Ein schöner, kurzer Text (76 Seiten, viele Bilder, Merve-Format). Latours Stil ist immer wieder anregend, offen und scheut sich nicht vor peinlichen Ausrufezeichen. Die Parallelisierung und gleichzeitige Unterscheidung zwischen Wissenschaft, Religion und Kunst ist spannend. Mir gefiel besonders der Typ der ‘acheiropoiete’. Ich verspüre zwar immer ein gewisses Unbehagen bei solchen klassizistischen Begriffen, aber der Typus der ‘acheiropoiete’ ist spannend. Gemeint sind Gegenstände, denen zugeschrieben wird, das sie nicht von Menschenhand geschaffen sind, wie beispielsweise die 10 Gebote, die von Gott kommen. Sind sind sakral und sind durch ihre Fremdgeschaffenheit nicht den Kriterien menschlicher Kritik unterworfen. Gleichzeitig jedoch liegt der geschaffene Charakter, die menschliche Arbeit und das menschliche Handeln in solcher Gegenständen und Ikonen offen zu Tage.
Die Zerstörung solcher Gegenstände, der ikonoklastische Akt, ist ebenfalls zwiespältig, denn er vollführt selbst eine bildliche Geste. Das zur Schau stellen, das Feiern der Zerstörung ist selbst ein Bild und reiht sich auf merkwürdige Weise selbst wieder in die Ikonenproduktion ein.
Diese Zwiespältigkeit, die dem Entlarven und Enthüllen von Täuschungen innewohnt, führt Latour zu einem programmatischen Statement: In Iconoclash stellt er der Einfachheit des (vermeintlichen) Entlarvens von Naivität einen komplexeren Anspruch an Kritik gegenüber. Kritik muss sich den Doppeldeutigkeiten des Lebens stellen; das Einfache Volk ist komplexer als von einer pseudointellektuellen Elite, die sich schick der Dekonstruktion und Desillusionierung verschrieben hat, immer wieder unterstellt wird. Das heisst nicht, dass Kritik falsch wäre. Nach Latour ist Kritik oft zu billig.
Wir wollen uns also anstrengen. Wir wollen die Mühen der Komplextität und der Doppeldeutigkeiten nicht scheuen und in den Alltag und seine vielfältigen Deutungsmuster einsteigen! Wir wollen die von uns dabei erzeugten Bilder mitreflektieren und unsere eigene Schuld eingestehen! (Zeit für ein paar Ausrufezeichen. hehe.)
Ein hübsches Zitat aus dem Text findet sich übrigens in den gestern neu eingerichteten citation cereals in der rechten Spalte dieses Blogs. Wer gerne mehr von Latour lesen möchte kann das umsonst und ganz legal machen, denn der Gute hat auf seiner Internetseite fast alle seine Bücher und Texte zur allgemeinen Verfügung gestellt.
Tags: Bruno Latour, image, STS, theory