Sommer
In seinem Emblembuch "Iconologia" von 1593 zeigt Cesare Ripa eine Personifikation des Sommers und erläutert dazu: "Estate: Eine junge Frau von kräftiger Erscheinung mit Kornähren bekränzt, gekleidet in Gelb, die in ihrer rechten Hand eine brennende Fackel hält. Man malt sie als kräftiges junges Mädchen, weil der Sommer als Jugendzeit des Jahres gilt, während derer die Hitze der Erde am stärksten ist und voller Kraft, um die Blüten des Frühlings reifen zu lassen ... Ihr Ährenkranz weist auf die Hauptfrucht dieser Jahreszeit. Man kleidet sie in ein gelbes Gewand wegen der Ähnlichkeit mit der Farbe des reifen Korns. Sie hält in der Rechten die brennende Fackel, um die grosse Hitze anzuzeigen, die die Sonne um diese Zeit erzeugt" (Ausgabe von 1630, Bd. III, 99).
Der Kupferstecher Virgil Solis und Antonio Tempesta personifizieren den Sommer in Gestalt der Ceres (griechisch: Demeter), Göttin des Korns und der Fruchtbarkeit der Erde. Sie thront auf einem von Vögeln gezogenen Triumphwagen, ist mit Ähren bekränzt und trägt Korngarben in Hand und Arm. Bei Solis wird sie von zahlreichem Gefolge begleitet. Tempestas 1592 datierter Stich zeigt zudem die Sonne und ist gerahmt: oben von Rundbildern mit den Tierkreiszeichen der Sommermonate zwischen weiblichen Köpfen und Rollwerk (einer typischen Ornamentform des 16. Jahrhunderts, die an eingerollte Lederstreifen erinnert); unten mit Girlanden neben einem Löwenkopf - dem Tierkreiszeichen des Juli -; seitlich von einer weiblichen Personifikation mit Kornähren und einer männlichen mit Sense und Kind. Letztere wird einen Mäher darstellen, der ein Kind, die Frucht des Menschen, im Arm hält. Er verweist auf die Kornernte, die typische Arbeit der Sommerzeit. Doch mag der Sensenmann in einer zweiten Sinnschicht auch auf den Tod verweisen. Denn Hades, Gott der Unterwelt, war Gatte der Persephone, der Tochter der Demeter.
Auch Virgil Solis zeigt in seiner zweiten Jahreszeitenfolge einen Bauern mit Sense und Dreschflegel und einen Schnitter mit Sichel bei der Getreideernte als szenisches Sinnbild des Sommers.
In seiner Stichfolge der zwölf Monate schilderte Virgil Solis um 1550 als kennzeichnende Arbeiten zweier Sommermonate die Getreideernte: das Mähen und Rechen, die Arbeit und die Rast. Dieses traditionelle Sujet der Kornernte als Sinnbild des Sommers wählte auch Pieter Brueghel der Ältere beim Entwurf der Jahreszeitenfolge, die Hieronymus Cock 1570 in Antwerpen herausgab. In seiner 1568 gezeichneten Vorlage für den Kupferstich führt Brueghel uns die
Mühen der Ernte ausführlich vor Augen: Mit der Sense werden die Halme dicht über dem Boden abgemäht, von Helferinnen zu Garben
gebunden und dann zum Trocknen in Hocken zeltförmig gegeneinander gelehnt. Später wird das trockene Korn auf Fuhrwerke geschichtet und zum Hof gefahren, wo es gleich oder im Laufe des Winters mit Flegeln ausgedroschen wurde. Die schwere Arbeit des Mähens musste oft unterbrochen werden, um das Sensenblatt zu schärfen und einen Erfrischungstrunk aus der Kruke zu nehmen. - Noch Willem Buytewech schätzte die sittenbildlichen Möglichkeiten des Erntethemas. Als er den Sommer entwarf für seine um 1622 von Jan van de Velde gestochene Jahreszeitenfolge, entschied er sich allerdings für eine ungewöhnliche Variante: Er schilderte die hochbepackt heimkehrenden Erntewagen.
Sommerfreuden der Städter
Der Maler Joos de Momper, Bürger der Stadt Antwerpen, aktualisierte das Thema "Sommer" um 1615 auf völlig neue Weise. Anstelle der traditionellen bäuerlichen Ernteszene zeigt er im Vordergrund bürgerliche Ausflügler. Das heisst: sommerliche Landschaft wird gesehen mit den Augen und aus der Distanz des Städters, der nicht mehr in und mit der Natur lebt wie der landbestellende Bauer und der sein Gut bewirtschaftende Edelmann. Für bürgerliche Städter hatte und hat Natur vor allem Freizeitwert. So schildert Momper Gottes freie Natur - Hügel und Tal, Wald, Wiesen, Wasser und Sonne - gleichsam als einen natürlichen Lustgarten, der der Erholung und dem Vergnügen der Bürger dient. Dieses grenzt sich ab gegen die damaligen künstlich-geometrischen Ziergärten des Adels, die sogenannten "Französischen Gärten". Hier formt sich langsam ein Naturgefühl, das reichlich hundert Jahre später in England zur Schaffung des sogenannten "Englischen Gartens" führte. Dabei handelt es sich um eine Parklandschaft, die als gezähmte Natur in natürlich wirkender Unregelmässigkeit malerische Aspekte ausgestaltete. Der "Englische Garten" diente dann als Vorbild für die "Bürgerparks", die die Städte im 19. Jahrhundert anlegen liessen.
Für die Stadtbewohner, die wochentags in engen dunklen Werkstätten, Kontoren, zumindest im Hause eingesperrt waren, gehörten und gehören Landpartien an Fest- und Feiertagen zu den beliebtesten Abwechslungen. Familien mit kleinen Kindern freuten sich - wie heute - über ein Picknick im Grünen. Kavaliere ritten zur Jagd, begleitet von ihren Hunden. Junge Damen unternahmen eine Kutschfahrt, die unerwartete Begegnungen ermöglichte.
Auch zum Liebeswerben gehörten damals in den Niederlanden Ausflüge, sogenannte "speelreisjes", in offenem Fuhrwerk, das mit grünen Zweigen besteckt wurde, hinter denen sich die Liebespaare versteckten. Der bevorzugte Platz war die hinterste Bank, wie der Dichter P. C. Hooft überliefert. Ein um 1624 entstandenes Büchlein (im Atlas Van Stolk, Rotterdam) mit Liedern, Gedichten und Zeichnungen - eine Art Liederbuch und Poesiealbum, wie es damals ein Verliebter seiner Angebeteten zu schenken pflegte - zeigt in einer Zeichnung des Pieter van Laer solch ein "speelreisje". Beim Pferdewechsel vergnügte man sich mit Spielen, etwa "Grazelen", wie es die Studie von Gerard ter Borch dem Älteren für dasselbe Liederbuch zeigt. Dabei wurde ein junger Mann zu Boden geworfen und von den Mädchen unter gerupftem Gras "begraben".
In Mompers realitätsbezogenem Bilde erscheint auch ein bäuerliches Liebespaar - zwischen Gänsen und Rindern, winzig klein am Rande des Wassers. Der 1640 verstorbene Dichter Paul Fleming dagegen sieht Hirtenleben und Schafzucht keineswegs unter dem Aspekt ländlichen Fleisses und wirtschaftlicher Nützlichkeit. In seinem reizenden Liebesgedicht verwendet er die Anspielung nur als Topos (traditionelle Ausdrucksformel) für Liebesglück und Freiheit - nach dem Vorbild des römischen Dichters Vergil:
Wolte sie nur / wie sie solte;
und solt´ ich nur / wie ich wolte /
So wer´ ich und sie vergnügt.
Ach! wie wer´ es wol gefügt /
wenn wir nicht so wiederstrebten /
sondern itzt und für und für /
Ich bey ihr / und sie bey mir /
in verglichner Liebe lebten.
O wie würden unsere Heerden
so geschwinde feister werden!
Feld / und Thal / und Berg / und Heyn /
würde mit uns frölich seyn.
Alle Nymfen würden lachen /
und uns manchen schönen Tantz /
manchen schönen lieben Krantz
in den bunten Wiesen machen.
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Ich auch würd auff meiner Pfeiffen
ein erfreutes Liedlein greiffen /
wenn ich in der Liebsten Schoss
alles Kummers würde loss.
Denn wolt´ ich an stat dess Klagen /
das mich itzt für seiner Pein /
kaum lässt mich und meine seyn /
nur von lauter Wonne sagen.
O du schöne Salibene!
Salibene / O du schöne!
Schau doch / wie sich alles liebt /
und in süssen Freuden übt.
Alles wird durch Lust gerühret.
Wir nur gönnen unsre Zeit
der verstossnen Einsamkeit.
Denck´ ob diss sich auch gebühret.
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Ländliches Leben im Sommer
Zu Sommerbeginn - um die Zeit der sogenannten "Schafskälte" - trieben die Hirten ihre Schafherden ins Dorf zur Schur. Mompers Bild zeigt, wie die Tiere im zunächst Weiher gewaschen wurden (Rückenwäsche), um den groben Schmutz, die Verfilzungen durch Kotreste und Erdklümpchen aus dem dichten langen fetthaltigen Winterfell zu lösen. Der Kupferstich zum Juni in Virgil Solis´ Monatsfolge schildert die
Schur: Die Tiere wurden einzeln auf den Schoss genommen, um mit der Schere das Vlies, das noch zusammenhängende Haarkleid, vom Körper zu trennen. Die Wolle wurde wohl nach Feinheit sortiert, gekratzt, um festhaftende Verunreinigungen wie Kletten zu entfernen, und anschliessend, meist im Winter, von den Landfrauen mit Spinnrocken oder Spinnrad zu Garn versponnen. Das Garn wurde von Händlern aufgekauft, gewaschen, gefärbt und weiterverarbeitet. Es diente zum Stricken, Häkeln und Sticken - etwa von Schmuckbordüren und Behängen. Überwiegend wurde es gewebt zu Wolltuchen und Teppichen. Wolle war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in den südlichen Niederlanden, die berühmt waren für die Hestellung hochwertiger Wollstoffe, der flandrischen Tuche, und kostbarer Bildteppiche, sogenannter Tapisserien. Die Fertigung erfolgte zum Teil in Heimarbeit, überwiegend jedoch in spezialisierten Handwerksbetrieben und Manufakturen (farbrikartige Webereien).
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