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FU-N 1-2/2000
Wissenschaft

Ökotoxikologen der FU entwickeln Tests für den Bodenschutz

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Ökotoxikologen der FU entwickeln Tests für den Bodenschutz
Vom Fadenwurm zum Genchip

VON STEFFI BARBIRZ

Wenn Mineraölreste den Boden eines offengelassenen Tankstellengeländes vergiften oder wenn Sprengstoffrückstände auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz das Erdreich verpesten, dann muss der Boden abgetragen und saniert, d.h. gereinigt werden. Was aber macht einen sauberen und gesunden Boden aus? Dazu müssen Grenzwerte für Schadstoffe festgelegt werden. Diese Werte sollen dafür sorgen, dass sich alle Bodenbewohner wohlfühlen und von Schadstoffen unbeeinflusst leben können. Weil aber in humusreichem Waldboden andere Tiere und Pflanzen leben als z.B. in einem Sandboden, müssen Grenzwerte für jede Art festgelegt werden. Das fordert das Bodenschutzgesetz. Deshalb untersucht die Arbeitsgruppe von Prof. Rudolf Achazi am Institut für Biologie, Ökotoxikologie und Biochemie der FU das Überleben von Bodentieren in verseuchten Bodenproben. Ihr Ziel dabei ist, im Rahmen einer OECD-Richtlinie eine Serie von Tests für Bodenqualität zu entwickeln. Zum einen untersuchen die Forscher die Antwort von Bodentieren, die auf verseuchtem Erdreich gehalten wurden. Zum anderen arbeiten sie auch mit modernen Gen-Chips und DNA-Filtern.

"Bisher gibt es nur wenige Testsysteme, die die Störung des Ökosystems Boden durch Schadstoffe erfassen", sagt Achazi. Denn das Problem ist komplex: Welcher Schadstoff ist in welcher Konzentration für welches Tier giftig? Hier kann es große Unterschiede geben. Während das Schwermetall Cadmium z.B. auf einige Bodentiere giftig wirkt, bevorzugt dagegen eine Art von Collembolen, winzige Bodeninsekten, sogar Böden, die viel Cadmium enthalten.

Für jede Tierart und jede Bodenprobe müssen die Biologen deshalb mehrere Tests kombinieren, um alle Folgen einer Schadstoffbelastung vollständig zu erfassen. Im Prinzip führen sie jedoch immer sogenannte Reproduktionstests durch, in denen sich kleine Bodenlebewesen in Gegenwart eines Schadstoffs in der Bodenprobe vermehren müssen. Die Vermehrungsprozesse von Tieren reagieren auf Schadstoffe um ein Vielfaches empfindlicher als die ausgewachsenen Tiere selbst. Zur Auswertung des Tests wird der Nachwuchs ausgezählt, die Dauer des Tests hängt somit von der Zeit ab, in der sich die Abkömmlinge entwickeln. Dabei eignen sich die wohl bekanntesten Bodenbewohner, die Regenwürmer, weniger gut für den Test. Ihre Reproduktionszeit beträgt fast ein Jahr. "Zu lange", meint Achazi. Seine Gruppe verwendet daher Enchytraeen, die kleinen Verwandten des Regenwurms, die "in jedem Komposthaufen gefunden werden", so Achazi. Hier entwickelt sich die nächste Generation bereits in drei bis vier Wochen: Aus zehn Tieren werden in gesundem Boden dabei gut eineinhalbtausend Würmchen – das Auszählen wird schnell zur Sisyphosarbeit. Allerdings arbeiten die Ökotoxikologen bereits an einem System, die Würmer automatisch zu zählen.

Neben den Enchytraeen benutzen die Forscher für die Reproduktionstests noch andere Bodentiere wie Fadenwürmer und Collembolen, kleine Urinsekten, die auch Springschwänze genannt werden. Für alle Tests müssen jedoch Referenzwerte mit gesundem Boden bestimmt werden, denn, so Achazi, für die Festlegung von Grenzwerten muss abgeschätzt werden "wieviel einer Chemikalie zusätzlich zum natürlichen Vorkommen im jeweiligen Boden vorhanden sein darf, ohne dass es schadet". Hohe Schwermetallgehalte können zwar eine Schadstoffbelastung darstellen, sind aber für erzhaltige Böden ganz normal.

Einige Tests der FU-Ökotoxikologen sollen nun für eine OECD-Richtlinie herangezogen werden, die international Bodenqualitäten bewerten soll. In Zusammenarbeit mit der Fraunhofergesellschaft und Kollegen aus Belgien, Dänemark und Portugal werden dafür bestimmte Tests ausgesucht. "Alle beteiligten Gruppen müssen mit dem gleichen Test herausfinden können, ob eine Bodenprobe vergiftet ist", sagt Achazi. Gewisse Substanzen zeigen jedoch keine toxische Wirkung, wenn diese mit Mortalitäts- oder Reproduktionstests nachgewiesen werden sollen. Sie kommen häufig nur in besonders geringer Konzentration vor wie z.B. Medikamente oder Abbauprodukte von Medikamenten, die über das Abwasser in die Umwelt gelangen. Deshalb etablieren die FU-Biologen seit neuestem einen Test auf DNA-Ebene. "Wenn eine Substanz in der Lage ist, bestimmte Gene anzuschalten, dann ist sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch giftig", vermutet der Ökotoxikologe. Denn dass Schadstoffe zunächst vor allem auf Genebene wirken, lässt schon die Empfindlichkeit der Fortpflanzungstests vermuten. Mitarbeiter von Achazi untersuchen deshalb, wie sich ein chemischer Stoff auf das Genom und somit letztlich auf den Organismus des Fadenwurms Caenorhabditis elegans auswirkt. Sie können dabei davon profitieren, dass das gesamte Genom des Fadenwurms vor gut einem Jahr entschlüsselt worden ist. Als Nachweissystem haben sich die Forscher die P450-Cytochrome ausgesucht, eine Gruppe von Enzymen, die auch beim Menschen eine zentrale Rolle bei der Entgiftung spielen. Bei C. elegans sind alle Gene dieser Enzymgruppe bekannt. So soll geklärt werden, welche P450-Gene des Wurms besonders empfindlich auf bestimmte Substanzen reagieren. Dafür wird die den Genen entsprechende DNA auf einem Filter fixiert. Diese Genfilter haben in den letzten Jahren als effektive Methode zum parallelen Nachweis von Genen in der Molekularbiologie für Furore gesorgt. Das Prinzip ist denkbar einfach: Die beiden Stränge der DNA fungieren als zwei einander komplementäre Matrizen, die sich bei bestimmter Temperatur von selbst passgenau zusammenlagern können. Bringt man einen Strang auf einen Träger auf, so kann er aus einem Gemisch aus vielen DNA-Einzelsträngen sein Gegenstück binden. Chemische Markierungen an der zu testenden DNA zeigen dann, an welche der Matrizen auf dem Träger sich ein Gegenstück angelagert hat. Die Biologen kultivieren C. elegans in Gegenwart der zu prüfenden Substanz, und stellen anschließend aus den Würmern die cDNA her, die allen eingeschalteten Genen des Wurms entspricht. Mit Hilfe des Genfilters fischen sie dann die gewünschten DNAs der P450-Gruppe heraus. "So erkennen wir, welche Gene durch Schadstoffe an- und abgeschaltet werden", sagt Achazi. Inzwischen wird der Genfilter sogar schon miniaturisiert und soll in Serie gehen: Dieser "Genchip" soll zurzeit von den FU-Forschern in Zusammenarbeit mit einer Firma entwickelt werden, so dass auch hier bald ein reproduzierbares Testsystem für Schadstoffe zur Verfügung steht.