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[Aktuell]

[Ausgabe 7-2001]

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[Welche Erwartungen hat die FU an die künftige Berliner Hochschulpolitik]

Verunsicherung statt Planungssicherheit: Auf diese kurze Formel lässt sich der gegenwärtige Gemütszustand der Berliner Universitäten nach den turbulenten politischen Umwälzungen der vergangenen Wochen bringen. Zwar schien der neue Senat endlich begriffen zu haben, dass eine Stadt des Wissens nicht ohne die Wissenschaft zu bauen ist, aber sein Verhalten spricht dagegen. „Wissenschaft zahlt sich aus“, steht wörtlich in den druckfrischen Richtlinien des neuen Berliner Senats. Deshalb sollen die Hochschulverträge „noch vor den Wahlen fortgeschrieben werden“. Wenn das kein Wort ist! Aber was zählt das Wort in den Zeiten der Pleite?

Inzwischen ist nicht nur der Fonds in Höhe von 250 Mio. DM, mit dem wissenschaftliche Projekte in Zukunftstechnologien finanziert werden sollten, bis auf einen Rest von 20 Mio. DM zur Haushaltskonsolidierung geplündert worden, sondern auch die Verhandlung des neuen Hochschulvertrags wird durch immer neue Kürzungsforderungen belastet. Der erste, noch mit Senator Stölzl ausgehandelte und von den Hochschulen paraphierte Vertragsentwurf wurde bereits durch die Kürzungsforderungen des Finanzsenators Kurth obsolet. Zähneknirschend unterzeichneten die Hochschulen Anfang Juni eine zweite Vertragsfassung, die gegenüber der ersten Version deutlich schlechtere Konditionen enthielt. Doch auch dieser Vertrag wird nun in Frage gestellt: Statt der ursprünglich 90 Mio. DM fordert der neue Senat von Berlin nun Einsparungen in Höhe von 145 Mio. DM von der Hochschulmedizin.

Damit setzt das Land den Universitäten die Pistole auf die Brust: Entweder akzeptieren sie die neue Forderung oder es gibt keine Hochschulverträge. Bei Drucklegung der FU-Nachrichten stand nicht fest, wie sich die Universitäten verhalten werden. Die FU-Nachrichten befragten den Dekan des Fachbereichs Humanmedizin und einige Mitglieder des Akademischen Senats nach ihren Erwartungen an die künftige Hochschulpolitik.

Uwe Nef

Fusion wäre keine Lösung

Prof. Dr. Martin Paul
Dekan des Fachbereichs Humanmedizin

Entscheidungen für Berlin

Die Berliner Universitäten und Hochschulen haben wie kein anderer Bereich des öffentlichen Dienstes in den letzten sieben Jahren außerordentliche Anstrengungen unternommen und erfolgreich abgeschlossen, um sinnvolle Kürzungen zu realisieren und gleichzeitig Effizienzsteigerungen zu erreichen. Wichtigstes Element waren dabei in den letzten Jahren die Hochschulverträge, um die erforderliche Planungssicherheit zu gewährleisten.

Meine Erwartungen an die Hochschulpolitik in Berlin heißen deshalb:

  • Rechtsverbindliche Unterzeichnung der bereits ausgehandelten Hochschulverträge.
  • Sicherstellung des Angebots von 85.000 Studienplätzen auf dem aktuellen Ausstattungsniveau – also keine Verlagerung von kostenintensiven Studienplätzen aus zukunftsrelevanten Forschungsbereichen und Modellstudiengängen in Kurzstudiengänge kostengünstigerer Ausbildungsbereiche etwa der Geistes- und Sozialwissenschaften.
  • Der Generationenwechsel in der Professorenschaft der Freien Universität erfordert zusätzliche Ausstattungsmittel, um im Wettbewerb mit anderen Bundesländern konkurrenzfähig zu bleiben.
  • Anerkennung der herausragenden Bemühungen besonders der Freien Universität, den Anteil ihrer Professorinnen weiter zu vergrößern sowie den Prozentsatz der erfolgreichen Abschlüsse speziell von Kandidatinnen bei Habilitationen und Promotionen kontinuierlich zu steigern.
  • Unterstützung der Fächer und Fachbereiche bei ihrem Bemühen, Studienzeiten zu verkürzen. Absolventen der neuen BA-Studiengänge sollten uneingeschränkt Zugang zum öffentlichen Dienst erhalten. Staatsprüfungen, die die Studienzeiten derzeit bis zu zwei Jahre verlängern, sollten stringenter organisiert werden.
  • Honorierung der außerordentlich erfolgreichen Bemühungen um Drittmitteleinwerbungen durch verlässliche Sicherstellung der dafür erforderlichen Ausstattung.

Für die Freie Universität steht im Mittelpunkt meiner Erwartungen die Gewährleistung des Fortbestands als Volluniversität, d.h. Erhalt des Klinikums, das seinerseits die Voraussetzung für die Durchführung vielfältiger integrierter Projekte mit den Naturwissenschaften bis hin zur Psychologie ist. Gleichermaßen ist uns daran gelegen, die Profilschwerpunkte der sogenannten kleinen Fächer, der regionalen Institute, der politikwissenschaftlichen Beratung, aber auch der Lehrerbildung zu erhalten und zu verbessern.

Prof. Gerd R. Hoff
Mitglied des Akademischen Senats
Liste „Dienstagskreis“

Professorenerneuerungsprogramm

Der Interimssenat wäre sicherlich gut beraten, in seiner knappen Amtszeit vor allem für Kontinuität zu sorgen, d.h. vorrangig die Hochschulverträge in der noch vom alten Senat beschlossenen Form zu verabschieden.

Von dem im Herbst neu gewählten Senat erwarte ich mir demgegenüber eine grundsätzliche Akzentverlagerung zugunsten des Wissenschaftsstandorts Berlin sowie eine faire Verteilung der Ressourcen an die einzelnen Hochschuleinrichtungen, und zwar nach gegenwärtiger Leistung und nicht nach vergangener Fama.

Die Freie Universität hat in einem schwierigen Prozess einen Strukturplan entwickelt, der drastische Rückschnitte insbesondere in den großen und mittleren Fächern mit einer konzeptionellen Neuorientierung verbindet, die aufgrund der gleichzeitig einsetzenden Pensionierungswelle glänzende Realisationsmöglichkeiten hat.

Voraussetzung hierfür ist freilich, dass die Freie Universität und die Berliner Universitäten insgesamt in die Lage versetzt werden, in Konkurrenz vor allem mit den süddeutschen Universitäten die leistungsfähigsten Wissenschaftler nach Berlin zu holen.

Wie die Konsolidierung der Freien Universität in den 80er- und 90er-Jahren gezeigt hat, steht und fällt das Leistungsniveau einer Universität mit der Qualität der Wissenschaftler, die sie anzieht. Grundlage für die Entscheidung des einzelnen Wissenschaftlers sind die finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen für Lehre und Forschung.

Wenn Baden-Württemberg hunderte von Millionen Mark in ein Professorenerneuerungsprogramm steckt, dann muss Berlin Ähnliches tun, weil sonst das Süd-Nord-Gefälle mit allen ökonomischen Folgen weiter verstärkt wird.

'Tafelsilber' sollte nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern, sondern für hoch qualifizierte Berufungen verwendet werden.

Genauso wichtig sind strukturelle Rahmenbedingungen für Forschung und Lehre, die Flexibilität und schnelle Entscheidungsprozesse durch diejenigen ermöglichen, die die notwendige Sachkompetenz besitzen.

Die an der Freien Universität durch die 'Experimentierklausel' des Hochschulgesetzes eröffneten Möglichkeiten müssen für weitergehende Veränderungen nutzbar bleiben, d.h. die Universitäten brauchen keine starren gesetzlichen Vorgaben, sondern Spielräume für Neues.

Wer will, dass Universitäten wie Unternehmen geleitet werden und 'funktionieren', und wer will, dass die Studierenden Kunden sind, der muss auch bereit sein, entsprechende Organisations- und Leitungsstrukturen zu schaffen bzw. zu ermöglichen.

Die Freie Universität hat mit der 'Experimentierklausel' aus eigener Kraft einen Neuanfang unternommen, der durch die Hochschulpolitik der neuen Regierung entscheidend gefördert und intensiviert werden sollte. Nichts wäre schlimmer als ein Zurück zu 'alten Zöpfen'.

Prof. Dr. Klaus W. Hempfer
Mitglied des Akademischen Senats
Liste „Liberale Aktion“

Fitnesskur nach Hungerjahren!

Als Mitglied des Akademischen Senates der Freien Universität Berlin erhoffe ich mir natürlich zuerst die Sicherung und dann den Ausbau des Wissenschafts- und Bildungsstandortes Berlin. Berlin ist keine Stadt der verarbeitenden Industrie mehr, aber kann eine Zentrale von Dienstleistungen und Handel werden. Für diese Bereiche müssen Zukunftsperspektiven eröffnet werden, die Niederlassungen und Investitionen interessant machen.

Die Attraktivität des Standortes Berlin national und international darzustellen, bedeutet, die Qualität und Quantität der vorhandenen Institutionen und das Know-how publik zu machen und sie als Anziehungspunkte – als Kristallisationskeime – für Neu- und Weiterentwicklungen herauszustellen.

Den 10-jährigen Abbau von Universitäten und Hochschulen zu stoppen, sie stattdessen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sinnvoll zu unterstützen und endlich das Potential zu sehen, das diese Institutionen und das dort versammelte Wissen für Berlin darstellen können, erhoffe ich.

Statt Studienplätze zu reduzieren, sollten neue geschaffen werden. Studienreformen und internationale Studiengänge sollten unterstützt und diese national und international Lehrenden und Studierenden schmackhaft gemacht werden. Die Lehrerausbildung sollte verbessert und verstärkt werden, um den wachsenden Bedarf zu decken.

Informations- und Kommunikationstechnologien müssen in Studium und Weiterbildung intensiver vermittelt werden, um den Bedarf der Unternehmen, der Verwaltung und der Bildungsinstitutionen zu decken.

Hervorragende Forschung muss an den Universitäten durch ausreichende Ausstattung weiter gestärkt werden, nicht zuletzt auch im Interesse der Drittmitteleinwerbung, die direkt und indirekt Arbeitsplätze schafft.

Darüber hinaus sollte dem wissenschaftlichen Nachwuchs mehr Eigenständigkeit in Forschung und Lehre ermöglicht werden. Das würde die Anziehungskraft der Berliner Universitäten erhöhen.

Wissenschaft und Bildung als Teil der Kultur und als „Pfund, mit dem Berlin wuchern kann“ zu begreifen, ist grundlegend für die Stadt.

Die Hochschulen zu stärken und fit für die Zukunft zu machen, heißt auch Berlin neue Perspektiven zu eröffnen.

Dr. Annette Simonis
Mittelbau-Vertreterin im Akademischen Senat
Liste „GEW – Mittelbauinitiative – ötv“


Alte Fehler korrigieren

Die Veränderungen in der Landespolitik sind für die Studierenden der Freien Universität Anlass zur Hoffnung, dass sich die Lage der Studierenden in Berlin verbessern wird.

Der bislang ungehemmte Bildungsabbau hat die ohnehin verbesserungsbedürftigen Studienbedingungen an der Freien Universität stark verschlechtert. Die Sorglosigkeit im Umgang mit der Zukunft der Universität haben inzwischen alle Studierenden zu spüren bekommen:

Sei es in Vorlesungen, bei denen nur noch auf den Fensterbänken ein Platz frei ist, in der schwindenden Betreuung durch zu wenige Tutoren und akademische Mitarbeiter oder in den ständig kürzer werdenden Öffnungszeiten der zunehmend schlechter ausgestatteten Bibliotheken.
Unter diesen Bedingungen ist ein reguläres Studium nicht mehr möglich. Ein Ende dieser verhängnisvollen Politik ist daher ohne Alternative.

Wir erwarten von der Berliner Hochschulpolitik, dass die Studierenden wieder als gleichberechtigte Partner wahrgenommen werden. Die Belange der Studierenden dürfen gerade an der auf studentische Initiative hin gegründeten Freien Universität nicht „notwendiges Übel“ neben der Forschung sein.Die Stellung der Studierenden im Hochschulgesetz muss systematisch verstärkt werden. Wir wehren uns gegen die Entmachtung der von allen Gruppen besetzten Gremien zugunsten rein professoraler Entscheidungsträger. Die Professorenschaft hat in den entscheidenden Gremien ohnehin eine verfassungsgerichtlich abgesicherte Mehrheit.

Der bislang beschrittene Weg, die nichtprofessoralen Universitätsmitglieder zunehmend von den wichtigen Zukunftsentscheidungen auszuschließen, ist verhängnisvoll und verzichtet in grob fahrlässiger Weise auf das, was auch die Studierenden zur Erhaltung ihrer Universität beitragen können. Die Studierenden erwarten, dass die neuen Mehrheiten einsehen, dass die Lage der Freien Universität keine weiteren Einsparungen mehr zulässt.

Wir fordern ein starkes Bekenntnis zu dieser Universität, die 1948 auf das Betreiben Studierender gegründet wurde, um ein Studium frei von politischer Einflussnahme zu ermöglichen. Heute ist diese Idee der „Freien Universität“ durch die meist an bloßen Zahlen orientierten Kürzungsspiele mehr denn je gefährdet.

Der freie Zugang zu universitärer Bildung darf auch während angespannter Haushaltslagen nicht beschränkt werden. Wir erwarten ein deutliches Signal, dass ein Studium ohne Studiengebühren auch weiterhin möglich sein wird. Jede weitere finanzielle Belastung verstärkt die große Benachteiligung sozial schwächer gestellter Studierender. Nur noch selten reicht die Förderung nach dem BAföG, sofern sie gezahlt wird, für ein Leben in Berlin und ein zielgerichtetes Studium aus. Schon jetzt sind 70% der Studierenden gezwungen, neben dem Studium zu arbeiten.

Die Studierenden der Freien Universität sehen in den momentanen Veränderungen die Chance für die Landespolitik, alte Fehler zu korrigieren und zu einer zukunftsgerichteten, neuen Hochschulpolitik zu kommen.

Jörn Hökendorf
Liste „Demokratisches Forum“

und

Peer Teschendorf
Liste „Jusos HG“
Studentische Vertreter im Akademischen Senat

Keine betriebsbedingten Kündigungen

Zuallererst erwarte ich für die Beschäftigten der Freien Universität den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen. Die Überhangstellen sind für die Universität ein Finanzproblem, für die einzelnen Beschäftigten aber die Grundlage ihrer Existenz. Wir erwarten, dass die Anstrengungen der Universität erfolgreich sein werden, das Problem der Personalmanagementliste für alle zufriedenstellend zu lösen.

Ich erwarte außerdem, dass die Weiterbildung an der Freien Universität für die Beschäftigten erhalten bleibt. Die neue Dienstvereinbarung zur Weiterbildung muss auch in Zukunft die kostenlose Weiterbildungsmöglichkeit für alle beinhalten. Zum Selbstverständnis einer Universität – ganz besonders der Freien Universität – gehört auch das wache Interesse des Personals an Fremdsprachen, Entwicklungen auf dem Gebiet der Neuen Medien, frauenspezifischen Inhalten, etc. Wie käme die Freie Universität zum Beispiel damit zurecht, wenn die Beschäftigten der Bibliotheken bei der Einführung des neuen integrierten Systems noch nie einen PC gesehen hätten? Entsprechende Weiterbildungsaktivitäten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen waren davor noch gar nicht im dienstlichen Interesse. Das heißt, die Weiterbildung der Belegschaft sollte als Leistungskriterium in den Zielvereinbarungen der Fachbereiche und Dienstleistungseinrichtungen verankert werden. Das liegt im wohlverstandenen Interesse der Universität, nicht nur der einzelnen Beschäftigten.

Ein letzter Punkt aus der Sicht einer Mutter zweier studierender Kinder: Es ist dringendste Aufgabe der Hochschulpolitik – aber auch der Universität selbst –, das Studium am Interesse der Studierenden auszurichten. Es müssen sinnvolle Studienabschlüsse in überschaubaren Zeiträumen möglich sein, die nicht nur an den Bedürfnissen der Forschenden, sondern an den Lebensinteressen der Studierenden orientiert sind.

Grace Quitzow
Vertreterin der Sonstigen Mitarbeiter
im Akademischen Senat, Liste: ötv

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