründen hatte ich schon immer eine Vorliebe für Großbritannien. Und für Schottland erst recht. Obwohl ich vorher noch nie dort gewesen war. Mein Entschluß, doch ein Jahr ins Ausland zu gehen, hing daher entscheidend von den angebotenen Orten ab. Ich bewarb mich, obwohl ich nicht wirklich damit rechnete, einen der beiden Plätze zu bekommen, denn erfahrungsgemäß erfreut sich Großbritannien bei ERASMUS-Studenten großer Beliebtheit. Dieses Konzept kam auch meiner Unentschlossenheit entgegen, da ich mir sagte: Wenn ich meinen Wunschplatz bekomme, dann fahre ich, wenn ich nur einen anderen Platz angeboten bekomme, fahre ich nicht. Überraschenderweise bekam ich den Platz in Glasgow. Trotzdem war mir immer noch nicht klar, ob ich wirklich ein Jahr ins Ausland wollte und ob der Zeitpunkt richtig war. Ich überlegte mir, daß nach meiner Rückkehr die meisten meiner Kommilitonen bereits in der Examensvorbereitung wären, während ich dann noch Hausarbeiten und Seminarscheine schreiben müßte. Außerdem rechnete ich damit, in einem Jahr ziemlich viel zu vergessen, und damit Schwierigkeiten zu haben, wieder in das Studium in Deutschland einzusteigen. Dahinter stand natürlich auch der Gedanke an den Freischuß. Aber letztendlich wollte ich doch gerne Schottland und das Studium in Großbritannien kennenlernen. Also packte ich meine Koffer und flog Mitte August 2000 nach Glasgow.

Das Studienjahr sollte im Oktober beginnen und ich hatte vorher noch einen fünfwöchigen Sprachkurs gebucht, der von der Uni organisiert wurde. Dieser Kurs war ziemlich teuer und hat meine Sprachkenntnisse nicht wirklich verbessert. Daher würde ich jetzt, müßte ich mich nochmals entscheiden, wohl einen solchen Kurs nicht noch einmal belegen. Allerdings hatte er den Vorteil, daß ich dort viele andere Austauschstudenten kennenlernte und auch meine zukünftige WG-Mitbewohnerin fand.

Wohnen ist in Glasgow kein Problem, da die Uni mehrere Studentenwohnheime unterhält und man als Austauschstudent dort fast immer einen Platz bekommt. Sofern man sich für einen Platz im Studentenwohnheim entscheidet, muß man sich vertraglich für das gesamte Studienjahr binden. Einige Wohnheime liegen direkt an der Uni und neben der Bibliothek, so daß man morgens praktisch von der Haustür in die Vorlesung fällt. Andere liegen bis zu einer halben Stunde Fußweg von der Uni entfernt. Die meisten Zimmer sind in 5er WG´s, die sich Bad und Wohnküche teilen. Das kann sehr nett und gemütlich sein, wenn man sich mit seinen Mitbewohnern gut versteht. Leider halten die Briten nicht sehr viel von massiven Wänden, so daß die Zimmer extrem hellhörig sind. Das Radio oder der Fernseher des Nachbarn können da schon mal stören. Während meines Aufenthalts traf ich auch auf eine genervte Kommilitonin, die gegenüber einer Gesangsstudentin wohnte. Über ihr wohnte ein selbsternannter DJ, der vorzugsweise mitten in der Nacht anfing, seine Platten aufzulegen. Ich war von der Aussicht eines Studentenwohnheimzimmers nicht begeistert, da das mir angebotene Wohnheim auch ungünstig von Einkaufsmöglichkeiten und der U-Bahn lag. Deswegen machte ich mich auf die Suche nach einer Privatunterkunft und fand schließlich eine Wohnung ganz in der Nähe der Uni, die ich mir mit einer anderen Studentin teilte. Insgesamt ist das Wohnen in Glasgow ziemlich teuer, sowohl privat als auch im Wohnheim. Wohnheimplätze lagen 2000/2001 bei etwa 60-64 Britische Pfund pro Woche, zuzüglich Kosten für Strom und Gas. Allein aus dem Stipendium lassen sich diese Kosten nicht decken. Einige Studenten jobbten deswegen in Cafés oder Pubs.

Bald sollte ich feststellen, daß es sich im Studentenwohnheim auch wesentlich sorgenfreier wohnt. Da sich meine italienische Mitbewohnerin als sehr unselbständig herausstellte, mußte ich mich mit Telefonanschluß, Gas- und Stromversorgung, Fernsehgebühren und Council Tax herumschlagen. Zweimal standen auch Vertreter eines Stromvertreibers vor unserer Tür, die uns einen neuen Stromlieferungsvertrag aufschwatzen wollten. Dabei gaben sie sich als Mitarbeiter der Stadtverwaltung aus, die unseren Stromzähler kontrollieren wollten. Erst als wir einen Vertrag unterschreiben sollten, durchschauten wir zum Glück die Sache und setzten die beiden vor die Tür. Kurz vor meiner Abreise brach dann noch ein Streit mit meiner Vermieterin über die restliche zu zahlende Miete aus. Soviel zu den Gefahren der privaten Wohnung. Diesen ganzen Ärger kann man sich im Wohnheim ersparen.

Die Uni selbst bietet eine Vielzahl von Kursen an. So gab es alles von Schottischer Rechtsgeschichte bis zu Computerrecht, Internationales Öffentliches Recht (sehr empfehlenswert), Umweltrecht, Europäisches Steuerrecht, medizinisch-rechtliche Probleme usw. ... Als Austauschstudent ist man in seiner Wahl völlig frei und kann sich einen Stundenplan nach Belieben zusammenbasteln. (Es sei denn, man muß die Anforderungen des JPA berücksichtigen, um sich die Chancen auf den Freischuß zu bewahren.) Jeder Student hat einen Study-Adviser, der ihn als Ansprechpartner durch das Studium begleitet. Insgesamt ist die Betreuung der Studenten wesentlich besser als an deutschen Unis. Andererseits hat man nicht so viele Freiheiten wie in Deutschland, da der Studienablauf für den regulären Studenten fest vorgegeben ist und durch ständige Pflichtveranstaltungen (Tutorials) begleitet wird. Daher ist es nicht möglich, einfach eine Prüfung vorzuziehen oder erst später in Angriff zu nehmen. Jede Prüfung hat ihren festen Platz am Ende eines jeweiligen Studienjahres. Insgesamt hat mir diese starre Struktur wenig gefallen. Allerdings springen durch dieses System viel weniger Studenten auf dem Weg durchs Studium ab, als dies in Deutschland der Fall ist.

Die Uni ist im Gegensatz zur FU sehr gut mit Computern ausgestattet, die alle Internetzugang bieten. In manchen Kursen wird erwartet, daß man Informationen für Aufsätze und Referate auch aus dem Internet sucht. Für jeden neuen Studenten (keine Angst, nicht für Austauschstudenten) ist ein Computerkurs im ersten Jahr obligatorisch. Ohne erfolgreiche Teilnahme an diesem Kurs kann man nicht das zweite Studienjahr beginnen. Während des Trimesters müssen für die jeweiligen Kurse Aufsätze (Essays) angefertigt werden, die zum Teil für die Endnote relevant sind oder aber nur Voraussetzung für eine Teilnahme an der Abschlußklausur sind. Für meine ersten Essays benötigte ich ewig lange und schlug mich mit der englischen Grammatik herum. Die Essays hielten mich während der Trimester auf Trab und ich verbrachte mehr Nachmittage als geplant in der Bibliothek. Wer also der Meinung ist, sich ein Jahr Urlaub in Schottland zu gönnen, liegt falsch. Allerdings schlägt man sich nicht einsam durch die Arbeit, sondern kann auf Unterstützung von anderen Studenten zählen. Dabei führte das gegenseitige Korrekturlesen der ERASMUS-Studenten selten zu grammatikalisch einwandfreien Ergebnissen. Angenehm überrascht war ich dann von der guten Benotung.

Die Uni sorgt ebenfalls für das Freizeitleben ihrer Studenten. Es gibt jede Menge Sportclubs, ein unieigenes Sportcenter, zwei Student-Unions, die über eigene Bars und Clubs verfügen und auch als Mensa fungieren. Darüber hinaus werben jede Menge Societies um neue Mitglieder. Es gibt eigentlich für fast jedes Interesse eine Society. So gab es eine Society für britisch-japanischen Kulturaustausch, für historisch Interessierte, für Debattierfreudige, für Rollenspielanhänger (die Mitglieder dieses Clubs wurden gelegentlich als Elfen, Trolle, Amazonen u.ä. verkleidet in der Mensa gesichtet), für Naturschützer, für Star-Trek-Fans, usw.. Insgesamt also für jeden etwas. Daneben bietet Glasgow als Britische Stadt natürlich an fast jeder Ecke Pubs, in denen auch regelmäßig Fußballspiele gezeigt werden. Zu diesem Anlaß ist das Pub dann vollgestopft mit biertrinkenden Schotten und Schottinnen. Insgesamt sind die Schotten sehr partyfreudig und wer möchte, kann jeden Tag eine Möglichkeit zum Weggehen finden. Außerdem liegen die Highlands vor der Tür und auch Irland ist nicht weit. Daher stehen bei gutem Wetter natürlich Ausflüge auf dem Plan. Ach ja, das Wetter: Es regnet wirklich fast jeden Tag! Also nie ohne Schirm aus dem Haus gehen. Allerdings hindert weder Regen noch Schnee die Schottin daran, zum Weggehen ihre offenen Schuhe zu tragen. Das ließ uns Kontinentaleuropäerinnen doch gelegentlich an unserer modischen Opferbereitschaft zweifeln.

Rückblickend hat sich das Jahr auf jeden Fall gelohnt und ich glaube, ich würde mich wieder für ein Auslandsjahr entscheiden. Allerdings stelle ich auch fest, daß ich während eines Jahres so ganz ohne deutsches Recht viel vergessen habe. Meine Kommilitonen stürmen bereits alle zum Repetitor und ich schlage mich noch mit den großen Übungen herum. Das hat auch seine Vorteile: Durch die Hausarbeiten arbeite ich mich langsam wieder in das deutsche Recht ein. Daher war der Zeitpunkt meines Auslandsjahres, nach den kleinen Scheinen, aber noch vor den großen Scheinen, kein schlechter Termin.

Silke Heidemann

(erschienen im DEFO-Info Nr. 44 vom WS 2001 / 2002)



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