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[Artgerechte Tierhaltung]

Ist die Kuh gesund, freut sich der Mensch.

Nutztierhaltung ist spätestens seit dem BSE-Skandal in Verruf gekommen. Mittlerweile malen sich die Verbraucher die Haltungs- und Produktionsbedingungen der Tiere in den düstersten Farben aus. Gleichzeitig sind sie jedoch auf preiswerte Lebensmittel angewiesen und kaufen nur noch mit schlechtem Gewissen Fleisch im Supermarkt. Ein Forscherteam an der Freien Universität will nun objektive Maßstäbe und praxisnahe Alternativen für eine gesunde, artgerechte Tierhaltung erarbeiten. Vier veterinärmedizinische Institute der FU kombinieren in Zusammenarbeit mit der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz erstmals praktische Versuche mit bioethischen Analysen. Das auf sechs Jahre angelegte Versuchsvorhaben wird von einer privaten Nachlassstiftung mit 2.7 Mio. Euro unterstützt und ist nach Angaben des Projekt-Sprechers, Prof. Dr. Holger Martens vom Institut für Veterinär-Physiologie, in Umfang und Zielsetzung bundesweit einzigartig. An den Untersuchungen beteiligt sich neben Tierphysiologen und -pathologen, Geflügel- und Ernährungsforscher auch eine bioethische Arbeitsgruppe. In der Praxis, betont Prof. Martens, werfen die Gefahren gesundheitlicher Überforderung von Nutztieren heute weit größere Tierschutzprobleme auf als die breit diskutierte Versuchstierhaltung. Bisher bedürfe es immer erst einer Bedrohung der menschlichen Gesundheit durch Tierfutter-, Antibiotika- und Salmonellen-Skandale, um die Öffentlichkeit und den Gesetzgeber auf verfehlte Produktionspraktiken aufmerksam zu machen. Dabei zeige sich bereits seit vielen Jahren die Gefahr, in Zucht und Mast natürliche Leistungsgrenzen der Nutztiere zu überschreiten. Daraus könnten Leiden und Krankheiten entstehen, auch wenn die Tiere unter rechtmäßigen, scheinbar befriedigenden Bedingungen gehalten und gefüttert werden. Martens weist darauf hin, dass das deutsche Tierschutzrecht die Grenze der Belastbarkeit erst bei der sogenannten „Qualzucht“ zieht. Der neue § 11 b des Tierschutzgesetzes verbietet seit 1999 alle Zucht- und Genmanipulationen, die Tierleiden durch Missbildungen oder Verhaltensstörungen erwarten lassen. Diese Vorschrift wurde auf europäischer Ebene von Veterinären mit angeregt. Gesundheitliche Überforderungen unterhalb dieser Schwelle wurden aber in der Öffentlichkeit – auch unter Fachleuten – bisher kaum diskutiert. Die Berliner Tierärzte erhoffen sich nun von der medizinischen Fundierung ethischer Argumente einen weiteren pragmatischen Beitrag zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere.

Stephan Brunner

Foto: Visipix


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