Der Himmel färbt sich rot, das Orchester und der Chor stimmen die letzten kraftvollen Akkorde an, Musik und Licht künden vom tragischen Ende der Johanna von Orléans auf dem Scheiterhaufen. Schlussakkord, ein Moment der Stille, doch dann brandet in der Philharmonie tosender Applaus für das Collegium Musicum auf. Minutenlang anhaltender, donnernder Applaus. Der Große Chor und das Sinfonieorchester der Freien und der Technischen Universität ließen sich vor fast ausverkauftem Hause für eine großartige Aufführung feiern. Das Collegium Musicum hatte in der Reihe Oper konzertant die selten gehörte Oper Die Jungfrau von Orléans des populären russischen Komponisten Pjotr Iljitsch Tschaikowski in Berlin nicht nur erstaufgeführt, sondern dabei auch eine begeisternde Vorstellung geboten. Die Solisten, allen voran Kristiina Mäkimattila in der Rolle der Johanna von Orléans, zogen das Publikum in ihren Bann. Das Orchester und der Chor brillierten, und die beiden Sprecher geleiteten das Publikum auf gekonnte Art durch die Geschichte der Johanna von Orléans. Die künstlerische Gesamtleitung lag in den Händen von Manfred Fabricius, der den Chor und das Orchester zu einem wunderbar harmonierenden Ganzen verschmelzen ließ und somit dem Publikum einen unvergesslichen Konzertabend bereitete. Der Unterschied zu einem Profi-Ensemble wäre wohl nur dem geschulten Ohr aufgefallen: Mit Ausnahme der Solisten und des musikalischen Leiters singen und musizieren die meisten der 300 Mitwirkenden ausschließlich in der Freizeit. Um so erstaunlicher ist die Leistung, zumal die Akteure vor der Premiere nur zwölf Mal gemeinsam probten.
Noten vom Bolschoi Theater
Dabei war es nicht von Anfang an sicher, ob diese Oper überhaupt aufgeführt werden könnte: Es gab einfach kein vollständiges Notenmaterial!, erzählte der organisatorische Leiter des Collegium Musicum, Bernhard Wyszinski, erst die unbürokratische Hilfe des Bolschoi Theaters in Moskau ermöglichte die Anfertigung und Zusammenstellung der Notenblätter und damit das Konzert. Dem Bolschoi Theater sei dafür nochmals herzlich gedankt!
Das Collegium Musicum existiert in dieser Form seit 1954. Zuvor hatte es in Berlin zwei Einrichtungen mit diesem Namen gegeben: An der Technischen und seit 1948 an der neu errichteten Freien Universität. Unter der Leitung des damaligen Dirigenten des Chores der St. Hedwigs-Kathedrale, Monsignore Karl Forster, vereinigten sich die beiden Ensembles zum Collegium Musicum vocale et instrumentale der Berliner Universitäten. Mittlerweile besteht diese Einrichtung aus fünf verschiedenen Ensembles: dem Großen Chor, dem Kammerchor, dem Sinfonieorchester und dem Kleinen Sinfonischen Orchester. Seit 1999 gibt es darüber hinaus auch eine Big Band. Die derzeit etwa 400 Mitglieder sind fast ausschließlich Studierende aller Fachrichtungen, die vor allem eines verbindet: die Freude an der Musik und das Engagement für das Collegium Musicum.
Vor gut einem Jahr wurde auch der Verein zur Förderung des Collegium Musicum e.V. von Mitgliedern und Ehemaligen gegründet. Da die Sparmaßnahmen der Universitäten leider auch die musikalische Arbeit in Mitleidenschaft ziehen, hat es sich der Verein zur Aufgabe gemacht, das Collegium Musicum finanziell und ideell zu unterstützen.
Wer sich genauer über die Möglichkeiten einer Teilnahme am Collegium Musicum oder dessen Aktivitäten informieren möchte, der kann dies unter der unten angegebenen Adresse tun. Talentierter musikalischer Nachwuchs ist immer herzlich willkommen, denn nur so sind auch in Zukunft solch mitreißende Konzertabende wie die Erstaufführung von Tschaikowskis Oper Die Jungfrau von Orléans möglich.
Bernd Wannenmacher