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Angriff auf die Riffe: Unter Wasser sieht's ja keiner!

Riffe sind im wesentlichen stabile Systeme, wir diskutierten dies gerade. Innerhalb von definierten Rahmenbedingungen lassen sie sich nicht so schnell aus dem Gleichgewicht bringen. Auch bedrohliche Ereignisse, wie Krankheitsepidemien oder Schäden durch tropische Wirbelstürme stecken sie schnell weg, sofern ansonsten die Bedingungen günstig sind bzw. bleiben. Dauerstreß durch den Menschen bedroht die Riffe aber zunehmend und manövriert sie an den Rand ihrer Überlebensmöglichkeiten. Oft genügt dann nur ein kleines Ereignis, um das System unwiderruflich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Tote, kahle oder veralgte Riffe statt einem faszinierenden Farbenrausch unter Wasser und katastrophale Auswirkungen für die Menschheit (siehe vorhergehendes Kapitel) sind die Folge.

Nicht nur hinsichtlich ihrer Faszination, ihrer Artenvielfalt und ihrer ausgeklügelten ökologischen Beziehungen sind Regenwälder und Korallenriffe vergleichbar, sondern leider auch hinsichtlich des Ausmaßes ihrer Schädigungen. Riffe haben jedoch das zusätzliche Problem, daß ihr Gesundheitszustand nicht wie etwa bei Regenwäldern ohne weiteres vom All aus mit Satelliten zu erfassen ist; die Schädigungen liegen unter Wasser und sind nicht so leicht zugänglich, allseits publizierte Riffbilder stammen aus überwiegend gesunden Riffen und halten weiterhin ein Heilewelt-Bild aufrecht, und die Bedeutung von Riffen für den Menschen ist weit weniger bekannt als die Bedeutung des Regenwaldes.

Nach bisherigen ernstzunehmenden Schätzungen sind bereits 10% aller Riffe so beschädigt, daß sie sich wohl nicht wieder erholen können. Weitere 30% sind im kritischen Zustand und sterben voraussichtlich in den nächsten 10 bis 20 Jahren. Zusätzliche 30% halten es vielleicht noch bis ins Jahr 2050 aus.

Im Jahr 1997 wurde anläßlich des Internationalen Jahr des Riffes die weltweite "ReefCheck"-Aktion durchgeführt, bei der über Hundert Riffwissenschaftler in Zusammenarbeit mit 750 freiwilligen Sporttauchern in 30 Ländern über 300 Riffe auf ihren Zustand untersuchten. Deutsche und schweizerische Riffwissenschaftler und Sporttaucher waren im Rahmen von ReefCheck übrigens für das Rote Meer und die Malediven zuständig. Die Untersuchungen geschahen weltweit überwiegend gleichzeitig und mit der gleichen Methodik, so daß zum ersten Mal vergleichbare Zahlen vorliegen. Insbesondere sollte der mögliche Einfluß des Menschen auf die Riffe bewertet werden. Aus diesem Grund wurde das Vorhandensein von Indikatorarten besonders genau dokumentiert. Unter vielen anderen wurde z.B. auf folgende Gruppen besonders geachtet: Häufigkeit der majestätischen Napoleonsfische im indopazifischen Bereich als Maß für den Einfluß der Cyanidfischerei (s.u.); Häufigkeit von Langusten und Riesenmuscheln als Maß für übermäßige Nutzung der Schalen- und Weichtiere, Dichte des Korallenbewuchses u.s.w. Die zum Zeitpunkt der Drucklegung vorliegenden (auf der Auswertung von 230 Riffen basierenden) Daten sind erschreckend. Insgesamt wurden nur 26 Napoleonsfische gesehen, in 85% aller indopazifischen Riffe (- nur dort können sie vorkommen -) wurde kein einziger gesehen. In 81% aller Riffe wurden auf der speziell ausgewählten Testfläche (- etwas größer als ein Fußballfeld) überhaupt keine Langusten beobachtet; Bestände von mehr als 10 wären für eine derartige Fläche normal. Auf der gleichen Testfläche lebten im Schnitt 17 Riesenmuscheln. Eine Idee, wie natürliche Populationen ausgesehen haben mögen, geben die Zahlen von 150-250 Riesenmuscheln pro Beobachtungsfläche an einigen geschützten Stellen in Australien und im Roten Meer. Und vielleicht das Erschreckendste: in 99% aller Riffe fanden sich negative Spuren menschlichen Handelns! (Quelle: Presseverlautbarung der Dachorganisation von ReefCheck-International, Hongkong 16.Okt.97).

Wie sagte der bekannte Riffbiologe Jeremy Jackson von der Smithsonian Tropical Research Institution in Panama in einem Interview mit der TIME (Oktober 96): 'Früher war ich keiner von denen, die vorhersagten, daß der Himmel auf uns herunterfällt. Heute denke ich anders. Wenn ich heute in einem Riff in Panama schwimme, weine ich!' Nicht nur, damit wir unseren Enkeln noch die faszinierende Welt der Riffe zeigen können, nicht nur, um dieses komplexe Ökosystem zu erhalten, sondern insbesondere auch, um uns zu schützen, müssen wir alle dazu beitragen, Riffe zu erhalten. Beleuchten wir die Gefährdung der Riffe dazu näher:

 

Gefahren durch zunehmende Besiedlung bzw. "Kultivierung" von Küsten mit vorgelagerten Riffen

Taf.2/1: Intensive Besiedlung, wie hier durch die Großstadt direkt in einem Riffgebiet, birgt große Gefahren für Riffe, wenn Schadstoffe ungefiltert in die Riffregionen abgelassen werden. Diese Stadt ist sich hoffentlich bewußt, daß sie ihren Schutz vor tropischen Sturmwellen nur den Riffen zu verdanken hat, die sich durch die Schaumkrone gebrochener Wellen im Hintergrund abzeichnen.

 

Das Problem des Schwebstoffeintrags

Bautätigkeit im Küstenbereich kann zu starkem Schwebstoffeintrag ins küstennahe Wasser führen. Häufig werden direkt im flachen Küstenwasser Schiffsdurchlässe, Flughäfen oder ganze Siedlungen gebaut (Taf. 2/1, 2), was zu schädlichem Aufwirbeln von Sedimentpartikeln führt.

Taf.2/2: Große Mengen schädlichen Schlicks werden durch Baumaßnahmen an Küsten in die Riffregionen verbracht. Dabei ist Schutz oft einfach und nicht teuer. Diese Schwimmkörperkette hält den aufgewühlten Schlick direkt an der Küstenbaustelle zurück und darf erst wieder abgenommen werden, wenn sich die feinen Schwebteile (oft erst nach Wochen und Monaten) wieder abgesetzt haben.

 

Küstennahe Straßen, die oft nicht einmal mit Teer befestigt werden, fördern gerade im tropischen Bereich mit seinen vielen Regenfällen die Bodenabtragung und Abwaschung in Küstengewässer. In gewaltigem Umfang werden die Küstenmangroven zu Siedlungszwecken, aber auch zur Fischzucht (siehe unten) abgeholzt (Taf. 2/3). Die Küsten werden damit eines natürlichen Sedimentpartikelfilters beraubt und erhöhter Schwebstoffeintrag ist die Folge.

 

Taf. 2/3: Mangroven an tropischen Küsten fangen viel von Flüssen eingetragenen Schlick ab und verhindern zudem zu hohe Nährstoffgehalte im Riff. Die weitverbreitete Abholzung dieser einzigartigen Küstenwälder zu Siedlungszwecken, aber auch zur Anlage von Fisch- und Garnelenzuchtbecken schädigt damit auch die Riffe.

 

Erhöhter Schwebstoffeintrag kann aber auch durch küstenferne Bau- und Kultivierungsmaßnahmen verursacht werden: Flußbegradigungen führen dazu, daß fruchtbarer Schlick nicht mehr in Überflutungsebenen abgesetzt wird, sondern in Küstengewässer gelangt. Regenwaldabholzung im Hinterland führt ebenfalls zu enorm starker Bodenabwaschung; auch dieses Material gelangt durch Flüsse wieder ins Meer und schädigt dort die küstennah wachsenden Riffe (Taf. 2/4, 6).

Taf.2/4: Selbst die weit im Hinterland stattfindende Abholzung von Regenwäldern schädigt Riffe. Tropische Regenfälle waschen den Boden ab; dieses Material gelangt mit den Flüssen in die Küstenregionen, wo es Riffe zum Absterben bringt. Das Bild zeigt den Austritt schlammbeladenen Wassers in Riffgebiete an an einer Flußmündung.

 

Taf. 2/6: Absatz von Schlickmaterial auf einem Riff. Das Riff ist unrettbar verloren, Korallenlarven können sich auch nach eventueller Besserung der Verhältnisse auf dem weichen Material nicht wieder ansiedeln.

 

 

Nicht nur, wenn die Rifforganismen von absinkenden Schwebstoffen förmlich zugeschüttet werden, stirbt das Riff; die Probleme fangen bereits viel früher an. Tonpartikel schweben bis zu einem Jahr im Wasser und haben während dieser ganzen Zeit schädigenden Einfluß. Die Wassertrübung nimmt zu und die lichtabhängigen Riffkorallen und andere Rifforganismen bekommen zu wenig Licht. Der Nährstoffeintrag erhöht sich durch an den Partikeln hängendes organisches Material sowie durch Nährsalzeintrag ebenfalls, was die Weichalgen zu stark bevorzugt, die die Riffkorallen überwuchern können. Auch zu Sauerstoffproblemen kann es durch schlechtere Löslichkeit und den Algenwildwuchs kommen. Selbst wenn sich viele Korallen von abgesunkenen Partikeln reinigen können, erfordert dies einen enormen Energieaufwand, der für das notwendige rasche Wachstum dann nicht zur Verfügung steht.

 


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