Die vier Jahreszeiten

ein Bilderzyklus von Joos de Momper

Winter

Inhalt

    Winter
    Winterfreuden
    Kinder und Feste im Winter

Winter

Als Sinnbild des Winters empfahl Cesare Ripa in seinem 1593 erschienenen Emblembuch "Iconologia" den trauernden Adonis. Dies wird korrigiert: darzustellen sei vielmehr die trauernde Liebesgöttin Venus (griechisch: Aphrodite), die im Winter ihren in der Unterwelt bei Proserpina (griechisch: Persephone) weilenden Geliebten Adonis vermisst. "Winter - Inverno ... Man male eine Frau, mit langem (schwarzem) Mantel bekleidet, das Haupt bedeckt, traurig anzusehen; mit ihrer linken, ins Gewand gewickelten Hand stütze sie den Kopf, in den Augen habe sie Tränen. Eine solche Statue sah man auf dem Berge Libanon. Man füge ihr zu Füssen ein Wildschwein hinzu" (Ausgabe von 1630, Teil II, 350/51) Adonis wurde nämlich bei der Jagd durch einen Eber getötet.

Üblicher war jedoch die Personifikation des Winters in Gestalt eines alten Mannes, der sich frierend über ein Kohlenbecken oder Feuer beugt. Dies Sinnbild erscheint bereits auf der romanischen "Annus"-Schale (im Bonner Landesmuseum) und wird auch von Antonio Tempesta als Symbol des Winters für seinen Kufperstich von 1592 verwendet, in dessen Rahmung das Motiv noch zwei Mal wiederkehrt.

In Virgil Solis' Triumphzugfolge wird der Winter (lateinisch: Hiems) in Gestalt des frierenden Mannes kombiniert mit dem doppelgesichtigen Janus, dem italischen Gott oder Geist der Türschwelle (als Sinnbild der Jahreswende), und mit dem Titanen Saturn (griechisch: Kronos), der ausgerüstet wird mit einem Messer, mit dem er Uranos verwundete, oder einer Sichel, da ihm zu Ehren im alten Griechenland ein Erntefest gefeiert wurde. Der Triumphwagen wird von weiteren Göttern begleitet.

Die zweite Jahreszeitenfolge des Virgil Solis zeigt als Personifikation des Winters einen Bauern oder Landsknecht mit Lanze und Schwert vor einem lodernden Feuer. Der frierende Mann am Feuer ist auch in Virgil Solis' Monatsfolgen zu finden. Unter dem Tierkreiszeichen des Wassermannes erscheint er in einem Zimmer neben einem reichgekleideten tafelnden Paar.

Die Winterszene, mit der Hans Bol die von Pieter Brueghel dem Älteren begonnene, 1570 von Hieronymus Cock veröffentlichte Jahreszeitenfolge abschloss, führt uns dagegen die Freuden des Winters vor Augen. Innerhalb einer Ortschaft laufen Jung und Alt, Männlein und Weiblein Schlittschuh. Vorn werden die sogenannten "Holländer" angeschnallt. Rechts auf dem Eis flirtet ein Paar - leichtsinnig, da direkt vor ihm eben ein Mann durchs Eis gebrochen ist. Das dichtgedrängte, muntere Treiben wird nach hinten begrenzt durch eine Schenke in einer strohgedeckten Kate und aufwendige grossbürgerliche Steinhäuser. Thema ist eine wirklichkeitsgetreue Sittenschilderung der eigenen Lebenszeit - bis hin zu Modetorheiten, wie den Kopfbedeckungen der Frauen.

Joos de Momper zeigt das Schlittern auf dem Eis nur im Hintergrund. Doch auch bei ihm ist nicht die am Ende eines jeden Jahres unausweichliche, lebensfeindliche Härte des Winters das Thema. Er schildert wie Bol das vergnügliche Leben von Bürgern - hier vor den Toren der Stadt, deren vielerlei Bequemlichkeiten die Städter vor den Unbilden der Natur schützen und von ihnen unabhängig machen. Im wirtschaftlich fortschrittlichen Flandern lebte damals schon ein sehr grosser Teil der Bevölkerung in Städten mit einer auch sozial entwickelten "Infrastruktur".


Winterfreuden

Ein sonniger Frosttag lädt heute wie damals ein, auf dem Eis Schlittschuh zu laufen, zu schlittern, mit Stöcken Bälle oder Brocken über das Eis zu treiben. Diese Art Eishockey nennt man in den Niederlanden "kolfspelen". Eine Kutschfahrt, bei genügend Schnee auch eine Schlittenfahrt, war für die Töchter begüterter Familien ein besonderes Vergnügen. Die Füsse im Pelzsack, die Hände im pelzgefütterten Muff, so liess sich durch die Fenster die reifbepuderte, sonnenglitzernde Pracht bestaunen. Ärmere Frauen nahmen ihre Kinder, um sie aus dunklen dumpfen Stuben in die frische Sonnenluft zu tragen oder zu führen. - Eine gute Gelegenheit, aufgespiesste Flugblätter an Mann und Frau zu bringen.


Kinder und Feste im Winter

Feste des Kirchenjahres wurden früher - vor allem in katholischen Gegenden - weit zahlreicher gefeiert als heute. Zum Fest der Heiligen Drei Könige am 6. Januar war es in den Niederlanden Brauch, eine einzelne Bohne im Kuchen einzubacken. Wer die Bohne fand, wurde für diesen Tag zum König gekrönt. Das Bohnenfest ist oft dargestellt worden, etwa von Mompers jüngerem Kollegen Jacob Jordaens. Die Kinder - nicht nur in den Niederlanden - freuten sich besonders auf den Nikolaustag am 6. Dezember. Dann brachte der Heilige mit seiner Schar Äpfel, Nüsse und andere Geschenke. Diese Funktion hat bei uns nun die Kunstfigur des Weihnachtsmannes übernommen. Der Heilige Nikolaus war dagegen ein Bischof, wahrscheinlich am Anfang des 4. Jahrhunderts in Myra in Lydien. Er galt und gilt als Patron (Fürsprecher und Beschützer) der Schiffer und Kaufleute, der Bäcker, Schüler und Kinder.

Auf Mompers Bild werden links an einem Stand Weckmänner verkauft. Auch die Schülerschar die von zwei Magistern (Lehrern) in langen Talaren aus dem gutbewachten, nachts verschlossenen Stadttor ins Freie geführt werden, tragen solche Weckmänner unter dem Arm. Dies besonders geformte, süsse Gebäck, wie man es noch heute mancherorts zu bestimmten Gelegenheiten bäckt, weist vermutlich auf das Nikolausfest.


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