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Überdüngung, Bakterien- und Pestizideintrag

Auch wenn nicht alle in Riffareale geleiteten Wässer mit Schwebstoffpartikeln überfrachtet sind, sind gerade in urbanen und industriellen, aber auch in landwirtschaftlichen Gebieten die Einleitungen mit anderen Problemstoffen belastet. Überdüngung und Pestizide finden sich allenthalben. Zuckerrohrfabriken, die ihre nährstoffreichen Abwässer in die Meere leiten, überdüngte und mit Insektiziden belastete Felder und Weiden, die Flüsse und das ins Meer gelangende Grundwasser belasten; menschliche und tierische Fäkalien urbaner Kanalisationen, die ungeklärt ins Meer gelangen; bakterienüberlastete Abwässer aus Krankenhäusern in Entwicklungsländern; die Liste ließe sich beliebig verlängern. Korallenriffe haben ja gerade deshalb ihr komplexes, auf Einsatz von Sonnenergie und Nährstofffrückgewinnung ausgelegtes System entwickelt, da sie sich in extrem nährstoffarme Bereiche vorgewagt haben; diese Rückkehr ist durch die Evolution festgeschrieben und unumkehrbar; Riffe sind also von geringen Nährstoffkonzentrationen abhängig. Zu hohe Nährstoffe fördern den Wuchs von Weichalgen, die die Korallen überwuchern (Taf. 2/5), aber auch Planktonblüten. Das im Übermaß auftretende Plankton produziert häufig sogar hohe Dosen von Giftstoffen, die von Fischen aufgenommen werden und beim Menschen die berüchtigten Fischvergiftungen auslösen. Zugeführte Bakterien können manchen Rifforganismen wohl auch direkt schädlich werden, auch wenn dazu noch zu wenige Untersuchungen vorliegen.

Taf. 2/5: Von Weichalgen überwucherte Geweihkorallen. Ursache ist eine durch Abwassereintrag verursachte Überdüngung in Verbindung mit starker Überfischung herbivorer Fische.

Die bei massiven Korallen weitverbreitete Schwarzbandkrankheit (Taf. 3/8) ist eine bakterielle Infektion. Ob sie natürlich oder - worauf die vorhandenen Daten weisen - bevorzugt in bereits vorgeschädigten Riffen vorkommt, läßt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Pestizideintrag aus der Landwirtschaft (etwa aus Bananenplantagen) und von den Touristenressorts, aber auch durch Versprühen gegen Moskitos schädigt die Riffe ebenfalls.

Taf.3/8: Die Schwarzbandkrankheit ist eine natürliche, bakterielle Krankheit, die jedoch gehäuft in vorgeschädigten Riffen auftritt.

 

Auch über die Ursachen der Dornenkronenepidemien ist noch nicht alles bekannt. Die Dornenkrone ist ein im Pazifik beheimateter Seestern, der massenhaft auftreten kann und dann ganze Riffareale abweidet. Es hat den Anschein, als ob derartige Epidemien auch natürlich vorkommen können. Da sich der Seestern dabei jedoch seiner eigenen Nahrung beraubt, verschwindet er nach Abweidung eines Riffareals, und die Riffe können beginnen, sich zu erholen. Die Seesternlarven sind jedoch resistenter gegenüber Überdüngung als die Korallenlarven, so daß es wahrscheinlich in den besonders verwüsteten Gebieten, wie in Teilen des Großen Barriereriffs doch zu menschengemachten Verschiebungen dieses Gleichgewichtes gekommen ist, zumal zusätzlich ein wichtiger Feind des Seesterns, die Tritonshornschnecke zu Souvenirzwecken fast vollständig abgesammelt wurde.

Heutige Riffe als Steinbrüche

Riffanrainerstaaten zeichnen sich oft durch einen Mangel an Kalksteinen aus. Dies hängt mit ihrer meist jungen geologischen Entwicklungsgeschichte zusammen. Die andernorts weit verbreiteten kalkigen Schelfgesteine des Erdaltertums und des Erdmittelalters sind auf den Südkontinenten sowie in Inselbereichen meist nicht vorhanden. Moderne Riffe werden deshalb oft zu industriellen Zwecken als Baumaterial und zur Zementherstellung abgebaut. Den Autoren sind aus eigener Untersuchung Riffe bekannt, die wegen Schädigung durch Abwässer, menschgemachtem Schwebstoffeintrag und 'wildem' Tourismus die Bezeichnung Korallenriff nicht mehr verdienen. Solange sie jedoch noch allgemein als Korallenriffe bekannt sind, dürfen sie nicht zu Zementzwecken abgebaut werden, anderenfalls wäre die ganze Region, also auch noch die etwas besser erhaltenen Riffe mit gewissen Chancen der Erholung dem Abbau preisgegeben (siehe Taf. 3/3).

 

Probleme durch Fischfang und Fischzucht

In flachen Rifflagunen werden häufig in großem Maßstab Fische und Schalentiere gezüchtet. Dazu werden enorme Mengen von Futter und Dünger eingebracht. Auch hierdurch, sowie durch die Exkremente der Massenzucht werden die Lagunen überdüngt. Überdüngte Wässer, die von der Lagune über das Riff abfließen, bringen die Riffe wiederum in Gefahr. Zur Zucht von Langusten und Tigergarnelen werden vor allem Mangroven abgeholzt, obwohl die Zuchtbecken bereits nach einigen Jahren durch Fäkalien verseucht und unbrauchbar werden. Das Abholzen der Mangroven erhöht nicht nur den Sedimenteintrag, sondern läßt auch viele Nährstoffe ins Meer gelangen, zusätzlich erhöht sich der Nährstoffeintrag durch die Einbringung enormer Mengen von Fischmehl zu Futterzwecken in die Garnelenzuchtanlagen: Intakte Mangroven können auf natürliche Weise einen großen Teil der Nährstoffe, die ins Meer gelangen, nutzen und so das Meer und seine Riffe vor Überdüngung schützen (siehe Taf. 2/3).

 

Nicht nur die Riffe selbst werden häufig systematisch überfischt, sondern gerade auch die Regionen um das Riff herum. Schleppnetzfischerei in Lagune und Vorriff wirbelt enorme Mengen an Sedimentmaterial auf, wiederum eine große Gefahr für die darauf empfindlich reagierenden Rifforganismen (Taf. 2/8).

Taf.2/8: Schleppnetzfischerei in Riffnähe. Der überwiegende Anteil des gefischten Materials besteht hier aus Schwämmen und ist für die Ernährung unbrauchbar. Die Riffe werden dadurch jedoch nachhaltig geschädigt.

 

Dynamitfischerei (Taf. 2/7) ist enorm weit verbreitet und tötet nicht nur mehr Fische, als dann tatsächlich noch eßbar sind - die toten Fische werden einfach eingesammelt, viele sind aber vollständig zerfetzt -, sie tötet auch unverzehrbare Rifforganismen und beschädigt durch die Detonation sogar das Riff selbst. Um lebenden Frischfisch sowie Aquarienfische zu fangen, werden Fische mit Giften, wie Cyanid betäubt, viele sterben direkt oder später daran, und die Riffareale, die täglich ihre Dosis abbekommen, sterben vollständig ab. Derzeit werden allein in den Philippinen jährlich mindestens 150.000 Kilogramm Blausäure in die Riffe gekippt. Lebender Fisch wird von südostasiatischen Restaurants zu Preisen von bis zu 100 US$ pro Kilo abgenommen; ein großer lebender Riffisch brachte kürzlich beim Verkauf an ein Hongkonger Restaurant einen Preis von 10.000 US$.


Taf. 2/7: Trügerische Idylle: Dieser Fischer trägt Zeichen der typischen Berufskrankheit von Dynamitfischern: Es fehlt ihm ein Teil seines rechten Armes. Dynamitfischerei ist ähnlich wie Zyankalifischerei nach wie vor sehr weit verbreitet. Beide können nur durch Einrichtung alternativer Einkommensmöglichkeiten abgeschafft werden.

Das Hauptproblem stellt die enorme Gesamtüberfischung dar. Viele Riffische sind ganz typische Schwarmfische oder versammeln sich an bestimmten Stellen, um abzulaichen. Die Fischschwärme werden mit Satelliten überwacht, um dann katastrophalen Raubbau zu betreiben. Viele Wissenschaftler meinen, daß die anderen Probleme, die Riffe haben, fast irrelevant sind angesichts einer derartigen Überfischung, die den Riffen als erstes den Todesstoß versetzen kann. In vielen Riffen fehlen bereits die wichtigen weichalgenabweidenden Riffische und die Weichalgen breiten sich auch ohne Überdüngung auf Kosten der Korallen aus und bringen diese zum Absterben.

 


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