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[Trendwende: Zahl der Berufungen von Professorinnen an der FU ist rückläufig]

Noch nie hatten Frauen in Deutschland so gute Aussichten wie am Anfang des 21. Jahrhunderts, Professorin zu werden. Der anstehende Generationenwechsel gibt Grund zur Hoffnung: An der Freien Universität werden bis zum Jahr 2005 etwa 50 % der Professuren neu besetzt. Doch werden die Wissenschaftlerinnen diese historische Chance auch nutzen können? Der Blick auf die aktuelle Berufungsstatistik ernüchtert. Selbst an der als frauenfreundlich geltenden Freien Universität folgte einem deutlichen Aufwärtstrend bei Neuberufungen eine gegenläufige Entwicklung: Lag der Frauenanteil hier noch in der ersten Hälfte der 90er Jahre bei 21 % (von 132 Berufungen), fiel er von 1996 bis 2000 auf 12,5% zurück (von 88 Berufungen) – ohne die zeitlich befristeten Frauenforschungsprofessuren sind es sogar nur knapp 10%. Die Freie Universität ist damit noch ein Stück weit vom Ziel der Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn entfernt, bis 2005 einen Professorinnenanteil von 20 % zu erreichen.

„Die Frauen kommen nicht hoch“, sagt Isabella Heuser. Sie hat gerade als erste Frau in Deutschland an der Freien Universität einen C4-Lehrstuhl in der Männerdomäne Psychiatrie erobert. Erst kürzlich nahm in München die erste Frau diese Hürde in der Gynäkologie. In der Medizin liegt die Messlatte zur Habilitation besonders hoch, obwohl längst über 50% der Studierenden und – in den klassisch-konservativen Fächern – auch über 50 % der Assistentinnen Frauen sind. Aber nur 17 von 742 C4-Professuren sind mit Frauen besetzt.

Weiblicher Nachwuchs fehlt nicht

An weiblichem Nachwuchs mangelt es nicht. Mittlerweile habilitieren viel mehr Frauen als noch in den 80er Jahren. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre waren es an der Freien Universität in den Geistes- und Sozialwissenschaften durchschnittlich 25 %, in den Naturwissenschaften immerhin im Mittel 8%. Die höchste Hürde der Laufbahn jedoch, den Sprung von der Habilitation zur Berufung als Professorin, schaffen Frauen nur vereinzelt. Aus Berufungskommissionen bekommt Mechthild Koreuber, zentrale Frauenbeauftragte der Freien Universität, immer wieder zu hören, dass „sich keine passende Frau“ fände.

Koreuber hat einen Maßnahmenkatalog 'Berufungen' entwickelt: darunter regelmäßige Gespräche mit den dezentralen Frauenbeauftragten, die in den Fachbereichen an den Berufungsvorgängen beteiligt sind und ein Weiterbildungsseminar, das den Kolleginnen wesentliche Inputs für diese Aufgabe vermittelt. Bei der gezielten Suche nach Kandidatinnen liefert die in der ZE Frauen- und Geschlechterforschung der Freien Universität angesiedelte Habilitandinnendatenbank wichtige Unterstützung.

Die Notwendigkeit dieser Maßnahmen zeigt ein grundsätzliches Problem: Es fehlt den Wissenschaftlerinnen an Netzwerken. „Nur ganz wenige sind im Deutschen Akademikerinnenbund, aber viele Männer sind in Rothary Clubs“, bedauert die Medizinerin Heuser. Ein guter Ansatz ist das vom Koreuber-Büro organisierte „Habilnetzwerk“ für den Erfahrungsaustausch unter FU-Habilitandinnen.

Männliche Normen und Netzwerke

Als staatlich finanzierte Einrichtungen haben Hochschulen eine besondere Verpflichtung für die Umsetzung des Verfassungsgrundsatzes der Gleichstellung von Frauen und Männern. Diese gilt es gegenüber einer eingespielten Scientific Community mit ihren eigenen Riten von Zugehörigkeit und Ausschluss durchzusetzen. Dass „Organisations- und Karrieremuster, Regeln, Standards und Riten in der Welt der Wissenschaft sich immer noch weitgehend an männlichen Normen und Netzwerken orientieren“, sieht auch Karl Einhäupl, Vorsitzender des Wissenschaftsrats. Er setzt auf die zwingende Verbindung der Hochschulreform mit dem „Leitprinzip“ Chancengleichheit, das in die Leistungs- und Zielvereinbarungen der Hochschulen integriert werden muss.

Hier hat die Freie Universität einen Vorsprung vor anderen Hochschulen. Seit 1999 führt die Freie Universität als erste deutsche Hochschule flächendeckend Zielvereinbarungsgespräche mit den Fachbereichen (ohne Humanmedizin). Hier werden auch Maßnahmen zur Gleichstellung verabredet. Angestrebt wird ein deutlicher Anstieg des Frauenanteils bei Neueinstellungen im Mittelbau, bei Promotionen in Fachbereichen, in denen ihr Anteil derzeit unter 30 % liegt und bei Habilitationen von Nachwuchswissenschaftlerinnen. Auch der deutliche Hinweis, bei der Wiederbesetzung von Professuren den Frauenanteil zu erhöhen, fehlt nicht.

All das geht nach Meinung von Prof. Dieter Lenzen, Erster Vizepräsident der FU, nur mit „mehr Zwang“. Druck von außen erhöht die Chancen auf Chancengleichheit: Die Hochschulverträge, denen noch das Abgeordnetenhaus zustimmen muss, könnten dazu beitragen. Ihr Ziel ist es, bis zum Jahr 2005 „den Anteil der Frauen innerhalb der einzelnen Qualifikationsstufen denen der jeweiligen vorangegangenen anzupassen“. Diese Vorgabe ist budgetwirksam. Damit ist Wettbewerb unter den Berliner Hochschulen angesagt. Lenzen: „Die ökonomischen Folgen können für jede einzelne Hochschule und dann auch für jeden Fachbereich beträchtlich sein.“ Als nächster Schritt ist vorgesehen, die Gleichstellungsziele der Freien Universität soweit zu operationalisieren, dass sie in der nächsten Finanzierungsperiode bis 2005 statistisch erfassbar sind. Um hier messbare Erfolge zu verbuchen, ist es laut Lenzen sinnvoll, „dass die Dekanate mit den dezentralen Frauenbeauftragten Verfahren und Konzepte entwickeln, die die gleichstellungsbezogenen Ziele der Hochschulverträge für das jeweilige Fach“ verfolgen.

Dass die Freie Universität trotz laufender Zielvereinbarungen noch keine wesentlichen Erfolge in der Gleichstellung zu verbuchen hat, hat auch zeitliche Gründe. „Zielvereinbarungen wirken in der Regel über drei bis fünf Jahre“, sagt Lenzen. Außerdem müssen die Fachbereiche und Zentralinstitute mitziehen. Lenzen appelliert an ihre besondere Rolle: bei der Entwicklung von Einstellungs- und Berufungsvorschlägen, bei der verstärkten Einbeziehung von Wissenschaftlerinnen in das Forschungsgeschehen und nicht zuletzt bei der Begeisterung junger Frauen für eine wissenschaftliche Laufbahn.

Das Netz an Gleichstellungsmaßnahmen und -zielen wird immer dichter, FU-intern bis bundesweit: Das zur Zeit diskutierte Leitbild der Freien Universität enthält den Gleichstellungsauftrag. Die leistungsinterne Mittelvergabe an der Freien Universität berücksichtigt das Kriterium Gleichstellung. Das FU-Kuratorium hat die Steigerung des Frauenanteils als Eckpunkt in das Berufungsprogramm aufgenommen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung startet in diesem Jahr ein kompaktes Maßnahmenpaket: Dazu gehören die Förderprogramme für Nachwuchswissenschaftlerinnen „Anstoß zum Aufstieg“ und „Chancengleichheit für Frauen in der Wissenschaft“, die Einführung der Junior-Professur, die vor allem Frauen eine frühzeitige Chance für eine eigenständige Lehre und Forschung geben soll und die Ausschreibung des Total E-Quality Science Award. Für dieses Prädikat, das bislang ausschließlich in der Wirtschaft verliehen wurde, können sich jetzt auch Hochschulen mit Erfolgen in der Gleichstellung bewerben, die Freie Universität will mitmachen.

Maßnahmen wie der Total E-Quality Science Award haben einen wesentlichen Effekt: Sie verbinden Reputation mit Erfolgen in der Gleichstellung. Zusammen mit finanziellen Einbußen ist das das wirksamste Mittel für eine Bewusstseinsveränderung in den Köpfen der Verantwortlichen. Die Erfahrungen aus den USA, wo es Sanktionen in Verbindung mit „Affirmative-Action-Programmen“ gegeben hat, sprechen für sich. Der Frauenanteil in Führungspositionen beträgt in den Vereinigten Staaten 46 %, Deutschland liegt mit 11 % weit hinter dem internationalen Durchschnitt.

Nicht zuletzt entscheidet der Faktor Zeit darüber, ob Frauen verstärkt ganz oben in der Hochschulhierarchie ankommen. Das für den Generationenwechsel günstige Zeitfenster steht nur bis zum Jahr 2005 offen. Bleibt zu hoffen, dass die Weichen bis dahin im Sinne von Christine Nüsslein-Volhard gestellt sind. Die Nobelpreisträgerin sagt: „Nichts ist so entscheidend für den Anstieg des Frauenanteils wie dieser selbst.“

Felicitas Wlodyga

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