(Klick hierauf sprengt evtl. Frame)

vorherige Seite

(3. von 7 Seiten)


Riffe und Klima

Riffe bilden immense Mengen von Kalk (CaCO3) und sind damit eng in den Kohlenstoffkreislauf eingebunden.

Riffe als Säureregulator

Der Salzgehalt unserer Meere beruht auf der Konzentration von Kationen und Anionen im Meerwasser. Als Verwitterungsprodukte im Flußwasser gelöst (etwa Kalzium und Natrium als Kationen, Bikarbonat, Chlorid und Sulfat als Anionen) werden sie vom Festland ins Meer verfrachtet. Kohlendioxid löst sich darüberhinaus direkt von der Atmosphäre im Meerwasser und reagiert dort zum Teil mit Wasser unter Bildung von Bikarbonat- und Sauerstoffionen. Das Bikarbonat steht wiederum mit dem im Riff ausgeschiedenen festen Kalk (Kalziumkarbonat) im Gleichgewicht. Die Lösung der Ionen bewirkt Säure- und Laugenbildungen, wobei insbesondere dem Bikarbonation eine stark puffernde Wirkung zugute kommt, so daß Meerwasser einen leicht basischen Chemismus hat. Wäre Bicarbonat nicht oder aber übermäßig vorhanden, würde der Säuregehalt der Meere stark schwanken. Diese Änderungen könnten die Organismen schlecht oder überhaupt nicht vertragen. Zudem würde sich die Löslichkeit des atmosphärischen Kohlendioxids im Meerwasser ändern und das für unser Klima so wichtige Gleichgewicht durcheinander bringen. Da auch andererseits durch Verwitterung dauernd Bicarbonat-Ionen zugeführt werden, muß durch Kalkbildung Bikarbonat laufend entzogen werden, um das Kohlendioxid-Gleichgewicht und damit das Klimagleichgewicht zu erhalten. Riffe haben daran einen entscheidenden Anteil.


Die bei der Kalkbildung wichtigen Reaktionen sind:


2H
20 + 2CO2 = 2HCO3 - + 2 H+
(Wasser + Kohlendioxid im Gleichgewicht mit Bikarbonationen und Wasserstoffionen)


Ca++ + 2HCO
3 - = CaCO3 + CO2 + H20
(Kalziumionen + Bikarbonationen im Gleichgewicht mit Kalziumkarbonat (Kalk) + Kohlendioxid + Wasser)




Riffe als Kohlendioxidpuffer

Komplizierter und in der Fachwelt noch umstritten diskutiert ist die Frage, ob Riffwachstum auch zur Abpufferung des menschengemachten Treibhauseffektes direkt beitragen könnte oder ihn gar verstärkt. Im Riffkalk steckt indirekt eine ungeheure Menge des Treibhausgases Kohlendioxid. Träufelt man verdünnte Salzsäure oder eine andere Säure auf ein Korallenskelett, so braust es auf. Die entstehenden Blasen stellen Kohlendioxid dar. Der Aufbau ganzer Kalkgebirge durch Riffkomplexe (zum Beispiel die Dolomiten oder weite Bereiche der Nördlichen Kalkalpen) macht klar, welche Unmengen von Karbonat durch Riffwachstum in die Atmosphäre im Laufe der Erdgeschichte verfrachtet wurde und auch heute noch verfrachtet werden. Würde man das Kohlendioxid z.B. nach obiger Methode aus dem Karbonat befreien, käme es wohl zu einer unglaublichen Klimakatastrophe. Tatsächlich kann dies jedoch nicht eintreten und die Prozesse sind komplizierter. Durch Riffkalkbildung wird nämlich nicht nur Kohlenstoff (in Form des dem Kohlendioxidmoleküls ähnlichen Karbonatmoleküls) in die Erdkruste verfrachtet, sondern auch gleichzeitig durch Änderung des Säure-/ Basengleichgewichts einiges an Kohlendioxid an die Erdatmosphäre abgegeben. Einerseits verschwindet also Karbonat in der Erdkruste. Andererseits wird, anorganisch betrachtet, durch Kalkfällung Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben. Manche Wissenschaftler meinen, daß sich Riffe dadurch gleichsam das von ihnen gewünschte warme Klima stabilisieren. Umstritten ist aber insbesondere, ob die Photosythese der Korallensymbionten nicht doch mehr Kohlendioxid bindet und somit Riffwachstum vielleicht doch atmosphärisches Kohlendioxid aus dem Verkehr zieht. Auch fossile Riffe, die heute auf dem Festland liegen (Taf. 1/7), sind in den Kohlendioxidkreislauf einbezogen. Durch Verkarstung werden gewaltige Mengen von atmosphärischem Kohlendioxid in wassergelöstes Bikarbonat übergeführt.

Taf. 1/7: Fossile Riffe formen oft spektakuläre Landschaften wie hier am Schlernmassiv in den Dolomiten. Die Abbruchskante zeichnet das ehemalige, ca. 230 Millionen Jahre alte Riff nach, die geneigten Schichten repräsentieren das ehemalige Vorriff. Rechts unten ist die Seiseralm zu sehen. Auch vor 230 Millionen Jahren war dieser Bereich tiefer als das Schlernriff. Das Bild spiegelt somit die topographischen Verhältnisse am Meeresboden vor 230 Millionen Jahren wieder. Die enorme Kohlenstoffbindung durch Riffe war während der ganzen Erdgeschichte ein wichtiger Faktor der Klimaentwicklung und ist es auch heute noch.

 

Man darf auf die weitere Diskussion der Wissenschaftler gespannt sein. Sicher ist jedoch, daß das Riffwachstum in die komplizierten Klimaprozesse einbezogen ist. Schon alleine deshalb hat man man allen Grund, nicht in dieses System einzugreifen und aktiv Riffschutz zu betreiben.

 

Erdöl und Erdgas

Riffe haben viele Höhlen, Spalten und Poren, in denen Rifftiere leben. Diese Kavernensysteme werden meist auch in fossilen Riffen erhalten. Weiterhin kann das Kalkskelett vieler Rifforganismen zusätzlich angelöst werden, so daß noch mehr Poren entstehen. All diese Kavernen stehen miteinander in Verbindung. Damit werden fossile Riffe zu hervorragenden Erdöl- und Erdgasspeichergesteinen (Taf. 1/8). Auch Erdölmuttergesteine sind häufig direkt mit den Riffsystemen verbunden. In tieferen Lagunenbereichen, aber auch im tieferen Vorriff kann es durch hohen Anfall organischen Materials zu Muttergesteinsbildung kommen. Werden diese Areale später von dicken Sedimentpaketen überlagert, kommt es unter dem entstehenden Druck und der entstehenden Wärme zur Bildung von Erdöl oder Erdgas, welches dann direkt in die porösen, fossilen Riffe einwandern kann.

Taf. 1/8: Die größten Erdöllagerstätten der Welt liegen in mehrere 1000 Meter Tiefe abgesunkenen und von jüngeren Sedimenten überdeckten fossilen Riffen. Dies liegt an der schon primär hohen Porosität der Riffe. Die Abbildung zeigt ein aus der Devonzeit stammendes, ca. 380 Millionen Jahre altes Korallenatoll im Querschnitt, welches heute eine große Erdöllagerstätte darstellt. Die senkrechten Striche markieren Erdölbohrungen.

Die größten Öllagerstätten überhaupt finden sich in fossilen Riffkomplexen. In Nordamerika sind Riffe des Erdaltertums von großer Wichtigkeit, auf der Arabischen Halbinsel steckt sehr viel Öl in riffreichen Plattformkarbonaten aus Jura und Kreide. In Texas wird derzeit intensiv und durchaus erfolgreich in jurassischen Riffen nach Öl und Gas gesucht.

 

Fossile Riffe: Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen

Auch fossile Riffe sind für die Rifforschung von wesentlichem Interesse. Neben dem Verständnis früherer Riffsysteme können fossile Riffe auch zum besseren Verständnis heutiger Riffe beitragen. Fossile Riffe sind im Aufschluß nicht nur trockenen Fußes untersuchbar, sie überliefern insbesondere die wichtige Dimension Zeit. Die initiale Riffbesiedlung, Unterschiede in der Riffzusammensetzung im Laufe der Zeit und insbesondere auch das Absterben von Riffen sind hier besonders gut untersuchbar. So zeigen viele fossile Beispiele den besonderen Einfluß von Sedimentation beim Absterben von Riffen an. Dies läßt die Beeinflussung heutiger Riffe durch anthropogenen Sedimenteintrag (siehe unten) in besonderem Licht erscheinen. Auch Beispiele für Sauerstoffzehrung und regionales bis globales Absterben von Riffen sind in der Erdgeschichte vorhanden. Gerade die Erdgeschichte zeigt, daß Riffe stabile Systeme darstellen, sofern wichtige Rahmenbedingungen erfüllt sind. Wie anders hätten manche Riffe sonst über Millionen von Jahren wachsen können und dabei Kalkmächtigkeiten von mehreren Tausend Meter produzieren können. Andererseits zeigt es auch, daß manche Bedingungen (etwa der Sauerstoffgehalt oder das Fehlen von Sedimenteintrag) besonders kritisch sind und bei Änderung dieser Bedingungen das Riffsystem sehr schnell aus dem Gleichgewicht kippen kann. Riffe können sich auch an veränderte Umweltbedingungen anpassen. Da dies überwiegend über die Evolution und Selektion der Rifforganismen stattfindet, müssen die Änderungen der Umweltparameter allerdings sehr langsam vonstatten gehen. Jede zu schnelle Änderung, so wie wir das auch heute durch den menschlichen Einfluß erleben, barg auch in der Erdgeschichte immense Gefahren. Nach größeren Riffkrisen konnten Millionen von Jahre vergehen, bis sich wieder größere Riffsysteme etablieren konnten.

Da sich in fossilen Riffen auch die fossilen Umweltbedingungen und deren Änderungen widerspiegeln, erlauben solche Riffe die Rekonstruktion wichtiger regionaler und globaler Milieu- und Klimafaktoren früherer Zeiten. Eine besondere Anwendung, die zukünftig sicher eine noch größere Rolle spielen wird, ist folgende. Klimarekonstruktionen aus früheren Zeiten kann man aus fossilen Klimazeugen, wie z.B. fossilen Warmwasserriffen oder der Verteilung von Kohle- und Salzvorkommen ableiten. Da inzwischen jedoch nicht nur die früheren Kontinentkonstellationen, sondern auch die Höhe des Meeresspiegels und weitere das Klima bestimmende Faktoren bekannt sind, kann man auch mit umfassenden Computermodellierungen das Klima früherer Zeiten modellieren und diese Computerergebnisse mit den aus den fossilen Klimazeugen gewonnenen Vorstellungen vergleichen. Man erkennt so Fehler an den Computermodellen und kann die mathematischen Grundlagen dieser Modelle verbessern. Mit solchen Computermodellen wird auch zunehmend unsere eigene Zukunft vorhergesagt, und politische und wissenschaftliche Entscheidungen werden darauf basieren; umso wichtiger, daß diese Modelle auch optimiert werden. Die fossilen Riffe können uns dabei helfen.


Weiter zu: Angriff auf die Riffe

Bedeutung von Riffen | Angriff auf die Riffe | Ein Ausweg aus dem Dilemma?

Riffressourcen-Server | Virtuelle Hochschule