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Im digitalen Zeitalter sind Knappheiten - dies sollte im
Argumentationsgang dieses Kapitels 3 erkennbar
geworden sein - in weit geringerem Maße als bisher
technisch determiniert, sondern sozial (ökonomisch,
politisch) gestaltbar. Medienregulierung wird - soviel läßt
sich sagen - in Zukunft flexibel auf stetig sich ändernde
Machtkonstellationen einwirken müssen, wenn die
,,normative Grundidee notwendigen Schutzes vor einseitigem
Machteinsatz`` Bestand haben soll. Mit der Umstellung auf das
many-to-many-Paradigma bekommen die Versuche, das Grundrecht der
Rundfunkfreiheit zur Rundfunkunternehmerfreiheit
umzuinterpretieren, neuen Schub. Wo das zentrale Regulierungsthema
Macht im digitalen Zeitalter seine Aufgaben finden wird,
hängt sehr stark von den Antworten auf die Fragen nach künftigen
Knappheiten ab.
- Sollten Übertragungswege in naher Zukunft nicht mehr
knapp sein, dann entfiele damit der ,,klassische
Ansatz`` des
Medienrechts, Übertragungskapazitäten anhand von
Programmleistungen zu vergeben, über die Medienräte im
öffentlichen Interesse befinden. Sollte dagegen Bandbreite
knapp werden, dann stände das Knappheitsproblem sozusagen auf dem
Kopf: Zwar könnte de facto jeder ins Netz einspeisen, was er
möchte, jedoch wäre damit nicht garantiert, daß jeder auch
alles empfangen könnte. Der Regelungsbedarf fiele eher in die Sparte
der Telekommunikation als in die der Medien - die gleichwohl essentiell
von Entscheidungen der Telekommunikationsaufsicht, vor allem über den
Umfang des Universaldienstes (vgl. Kapitel 5.1.2),
abhängig blieben. Die Knappheit an Bandbreite könnte, folgt man
zum Beispiel George Gilder (1992), nur ein vorübergehendes
Phänomen sein und mittelfristig - zum Beispiel mittels
Glasfasertechnik - durch einen Überfluß abgelöst werden.
Das Regime der knappen Übertragungswege läßt sich durch
eine Regulierung, die den broadcast-Modus als Nutzung digitaler
Netze monopolisierend festschreibt, wahrscheinlich noch geraume Zeit vor
der Ablösung durch ein Regime knapper Bandbreite bewahren. Im
Vergleich zum relativen Kanalüberfluß der digitalen
Astra-Generation wird auch im digital ausgebauten Breitbandkabelnetz wohl
noch auf absehbare Zeit Knappheit herrschen. Bleiben Übertragungswege
knapp, dann drohen mit der Marktöffnung der Telekommunikation neue
medienpolitisch relevante Machtpotentiale .
Vertikale Konzentration, die mit dem Besitz von Programmen auch den Besitz
von Übertragungswegen verbindet, ist eine unter Knappheitsbedingungen
wirtschaftlich sinnvolle Strategie . Das doppelte Zugangsproblem - für
Anbieter wie für Nutzer - bleibt in beiden Fällen bestehen, es
muß allerdings sehr differenziert bearbeitet werden.
- Würden Inhalte knapp, dann wüchse den Produzenten
neues Machtpotential zu. Vertikale Konzentrationsstrategien zielten dann
vor allem darauf ab, Produktions- und Programm-Ressourcen in einer Hand zu
versammeln. Viel entscheidender als die Frage, wieviele Programme ein
Veranstalter verbreiten darf, wird dann, wieviele Produktionsressourcen
und Programmrechte in einer Hand versammelt werden dürfen.
- Würde dagegen - wie es Eli M. Noam für den dritten
Entwicklungsschub des Fernsehens erwartet (siehe folgenden Abschnitt 3.2.2) - Zuschaueraufmerksamkeit knapp, während
Distribution und Produktion ihre Kapazitäten weiter steigerten, dann
verschärfte sich das Ungleichgewicht zwischen den
Verarbeitungskapazitäten der Medienkonsumenten und den Produktions-
und Distributionsapparaten der Produzenten: ,,Virtually all aspects of
society are changing due to an attempt to adjust individual and social
processing rates of information to the demands that growth in the other
stages have put on them. Politics, to name just one example, has moved
to the media event, the sound bite, the simplistic message, the
confrontational style - all in order to punch through the clutter and
get attention.``
Medien- und Telekommunikationsregulierung muß sich für alle
drei Fälle wappnen, also schnelle Lern- und Reaktionsfähigkeit
erwerben. Medienrecht ist traditionell auf knappe Übertragungswege
eingestellt; auf Machtlagen, die durch knappe Programmressourcen
entstanden sind, hat es bislang nicht adäquat reagiert; und es
liegt vollständig jenseits des medienrechtlichen Horizonts,
daß Aufmerksamkeit knapp werden könnte. Eli M. Noam (1995) hat dazu ein dreistufiges Modell der Entwicklung des
Fernsehens vorgelegt, das im folgenden Abschnitt kurz vorgestellt werden
soll.
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Martin Recke
Fri May 17 20:40:57 MET DST 1996