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Ein Beitrag zum Internationalen Jahr des Riffes

Der Mensch und die Riffe:

Bedeutung, Gefährdung, Schutzmaßnahmen




von Reinhold Leinfelder, München, und Franz Brümmer, Stuttgart
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Bedeutung von Riffen | Angriff auf die Riffe | Ein Ausweg aus dem Dilemma?

 



DIE BEDEUTUNG VON RIFFEN FÜR DEN MENSCHEN

Unsere faszinierenden heutigen Korallenriffe stellen nach dem tropischen Regenwald das Ökosystem mit den meisten Tier- und Pflanzenarten dar. Etwa 1.000.000 Arten, so schätzt man, leben in den Riffen. Allerdings sind bisher nur 65.000 davon bekannt, die meisten sind also noch gar nicht entdeckt. Dies trifft insbesondere auf die unzähligen kleinen Arten von Würmern, Gliederfüßlern und Weichtieren zu, die in den Lückensystemen der Riffe leben. Die Evolution ist in den Riffen besonders aktiv; der engbegrenzte und von so vielen Organismen gleichzeitig bewohnte Lebensbereich bedingt einen starken evolutiven Druck und bewirkt neue Erfindungen, wie z.B. die vielen Lebensformen, die aus Symbiosen Vorteil ziehen. Riffe sind also bereits wegen ihres immensen Artenreichtums und ihrer unglaublich komplexen ökologischen Zusammenhänge bewunderns- und schützenswert, aber auch von ungeheuerem Wert für die wissenschaftliche Forschung.

Darüberhinaus haben Riffe jedoch eine große allgemeine Bedeutung für den Menschen. Sie sind mehr als ästhetische Strukturen, die aber neben den Riffwissenschaftlern nur von Schnorchlern und Tauchern bewundert werden oder andere vielleicht einmal in einem Unterwasserfilm erfreuen. Die Riffwälle bilden Sturmbarrieren, welche Küsten schützen und natürliche Häfen bilden. Fische und Weichtiere, die Hunderte von Millionen Menschen ernähren, finden im Riff Lebensraum. Vom Küstentourismus leben noch weit mehr Menschen; auch er wäre ohne Riffwachstum stark eingeschränkt. Bislang nur erahnbar ist, welche ungeheure biologische Ressource für pharmazeutische Produkte Riffe - ähnlich wie Regenwälder - darstellen. Möglicherweise stellen Riffe sogar wichtige Klimapuffer dar, deren Bedeutung bis heute ebenfalls nicht vollständig klar ist. Fossile Riffe erlauben uns, weitreichende Rekonstruktionen früherer Umweltbedingungen zu erstellen, welche zur Simulation unserer Zukunft durch Computermodellierungen herangezogen werden können. Riffe, die während der letzten Eiszeiten wuchsen, sowie die Hunderte bis Tausende von Jahre alten Anteile unserer noch lebenden Riffe haben den Klimaverlauf aufgezeichnet und helfen uns, natürliche und menschengemachte Veränderungen zu differenzieren. Die größten Erdöllagerstätten der Welt befinden sich ebenfalls in fossilen Riffsystemen.

 

Riffe als Küstenschutz und Landgewinnungssysteme

Tropische und subtropische Bereiche werden häufig von schweren Stürmen heimgesucht. Aus der Karibik sind uns besonders viele Beispiele bekannt. Hurricanes, aber auch weniger starke Stürme würden jedoch noch weitaus mehr Schäden anrichten, wenn die Inseln und Küstenabschnitte in diesen Gebieten nicht von Riffen geschützt wären. Die Riffbarrieren wirken als Wellenbrecher. Man muß sich nur einmal den enormen Wellengang in einem zum Meer hin offenen flachen Außenriff vorstellen; im Gegensatz dazu die dahinterliegende ruhige Lagune (Taf. 1/1, 2). Schnell wird damit die Schutzfunktion der Riffe deutlich.

Taf. 1/1: Riffe als Brandungsschutz. Das Barriereriff schützt die dahinterliegende Lagune und die kleine Insel vor den starken ozeanischen Wellen, dahinter liegende Festländer sind ebenfalls geschützt.

 

Viele Inseln und Küstenbereiche sind überhaupt nur vorhanden, weil sie von solchen umgebenden Riffen vor den starken Ozeanwellen geschützt werden. Würden diese verschwinden, verlagerten sich viele Küstenlinien schnell landwärts und so manche Insel wäre schnell abgetragen. Riffe verhindern aber nicht nur Abtragung, sondern können sogar zu neuen Landflächen führen. Lagunen bilden sich nur, wo Riffe vorhanden sind. In den Lagunen produzieren viele Organismen durch ihre Skelette und ihre Ernährungsweise viele kalkige Sedimentpartikel. Schuttmaterial aus den Riffen wird durch Wellen ebenfalls in die Lagunen verfrachtet. Beides zusammen bedingt, daß Lagunen flach bleiben und oftmals zunehmend flacher werden.

Taf. 1/2: Um Inseln können sich Saumriffe und kleine Barriereriffe (Vordergrund links) bilden, die die Insel vor Erosion schützen.

Größere Stürme können hinter Riffen sowie in der Lagune Sandeilande aufwerfen, die durch Mangroven, nachdem sich eine Süßwasserlinse gebildet hat, später auch durch andere Landpflanzen, wie z.B. Kokospalmen besiedelt werden können. Die Bevölkerung auf solchen Inseln ist ein integrierter Teil des Ökosystems. Lebenswichtig für die Bevölkerung sind dabei Fischfang mit umweltverträglichen Methoden, die maßvolle Verwendung von bei Hurricanes in die Lagune geworfenen toten Korallenblöcken als Baumaterial sowie die vollständige Verwertung von Kokospalmen und anderen Pflanzen. Unglaublich, was man aus Kokospalmen alles herstellen kann: die Liste reicht von Getränken, Essig, Ölen, Fetten und anderen Nahrungsmitteln, Kinder und Säuglingsheilnahrung, Holzkohle aus Schalen, Seilen aus der Kokoswolle, Behältnissen und Dächern aus Blättern bis zu Bau- bzw. Bootsholz.

 

Fischfang

In den Riffen ist der Reichtum an Fischen, aber auch an Mollusken und Schalentieren sprichwörtlich (Taf. 1/3). Die Bevölkerung in Riffgebieten, mehrere Hundert Millionen Menschen, ernährt sich deshalb zu einem überwiegenden Teil von diesen Nahrungsquellen. Viele Fische, die aber auf hoher See oder auch in Lagunen gefangen werden, haben ihre Kinderstuben in den Höhlen- und Spaltensysteme der Riffe. Darüberhinaus kommen viele Hochseefische an und in die Riffe zum Beutefang. Das Verschwinden der Riffe hätte also nicht nur Folgen für den Riffang in direkter Umgebung, sondern auch weitreichende Auswirkungen auf den Fischfang generell, also auch für Nichtriffregionen wie Europa.

Taf. 1/3: Der Fischreichtum von Riffen ist sprichwörtlich und stellt für viele Menschen die Ernährungsgrundlage dar. Auch viele Hochseefische sind auf Riffe angewiesen, da sie dort ihre Kinderstuben haben oder zum Fressen ans Riff kommen.

 



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