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Regulierung der Selbstregulierung (Hoffmann-Riem): Medienpolitik als ,,Strukturierung eines Möglichkeitsraums``

Reflexiv werdendes Rundfunkrecht nimmt auch in den von Hoffmann-Riem (1995) vorgetragenen Überlegungen einen zentralen Platz ein; er prägt dafür die griffige Formel von einer ,,Regulierung der Selbstregulierung``. Sieht man von der Ver- und Entsorgungs-Metaphorik des Autors ab, die wahrscheinlich kaum zur Beschreibung von Medienstrukturen geeignet istgif, so bleibt als Kern dieses Vorschlags der Versuch, die systeminterne Resonanz auf Störungen in der Systemumwelt zu verstärken, also ,,die Verantwortung für gesellschaftlich unerwünschte sozio-kulturelle Effekte auf die Kommunikationsversorger möglichst weitgehend zurückzuverlagern und hilfsweise sie auch an der Bewältigung verbleibender Probleme zu beteiligen - also den Staat zu entlasten.``gif

Zur Stärkung der Selbstregulierung schlägt Hoffmann-Riem vor, zunehmend auf den Markt als Steuerungsmedium zurückzugreifen. Zum einen antizipiert er damit, was empirisch ohnehin geschieht (und was manche Beobachter veranlaßte, die Deregulierung und Dualisierung des Rundfunks als Kommerzialisierung zu beschreibengif), zum anderen plädiert er damit für eine Penetration des massenmedialen Systems durch das Wirtschaftssystem: Es stellt seine eigene Komplexität zum Aufbau der Massenmedien zur Verfügunggif. Die Funktionen beider Systeme werden dadurch nicht angetastet, die (inter-)penetrierende Verschränkung ermöglicht sogar größere Freiheitsgrade: Markt und Medien können unter diesen Bedingungen in einem interdependenten Verhältnis zueinander stehen. Marktförmige Steuerung darf jedoch nicht - und kann auch gar nicht, sofern Wirtschaft und Massenmedien als selbstreferentielle Systeme korrekt beschrieben sind - in die binäre Struktur der Medien durchgreifen: Mit Geld kann man (redaktionelle) Veröffentlichungen weder kaufen noch verhindern, ohne das selbstreferentielle Operieren des Mediensystems selbst zu gefährden.

Um ergänzend zur marktförmigen Regulierung die Aufgaben rechtsförmiger Regulierung bestimmen zu können, verwendet Hoffmann-Riem ein Konzept facettenreicher Macht und unterscheidet ökonomische, technologische, publizistische und Rezipienten-Macht. Die Austarierung von Machtungleichgewichten (also erneut Differenzminimierung) ist dann zentrales Steuerungsziel der reflexiv werdenden Medienregulierung, deren Themen er an fünf Beispielen verdeutlicht:

  1. Zur Sicherung des Marktzugangs sollen dienstspezifisch ausdifferenzierte Regeln über Kontrahierungszwang, Entgeltgestaltung und Benutzungsmodalitäten beitragen. Dem liegt die wirtschaftswissenschaftliche Einsicht zugrunde, daß Märkte nur bei freiem Zugang funktionieren.
  2. Eine ,,Stiftung Medien- und Telekommunikationstest`` analog zur Stiftung Warentest soll dazu beitragen, die Rezipienten als Verbraucher der Dienste und Programme zu schützen.
  3. Mit Transparenz- und Offenlegungs-Pflichten soll die Öffentlichkeit als Konzentrationswächter eingesetzt werden, um Machtballung durch horizontale, diagonale und vertikale Verflechtung zu begrenzen.
  4. Mangels Finanzmasse in ihrer Funktionsfähigkeit gefährdete wichtige Sektoren der ,,Kommunikationsordnung`` sollen durch eine auf Gewinnabschöpfung basierende Fondsfinanzierung in lukrativen Bereichen quersubventioniert werden.
  5. Die Idee der dualen Rundfunkordnung soll auf neue Kommunikationsdienste erweitert werden. Dieser Gedanke wird im folgenden Abschnitt 4.3 ausführlicher vorgestellt und analysiert.

Medienregulierung muß Hoffmann-Riem zufolge also künftig vor allem die Strukturen der Massen- wie der Individualkommunikation entwickeln, innerhalb derer die Selbstregulierung funktionieren kann.


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Martin Recke
Fri May 17 20:40:57 MET DST 1996