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[Ausgabe 7-2001]
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[Welche Erwartungen hat die FU an die künftige Berliner Hochschulpolitik]

Mit Wolfgang Fritz Haug verlässt einer der produktivsten Professoren die Freie Universität Berlin. Er gehört zu einer Generation von Professoren, die durch die enge Verbindung ihrer Forschung mit Gesellschafts- und Wissenschaftskritik über Jahrzehnte das Profil der Freien Universität prägten. Das Wort „Freiheit“, namensgebend für die Freie Universität, erlangte dadurch eine emanzipatorische Bedeutung, die das verengte Freiheitsverständnis des Kalten Krieges weit überschritt.

Geboren 1936 in Esslingen, studierte Haug zuerst Französische Literatur und Anthropologie in Tübingen, von 1956 bis 1963 schließlich Philosophie, Romanistik und Religionswissenschaft, zeitweilig auch Theaterwissenschaft an der Freien Universität. Noch als Student gründete er die Zeitschrift „Das Argument“, die bis heute zu den maßgeblichen Zeitschriften kritischer Sozialwissenschaft und Philosophie gehört.

Der Untergang des Staatssozialismus sowie die Durchsetzung des Neoliberalismus stellten neue Herausforderungen für marxistisches Denken dar, mit denen Haug sich in einer Vielzahl von Veröffentlichungen auseinandergesetzt hat. Von besonderer Bedeutung wurde für ihn der italienische Kommunist Antonio Gramsci, der im faschistischen Gefängnis unter Benito Mussolini eines der zentralen Werke der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts schrieb. Diese „Gefängnishefte“ gibt Haug als Leiter des „Deutschen Gramsci-Projekts“ seit 1991 erstmals vollständig in deutscher Übersetzung heraus. Sein zweites großes und international beachtetes Großprojekt als Herausgeber ist das des „Historisch-kritischen Wörterbuchs des Marxismus“. Dieses Wörterbuch, das seit 1994 erscheint und auf 15 Bände angelegt ist, führt über 800 Wissenschaftler/innen aus allen Kontinenten zusammen. In 1500 Stichwortartikeln werden die im Anschluss an Marx entwickelten Denkmittel sondiert, nicht zuletzt in Hinsicht auf die Haltbarkeit für eine zukunftsfähige Theorie und Politik, die auf die Überwindung von Herrschaft und Ausbeutung zielt.

Wie Haugs Berufung 1979 an die Freie Universität ohne Studentenbewegung nicht möglich gewesen wäre, so war auch seine Abschiedsvorlesung „Zum Kritikbegriff marxistischen Denkens“ von engagierten Studentinnen und Studenten des AStA organisiert. Zu hoffen ist, dass dieser Impuls kritischer Wissenschaft trotz Wolfgang Haugs Weggang an der Freien Universität lebendig bleibt.

Susanne Lettow

Die Autorin ist z.Zt. an der Universität Frankfurt/M. tätig und war langjährige Schülerin von Prof. Haug.

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