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"Motivation ist eine Selbstverständlichkeit"


Ein Gespräch mit Dekan Prof. Dr. Hubert Rottleuthner

Prof. Dr. Hubert Rottleuthner
geboren 1944
Familie verheiratet
Hobbys Zeichnen, Malen, Bergwandern, alpines Klettern
Studium 4 Semester Rechtswissenschaft, dann Philosophie in Frankfurt a.M.
1972 Promotion bei Habermas
1974 Ruf an die Freie Universität Berlin
seit 1974 Professur für Rechtssoziologie


DEFO: Herr Rottleuthner, im Vergleich zu Ihren Kollegen am Fachbereich hatten Sie einen ungewöhnlichen Werdegang. Wie sah der aus?

Rottleuthner: Ich habe vier Semester Jura studiert, bis zum großen BGB-Schein. Nach einem Praktikum habe ich festgestellt, dass der Beruf des Richters, den ich eigentlich angestrebt hatte, nichts für mich war. Ich hatte zu starke theoretische Interessen. In meiner Strafrechtshausarbeit fing ich an, den Handlungsbegriff und Probleme der Kausalität zu vertiefen. Da ich mich schon in der Schule für Philosophie interessierte, wechselte ich das Fach. In Philosophie habe ich schließlich 1972 bei Habermas promoviert mit den Nebenfächern Soziologie und Rechtswissenschaft. Bis zu meinem Ruf an die FU 1974 war ich immer am Fachbereich Rechtswissenschaft in Frankfurt a.M. tätig, erst als Tutor, dann als Assistent. 1974 bin ich als einer der letzten Nichtvolljuristen an einen juristischen Fachbereich berufen worden. Das war damals hier wohl nur möglich, weil es eine gemeinsame Berufungskommission der Soziologen und Rechtswissenschaftler gab.

DEFO: Was mögen Sie besonders gerne an Ihrem Beruf?

Rottleuthner: Die interdisziplinäre Orientierung, die Möglichkeit, ein breites Themenspektrum und viele Gesichtspunkte zu pflegen. Das Verbinden der rechtlichen Sachen mit Soziologie und Philosophie mache ich sehr gerne. Wichtig ist mir, dass ich meine Arbeit immer noch frei gestalten kann.

DEFO: Sie sind jetzt Dekan. Worauf werden Sie ihre Arbeitsschwerpunkte legen?

Rottleuthner: Ich werde mich um die Außenbeziehungen zu Präsidium und zu anderen Fachbereichen wie Wirtschaftswissenschaften, den Juristen an der Humboldt Universität und in Potsdam kümmern. Aber mir sind auch die internen Angelegenheiten wichtig. Ich halte es beispielsweise für sehr sinnvoll, dass wir jemanden benennen, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist - wobei ich unter Öffentlichkeitsarbeit nicht nur verstehe, wie sich der Fachbereich nach außen darstellt, sondern auch wie wir uns nach innen gegenüber der Fachbereichsöffentlichkeit darstellen. Aktivitäten müssen deutlicher gemacht werden, nach dem Motto: Was ist los am Fachbereich?

DEFO: Bisher findet das kaum statt.

Rottleuthner: Ja leider. Es finden hier am Fachbereich viele Dinge statt, von denen man gar nichts mitkriegt.

DEFO: Manchmal hat man das Gefühl, dass das Klima am Fachbereich schlecht ist. Haben Sie das auch?

Rottleuthner: Ich bin jetzt ziemlich genau 26 Jahre hier am Fachbereich. Es gab deutliche Klimaänderungen. Im ersten Jahrzehnt standen die politischen Grabenkämpfe im Vordergrund. Das hat sich schlicht durch Emeritierung, aber auch durch eine allgemeine hochschulpolitische Entspannung erledigt. Als Problem sehe ich aber, dass uns am Fachbereich die Motivation verloren geht.

DEFO: Sie meinen den Professoren?

Rottleuthner: Ja. Was in den letzten zehn Jahren passiert ist, ist abenteuerlich. Die Infrastruktur ist uns weggebrochen. Mit weitaus weniger Mitteln als früher können wir nicht die Leistung erbringen, die wir gerne erbringen würden. Und in dieser Situation des radikalen Abbaus kommen dann Modelle ins Spiel, mit denen per Anreizverfahren die Uni aus dem Sumpf gezogen werden soll, in den sie hineingefahren wurde. Das macht sehr viel Motivation einfach kaputt. Es könnte in Zukunft ein ganz eigenartiges Gerangel um die knappen Mittel geben. Wer kriegt die nächste frei werdende Assistentenstelle oder die nächste studentische Hilfskraft. Das kann zu einem unguten Klima führen. Von einem Kollegen, der personell ganz miserabel ausgestattet ist - im Vergleich zu dem, was er einmal an Berufungszusagen bekommen hat - weiß ich, dass er nichts mehr an Überleistungen erbringen möchte und kann. Ich verstehe das sehr gut.

DEFO: Wie reagieren die Studierenden?

Rottleuthner: Das Problem bei den Studierenden ist die relativ kurze Verweildauer. Sie können diese frustrierende Erfahrung der Mittelkürzungen in dem Ausmaß gar nicht machen. Die Studierenden erleben immer nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Abschwung. Sie merken es natürlich an der Bibliothekssituation, wieviel Palandts herumstehen, an den studentischen Hilfskraftstellen, bei den Tutorien oder bei JURIS. Die Erfahrung ist nicht so gravierend. Bei den Professoren kann das aber schon dazu führen, dass man auf Pflichterfüllung schaltet und nur noch das Notwendigste erbringt. Die schlechte Situation wird sich übrigens durch die Leistungsmittel nicht ändern. Das sind keine großen Beträge. Die Ausstattung bleibt nach wie vor schlecht. Längerfristig wird wohl auch die Personalverteilung leistungsabhängig gemacht. In Brüssel habe ich kürzlich von einem Kollegen aus Utrecht erfahren, wie dieses Leistungsmodell ins Extrem getrieben wird. Dort sind die Professoren verpflichtet, pro Jahr 60 Seiten zu veröffentlichen. Und an der Freien Universität Amsterdam müssen die Professoren inzwischen Miete für die Räume bezahlen, die sie nutzen. Das klingt wie ein neuerlicher Bericht aus Gullivers akademischen Reisen. Nicht, dass uns das unmittelbar droht, aber es ist die Konsequenz aus diesem Modell.

DEFO: Wünschen Sie sich etwas von den Studentinnen und Studenten?

Rottleuthner: Dass sie sich nicht so unter Zeitdruck setzen lassen, sondern doch noch ein bisschen - nicht Spaß, das ist nicht der richtige Ausdruck - Freude am Studium und der Vertiefung sehr interessanter Materien haben.

DEFO: Liegt Ihnen als Dekan etwas ganz besonders am Herzen?

Rottleuthner: Eine ganze Menge. Eine Absicherung der Autonomie des Fachbereichs gegen Interventionen von oben. Die Sicherung der Situation der Bibliothek ist mir sehr wichtig. Und die verbesserte Darstellung der Fachbereichsaktivitäten nach innen und außen, ohne dass das in Schaumschlägerei ausartet.

DEFO: Die Studienordnung ist seit drei Semestern ein Dauerbrenner. Warum hat sich der Fachbereich auf dieses Abenteuer eingelassen?

Rottleuthner: Die neue Studienordnung haben Sie als Abenteuer empfunden?

DEFO: Die 3-semestrige Übergangsphase bis zum Inkrafttreten der neuen Ordnung haben viele Studentinnen und Studenten als Unsicherheit empfunden. Immer wieder gab es Änderungen und unterschiedliche Auskünfte Ihrer Kollegen zum aktuellen Stand.

Rottleuthner: Ich denke, wir haben jetzt eine gute Struktur durch die Abschlussklausuren und die propädeutischen Hausarbeiten. Das sind die Hauptpfeiler in unserer neuen Studienordnung. Letzter Stand ist, dass die Studienordnung zum 1. April in Kraft treten wird. Allerdings nur vorläufig für zwei Jahre. Hauptknackpunkt ist die Sache mit der Zwischenprüfung. Da besteht einiger Druck von Seiten des Universitätspräsidiums. Da muss man sehen, wie man sich verständigen kann. Es ist ja bereits mit den Abschlußklausuren als Zulassungsvoraussetzung eine Art Zwischenprüfung eingebaut. Es sei denn, man möchte wirklich nach fünf oder sechs Semestern eine Zwangsexmatrikulation haben.

DEFO: Halten Sie das für wünschenswert?

Rottleuthner: Ich hatte jetzt einen Fall in der sogenannten Zwangsberatung, der eine Zwangsexmatrikulation nahe legen würde. Der Student hatte nach zwölf Semestern nur seine AG-Scheine und einen Grundlagenschein gemacht und dann vier Jahre lang nichts. Der Mann hat also schlicht nicht studiert, sondern gejobbt, die Vorzüge des studentischen Status genutzt und uns die Statistik versaut. Diese Leute würde man durch eine strikte Zwischenprüfung rauskriegen. Meine Frage ist allerdings, wie groß ist diese Gruppe überhaupt. Ich möchte in diesem Jahr versuchen, bei den Zwangsberatungen näher zu erfassen, aus welchen Gründen die Leute lange studieren. Die meisten, die ich erlebe, haben nebenbei gejobbt, aber ihre Scheine gemacht und stehen kurz vor dem Examen. Sie haben nur nicht so flott studiert, wie von der Studienordnung vorgesehen. Denen würde man mit einer Zwischenprüfung nicht beikommen. Die Gründe liegen bei denen auf ganz anderen Ebenen.

DEFO: Wozu schließen der Fachbereich und das Präsidium Zielvereinbarungen?

Rottleuthner: Die Zielvereinbarungen dienen dazu, Ziele aus dem politischen Raum - die Hochschulverträge - auf der Fachbereichsebene umzusetzen. Mit Verträgen hat das überhaupt nichts zu tun. Mich erinnert dieser Mechanismus doch sehr stark an die Figur des Vertrages in einer sozialistischen Planwirtschaft. In der DDR gab es ein Vertragsgesetz. Zwischen den Betrieben wurden Verträge geschlossen, die dazu dienten, die Planvorgaben zu erfüllen und Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung festzusetzen. Das war die Restfunktion des Vertrages. Er hat nichts mehr mit Willenserklärungen zwischen formal Gleichen zu tun. Die Vereinbarungen werden als Mechanismen genutzt, Zielvorstellungen durchzusetzen. Die eine Seite kann immer mit dem Entzug von Mitteln drohen. Dem haben wir nichts entgegenzusetzen, wenn die andere Seite ihre Zusagen nicht einhält.

DEFO: Gab es dafür schon ein Beispiel?

Rottleuthner: Wir waren der letzte Fachbereich, der die Kriterien für die Mittelverteilung nach Leistung vorgelegt hat. Man hatte uns bereits angedroht, die Leistungsmittel für dieses Jahr überhaupt nicht auszuzahlen - immerhin etwa 200.000 DM -, wenn wir nicht ein Modell einführten.

DEFO: Der Fachbereich wurde in der letzten Zeit sehr genau unter die Lupe genommen. Was sind für Sie die wichtigsten Ergebnisse der durchgeführten Evaluationen?

Rottleuthner: Unser interner Evaluationsbericht. Für die Erstellung des internen Gutachtens haben wir einen Fragenkatalog vom Universitätspräsidium erhalten, den wir im Dekanat vor allem mit Hilfe der Fachbereichsverwaltung beantwortet haben. Mein Haupteindruck war, dass wir uns mit dem, was hier an unserem Fachbereich geboten wird, nicht zu verstecken brauchen. Speziell, was die Klagen der Universitätsspitze betreffend überlange Studienzeiten und Internationalität angeht. Die Kritik überlanger Studienzeiten adressiert an den Fachbereich halte ich für verfehlt. Das Primäre ist, dass wir den Studierenden eine Studienordnung anbieten, die es ihnen erlaubt, in sieben Semestern ihr Studium zu bewältigen, und dass wir den dazugehörigen Lehrplan einhalten. Was darüber hinaus geschieht, ist den Lehrenden eigentlich nicht zuzurechnen. Wie jemand sein Studium individuell gestaltet: ob er/sie sich in der Selbstverwaltung engagiert, ob er/sie eine Studienphase im Ausland verbringt oder ob er/sie - was wohl meistens der Fall ist - durch Jobs oder andere Nebenbeschäftigungen davon abgehalten wird, das Studium in der Regelstudienzeit zu bewältigen, darauf kann und sollte der Fachbereich keinen Einfluss nehmen.

DEFO: Deshalb ist das auch ein Universitätsstudium...

Rottleuthner: Ja. Mir sind Studierende allemal lieber, die sich nicht unter Zeitdruck setzten lassen und auf Examen komm raus ihr Studium durchziehen. Mir sind Studierende lieber, die wenigstens das Ansinnen haben, die Materie noch etwas weiter zu vertiefen, was wohl am besten im Wahlfachstudium geschehen kann. Ansonsten sind die überlangen Studienzeiten auch ein schlichtes Problem der Statistik. Die durchschnittliche Studiendauer sagt sehr sehr wenig. Man müsste eher schauen, wie schnell schafft es das erste Drittel. Das wäre ein besserer Kennwert. Der Durchschnitt wird immer durch die grauen Panther verzerrt.

DEFO: Was steckt hinter dem Vorwurf mangelnder Internationalität?

Rottleuthner: Da habe ich zunächst den Vorbehalt, dass das Fach Rechtswissenschaft schwerpunktmäßig national ist. Das Recht, das im Studium vermittelt werden soll, ist primär immer noch deutsches geltendes Recht. In der Studienordnung ist die Rede von völker- und europarechtlichen Bezügen, aber der große Kern besteht in der Vermittlung der nationalen Rechtsordnung. Insofern geht diese Ansinnen der Internationalisierung fehl. Zum Beispiel wird in den Zielvereinbarungen festgehalten, dass Lehrstühle international ausgeschrieben werden sollen. Das kann man schon machen. Es ist aber ziemlich witzlos einen Lehrstuhl für Bürgerliches Recht/ Insolvenzrecht auf Englisch auszuschreiben mit der Erwartung, dass eine englischsprachige Professorin oder ein englischsprachiger Professor sich darauf bewerben würde. In der ganzen Umstrukturierungsdiskussion wird verkannt, dass es kein anderes Fach gibt, das dermaßen verstaatlicht ist. Das ist nicht so stark bei den Lehramtsstudien und auch nicht bei der Medizin. Sowohl von der Prüfungsordnung als auch vom Gegenstandsbereich ist Jura sehr stark an staatlichen Vorgaben orientiert.

DEFO: Heißt das, der Fachbereich hat gar nicht soviel Freiheit, wie sich die Universitätsleitung an Flexibilität von ihm wünscht?

Rottleuthner: Ja. Internationalisierung hat ihre Grenzen und auch die Gestaltung der Prüfung liegt nicht in unseren Händen. In der Studienordnung sind wir an die Vorgaben des Deutschen Richtergesetzes, des JAG und der JAO gebunden. Der Spielraum ist sehr gering. Um so erstaunlicher empfand ich es, wie breit das Spektrum von Internationalität an unserem Fachbereich schon geworden ist. Zu erwähnen sind z.B. internationale Austauschprogramme wie das Hauptstadtprogramm, die Teilnahme an internationalen Wettbewerben, die Beteiligung am European Credit Transfer System, ausländische Gastprofessuren usw. Das ist alles nachzulesen im Evaluationsbericht, der den Studierenden leichter zugänglich gemacht werden sollte.

DEFO: Die Universität hat sich von Kienbaum, einer Unternehmensberatung, begutachten lassen. Was sind die Empfehlungen an den Fachbereich?

Rottleuthner: Der zweite Teil des Gutachtens beschäftigt sich für die Universität insgesamt mit der Umstellung vom kameralistischen zum kaufmännischen Rechnungswesen. Das hat buchhalterische Konsequenzen im Investitionsbereich und bezüglich der Gebäudemieten. Der erste Teil ist der gravierende und wird uns in der kommenden Zeit umtreiben. Es geht um die Einführung des so genannten Kosten-Leistungs-Modells. Der leistungsbezogene Anteil am Haushalt der einzelnen Fachbereiche und letztendlich auch der einzelnen Professuren soll langfristig steigen. Bislang sieht es so aus, dass von unserem Grundhaushalt 20 Prozent als Leistungsmittel abgezogen werden. Für die Rückverteilung dieser Mittel gibt es einen groben Schlüssel, nach dem die Leistungen der Fachbereiche bewertet werden. Kienbaum schlägt differenziertere Kriterien für die Leistungsbewertung vor, und eine Unterteilung in Grundausstattung, Leistungsbudget 1 und Leistungsbudget 2. Die Grundausstattung soll nur das Existenzminimum sichern, das heißt, dass überhaupt die Pflichten erfüllt werden können. Leistungsbudget 1 sieht Belohnungen für besondere erbrachte Leistungen vor. Leistungsbudget 2 ist gedacht für die gezielte Vergabe von Seiten des Präsidiums, um nach gesamtuniversitären Zielen Anreize für bestimmte Tätigkeiten zu setzten.

DEFO: Das hört sich nach mehr Einfluss des Präsidiums an.

Rottleuthner: Was das Leistungsbudget 2 angeht allemal. Allerdings wird bereits jetzt über die Zielvereinbarungen Einfluss auf die Fachbereiche genommen.

DEFO: Die Professoren am Fachbereich haben Kriterien für die Vergabe der Leistungsmittel ausgearbeitet. Sind das die Kriterien für das Leistungsbudget 1?

Rottleuthner: Die Kriterien für das Leistungsbudget 1 hat Kienbaum nach Lehre und Forschung differenziert vorgeschlagen. Wir hier am Fachbereich sind anders verfahren. Wir werden die Mittel nicht nach den Kriterien weiterverteilen, wie sie uns von der Universitätsspitze zugeleitet werden. Es ist ein zweistufiger Prozess. Auf der gesamtuniversitären Ebene sollen die Leistungsmittel nach den Kienbaum-Kriterien auf die Fachbereiche verteilt werden. Wie die ihre Mittel weiterverteilen, ist zunächst eine andere Sache. Nun hatten wir, das Dekanat des Fachbereichs, allerdings kürzlich ein Treffen mit der gesamtuniversitären Kommission, die sich um eine Umsetzung des Kosten-Leistungs-Modells von Kienbaum kümmern soll. Dabei stellte sich heraus, daß auf der obersten Ebenen, nämlich der des Berliner Senats, bei der Entscheidung, wie die Mittel unter den drei Berliner Universitäten und den Fachhochschulen verteilt werden sollen, ganz andere Kriterien, als die von Kienbaum vorgeschlagenen, zur Anwendung kommen sollen. Man fragt sich, wofür Kienbaum überhaupt bezahlt wurde. Es soll zum Beispiel nicht mehr unter anderem die Menge an Publikationen berücksichtigt werden, sondern der Betrag der eingeworbenen Drittmittel. Es ist dann die Frage, ob diese obersten Kriterien auch innerhalb der Freien Universität bei der Verteilung zwischen den Fachbereichen und dann innerhalb der Fachbereiche durchgesetzt werden sollen.

DEFO: Sind Sie nicht durch die Kriterien der Gesamtuniversität gebunden?

Rottleuthner: Noch nicht. Es wird sicher ein Konfliktpunkt werden, inwieweit das Präsidium in der Lage ist, die von oben gesetzten Kriterien an den Fachbereichen durchzusetzen. Bei uns am Fachbereich wird nicht nur nach Leistung, sondern auch nach Belastung verteilt. Es gibt eben nicht nur Leistungsträger sondern auch Leidensträger. Zum Beispiel wird die Tätigkeit in der Selbstverwaltung berücksichtigt, die bei Kienbaum überhaupt nicht vorkommt. Das größte Problem, das für unseren Fachbereich entstehen wird, ist, wie der Etat der Bibliothek berücksichtigt werden kann. Bibliotheken sind nach Kienbaum keine Leistungsträger. Etatmäßig müssen die Bibliotheken also über die Grundausstattung versorgt werden. Das wird in unserem Fall besondere Probleme bereiten - was inzwischen auch an der Universitätsspitze bekannt sein soll. Die Bibliothekssituation der Juristen unterscheidet sich deutlich von anderen Fachbereichen. Ich glaube, es gibt kein Studium, das dermaßen stark ein Lesestudium ist, in dem es so stark auf das permanente Lesen von aktuellen Texten ankommt. Das sieht man auch an den Öffnungszeiten. Unsere Bibliothek hat 74 Stunden in der Woche geöffnet. Ich weiß nicht, ob eine andere Bibliothek das sonst hier erreicht. Das Dekanat wird sich sehr stark dafür machen, dass die Position der Bibliothek nicht unter diesen Leistungsgesichtspunkten leidet.

DEFO: Wird die Mittelverteilung nach Leistung den Fachbereich verändern?

Rottleuthner: In gewisser Weise ja. Es wird Kollegen geben, die dieses Spiel nicht mitmachen, manche werden es mehr oder weniger missmutig mitmachen und vielleicht wird es auch welche geben, die begeistert ihre Meldezettel ausfüllen werden.

DEFO: Was bedeutet nicht mitmachen?

Rottleuthner: Die Kollegen melden ihre Leistung nicht an und leben sozusagen auf dem Existenzminimum als akademische Sozialhilfeempfänger. Das wäre der Status der dann übrig bleibt. Sie wollen die Leistungskriterien aus prinzipiellen Gründen nicht akzeptieren, was ich sehr gut nachvollziehen kann.

DEFO: Warum?

Rottleuthner: Das neue Verteilungsmodell bringt einen Gesichtspunkt in die akademische Landschaft hinein, unter dem man eigentlich nicht angetreten ist. Hochschullehrer ist man ja nicht geworden, weil man dabei viel Geld verdient. Das wäre heutzutage auch eine völlig verfehlte Karriere. Dazu müsste man in die Anwaltschaft oder die Wirtschaft gehen. Wer wirklich leistungsgerecht bezahlt werden möchte, der hat an der Universität nichts verloren. Zum Beruf des Hochschullehrers gehört eine starke intrinsische Motivation. Leistung ist eine Selbstverständlichkeit, die erbracht wird. Man sollte nicht besondere Anreize dafür brauchen, um den eigenen Ansprüchen - die dabei im Mittelpunkt stehen - gerecht zu werden. Kienbaum moniert zum Beispiel, dass Professorinnen und Professoren individuelle Interessen in Forschung und Lehre verfolgen. Das zeigt, dass sie nicht kapiert haben, wie Motivation in einer Hochschule funktioniert.

DEFO: Könnte es auch Effekte geben, die Sie begrüßen würden?

Rottleuthner: Eine stärkere Transparenz, was hier alles gemacht wird, wie durch den internen Evaluationsbericht. Das muss aber nicht an positive oder negative Konsequenzen geknüpft sein. Die zweite Sache ist sicherlich, dass die Verteilung der Mittel transparenter wird. Ich habe in meiner Stellungnahme zu dem Kienbaum-Gutachten betont, dass es um eine gerechte Verteilung von Leistungsmitteln geht. Als Gerechtigkeitsprinzip gilt eben nicht bloß das Leistungsprinzip, sondern auch das Bedürfnisprinzip, es gibt so etwas wie formale Gleichheit und alle möglichen anderen Gerechtigkeitsprinzipien, von denen sich diese Unternehmensberater verabschiedet haben. Für sie steht nur noch Effizienz im Vordergrund, während ich, von meiner rechtsphilosophischen Warte her, den alteuropäischen Begriff der Gerechtigkeit ins Spiel bringen würde. Durch eine an expliziten Kriterien orientierte Mittelverteilung könnten die Mauscheleien eingeschränkt werden: Wer steht mit dem Dekanat am besten, wenn es um die nächste Stelle oder den nächsten Computer geht. Das lässt sich sehr stark reduzieren. Das schützt aber auch nicht davor, dass Kollegen außerhalb der Leistungsmittelvergabe den direkten Draht zum Präsidium suchen, um dort ihren ganz speziellen Bedarf anzumelden.

DEFO: Herr Rottleuthner, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Mit Professor Dr. Hubert Rottleuthner sprach Florian Schierle.

(erschienen im DEFO-Info Nr. 43 vom SS 2001)



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