Zu diesem Projekt

Das Anfang Mai 1996 in die Wege geleitete Projekt ist auf eine gemeinsame, mit wohlwollender Zustimmung des Museumsdirektors Dr. Jochen Luckhardt erfolgte Initiative der Kunsthistorikerin / Museumspädagogin Frau Dr. Anne Charlotte Steland und des Fotografenmeisters Bernd-Peter Keiser, sämtliche vom Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, sowie des Historikers Dr. Arthur E. Imhof, Professor für Sozialgeschichte der Neuzeit am Friedrich Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin zurückzuführen.

Nicht nur verfügt die Gemäldegalerie des Herzog Anton Ulrich-Museums in Braunschweig über eine hervorragende eigene Sammlung vor allem zur europäischen Malerei von 1400 bis 1800, sondern es werden dort auch immer wieder äusserst qualitätsvolle Sonderausstellungen gezeigt, die einen wiederholten Besuch auch von ausserhalb lohnen. Dies war zum Beispiel im Mai und Juni 1996 der Fall, als die Wanderausstellung "Holländische Meisterzeichnungen aus dem Fitzwilliam Museum Cambridge" in Braunschweig Station machte (vgl. den Ausstellungskatalog: Das Goldene Jahrhundert. Holländische Meisterzeichnungen aus dem Fitzwilliam Museum Cambridge. Katalog von David Scrase. Deutsch/englische Ausgabe herausgegeben von Thea Vignau-Wilberg. Staatliche Graphische Sammlung München - Schirmer/Mosel 1995, 256 Seiten. - Diese Ausstellung war durchaus vergleichbar mit derjenigen, die 1992 unter anderem in der Pierpont Morgan Library in New York zu sehen war: Seventeenth-Century Dutch Drawings. A Selection from the Maida and George Abrams Collection [Catalogue by William W. Robinson, Introduction by Peter Schatborn; Lynn, Mass.: Zimman 1991, 236 Seiten]. Braunschweig bot im Gegensatz zu New York allerdings den unschätzbaren Vorteil, dass man sich ungestört so lange man wollte in jede Zeichnung vertiefen konnte. Von Gedränge keine Spur.)

Die Sonderausstellung bot damals Gelegenheit, auch die Dauerausstellung der Gemälde einen Stock höher wieder einmal zu besuchen. Von den in vielen Räumen zur Vertiefung ausliegenden Publikationen - sie sind weit mehr als blosse Führungsblätter - tat es mir Anfang Mai 1996 insbesondere das 67 Seiten umfassende Heft Die vier Jahreszeiten (Zu einer Bilderfolge von Joos de Momper, 1564-1635; entstanden vermutlich um 1615 in Antwerpen) mit dem Text von Anne Charlotte Steland und den vielen Illustrationen von Bernd-Peter Keiser an. (Braunschweig: Herzog Anton Ulrich-Museum 1986; in zweiter Auflage 1991; weiterhin sowohl im Hauptgebäude des Museums wie auch in der Burg Dankwarderode zum Abholpreis vom DM 19.80 zu beziehen oder mit Portoaufschlag per Vorkasse zu erwerben; vgl. die Details in den Online-Hinweisen zu den Museumspädagogischen Schriften des Museums).

Hatte ich hier nicht unerwartet ein museumspädagogisch professionell aufbereitetes "Drehbuch" vor mir, so wie es in meinen, die neuen Technologien CD-ROM und World Wide Web seit einigen Semestern produktiv miteinbeziehenden Lehrveranstaltungen zur Sozialgeschichte der Neuzeit an der Freien Universität Berlin eine grundlegende Voraussetzung ist? Im ersten Stock der Braunschweiger Gemäldegalerie hingen die vier je 55,5 x 97 cm grossen Eichenholztafeln wie folgt über- beziehungsweise nebeneinander:


Frühling

Sommer

Herbst

Winter

Je mehr ich mich in die Bildfolge sowie die drehbuchartig aufbereitet vorliegenden Erläuterungen vertiefte, umso wünschenswerter schien eine Kooperation mit diesen engagierten Museumsfachleuten. Und was andernorts - in wesentlich grösserer Nähe zum heimischen Geschichtsinstitut in Berlin - trotz wiederholten Kooperationsangeboten bislang nicht möglich war: in Braunschweig klappte es auf Anhieb. Der Boden war allerdings insofern vorbereitet, als - wiederum in auffälligem Gegensatz zu näher gelegenen Gemäldegalerien und Museen - das Herzog Anton Ulrich-Museum seit geraumer Zeit schon besucherfreundlich im World Wide Web präsent ist.

Noch am Tag der Visite in Braunschweig konnte an Ort und Stelle Einverständnis darüber erzielt werden, dass die Kunsthistorikerin und Museumspädagogin Anne Charlotte Steland im wesentlichen für die Momper-bezogenen Texte und deren Überarbeitung, der Fotografenmeister Bernd-Peter Keiser für die Bereitstellung sämtlicher museumsbezogenen Abbildungen auf einer Foto-CD und der Historiker Arthur E. Imhof auf dieser Basis für die Projektrealisierung sowohl in Form von Webseiten wie auch auf CD-ROM verantwortlich war. Da so gut wie keine Produktionsmittel zur Verfügung standen, musste die gesamte Herstellung in eigener Regie durchgeführt werden. Aufwendige Technik war somit von Anfang an ausgeschlossen. Vielmehr sollte gezeigt werden, dass eine - hoffentlich ansprechende - Darstellung im World Wide Web und auf CD-ROM auch mit bescheidenen Mitteln erreicht werden konnte. Diese Vorgehensweise garantierte zudem eine attraktive CD-ROM-Preisgestaltung (mehr zum Thema im - auch online einsehbaren - Booklet zur CD-ROM).

Wer nun einen Blick auf das Inhaltsverzeichnis des Vierjahreszeiten-Projektes wirft, wird leicht feststellen, dass sich die ursprüngliche Thematik im Lauf der Zeit geweitet hat. Zum einen erklärten sich Kolleginnen und Kollegen aus den Instituten für Informatik, Meteorologie, Musikwissenschaft und Empirische Pädagogik der Freien und der Technischen Universitäten Berlin sowie der Universitäten Braunschweig und Karlsruhe spontan zum (unentgeltlichen) Mitmachen bereit; zum anderen engagierten sich Teilnehmer an meinen projektbezogenen Lehrveranstaltungen der Jahre 1996 und 1997 in vorbildlicher Weise derart, dass ihre "Seminararbeiten" hier zum Ansporn für andere mitaufgenommen wurden. Auf diese rundum erfreuliche und immer wieder inspirierende interdisziplinär-interurbane Kooperation sind folgende Kapitel zurückzuführen:

  • Standort der Bilder: Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig (unter anderem mit besprochenen Videoclips)
  • Die figürliche Ausstattung der Bilder (sozialschichtenspezifisch unterschiedliche Kleidung oder unterschiedliche Tätigkeiten und Vergnügungen)
  • Das Stadttor im Winter: eine dreidimensionale Rekonstruktion
  • Der nächtliche Himmel über den Jahreszeiten (mit den Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winter-Sternenhimmeln über Antwerpen von 1603 bis 1620, aber auch mit den Sonnen- und Mondfinsternissen der Jahre 1605, 1609, 1614 und 1616)
  • Wolken und Wetter über den Jahreszeiten (unter anderem mit "Ersatz-Himmeln" aus der Sicht heutiger Meteorologen)
  • Antonio Vivaldis Le Quattro Stagioni (Musik-Untermalung mit Erläuterungen).

Wer voreilig ist, mag hier von Selbstausbeutung sprechen. Den Mitwirkenden allerdings wäre so zu urteilen nie eingefallen. Gleichviel ob Kollegin, Kollege oder Lehrveranstaltungsteilnehmer: alle waren sich einig darin, dass nur durch den gebündelten Einsatz bereitwilliger Kräfte der Verzug wettzumachen ist, in den wir hierzulande im Bereich webbetreuter multimedialer CD-ROMs, allgemeiner gesprochen bezüglich der innovativen Nutzung von zukunftsweisenden Technologien im Vergleich zu unseren Nachbarn, geschweige zu Übersee in West und Fernost geraten sind. So gibt es in Frankreich "natürlich" schon lange vor uns eine multimediale CD-ROM Les Quatre Saisons oder in den USA eine multimediale Aufbereitung von Vivaldis The Four Seasons. Grossspurig ist zwar auch bei uns viel die Rede von "Datenautobahn" und "Informationsgesellschaft". Doch während bei uns nur die Rede davon ist, handeln andere - zum Vorteil der dortigen nächsten und übernächsten Generation, die es in einem immer offeneren Globalsystem grenzüberschreitender Konkurrenz womöglich leichter haben dürfte.

© A. E. Imhof 1997