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[Ausstellung über Psychoaktive Pflanzen]

Mit Furcht ins Leben

Im Norwegischen sagt man mitunter über Exzentriker, sie seien „ein wenig Elling“ – das bezieht sich auf Elling, Hauptfigur in Ambjörnsens Roman „Blutsbrüder“. Er lebt in einer betreuten Wohngemeinschaft in Oslo und muss lernen, in der Realität Tritt zu fassen. Kjell Bjarne, sein Mitbewohner, der stark an einen Orang-Utan erinnert, ist wohl das, was man gemeinhin eine „ehrliche Haut“ nennt.

Ihr WG-Leben gestaltet sich bescheiden: Sie träumen von der Liebe und wenn sie nicht von der Liebe träumen, dann davon, wie Sex sein könnte. Eigentlich stört nur ihr Betreuer Frank, der sie zwingt, die Selbstverständlichkeiten des Alltags zu meistern.

Richtig Bewegung kommt erst in ihr Leben, als die beiden der Nachbarin Reidun begegnen, die betrunken gestürzt war. Endlich kann Kjell tun, was er am besten kann – helfen ohne große Worte. Die hingegen fliegen Elling zu: Der Anblick der Hilflosen inspiriert ihn zu einem ersten Gedicht. Er fasst den Entschluss, künftig mit seinen Zeilen das Leid der Menschen zu lindern.

Gesche Westphal

Ingvar Ambjörnsen: Blutsbrüder, Piper Verlag, 8,90 Euro

Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem der FU Berlin, Königin-Luise-Str. 6-8, 14191 Berlin, Infotelefon: 030/838-50027; geöffnet täglich von 10 bis 18 Uhr, Eintritt: zwei Euro, ermäßigt ein Euro

Die Nacht des Orakels

Der neue Auster ist da! Ein unglaublich fesselnder und vielschichtiger Roman, in dessen Mittelpunkt die Macht des Zufalls und des Schicksals steht. Verschiedene Erzählebenen verbinden sich zu einem eindrucks- und geheimnisvollen Labyrinth. Da ist zunächst die Hauptfigur Sidney Orr, ein unter einer Schreibblockade leidender Autor im New York von 1982. Er ist gerade genesen von einer schweren Krankheit. Ein blaues Notizbuch voller Impressionen hilft ihm, wieder mit dem Schreiben anzufangen.
Doch seine Geschichten entwickeln eine eigene Dynamik und scheinen die reale Welt zu beeinflussen. Sidneys Protagonist ist Lektor in einem Verlag und liest gerade den Roman einer längst verstorbenen Autorin – eine Geschichte in der Geschichte in der Geschichte. Doch die Geschichte des Lektors führt in eine Sackgasse und auch Sidneys Leben wird immer verzwickter. Vor allem seine Frau Grace entfernt sich von ihm.
Gerade hier liegt die Stärke des Romans: Die innige Beziehung zwischen Sidney und Grace, die Glaubwürdigkeit der Liebe und die Zerbrechlichkeit der Beziehung machen „Nacht des Orakels“ lesens- und als Hörbuch, gesprochen von Jan Josef Liefers, äußerst hörenswert.

Oliver Trenkamp

Paul Auster: Nacht des Orakels, Rowohlt Verlag, 19,90 Euro, 386 Seiten

Sinn im Wahnsinn

Nur für Verrückte! Sinnlich dirigieren (mich) Hesses Worte durch den Steppenwolf. Die Verheißung wird gleich mitgeliefert: Jeder, der wirklich normal ist, muss verrückt sein können, vor allem es sich erlauben. Der Leser begleitet Harry Haller durch seine schizophrene Welt. Der Steppenwolf, rau und brutal, ein wenig nihilistisch gegenüber der bürgerlichen Welt, ringt mit seinem Alter Ego, dem vergeistigten Wissenschaftler, um das Leben und den Tod. Je weiter Hesse den Bogen spannt, wortreich verschlungen mit ganz eigenem Rhythmus, desto mehr „Ichs“ entstehen und immer schöner wird das Leben, das Haller in seiner Vielfalt erleben darf. Er lebt jede Rolle ernsthaft spielend, manchmal lachend, aber auch weinend oder erotisch beglückt aus. Auch stilistisch ist der Roman ein Meisterwerk. Auf drei Erzählebenen lässt Hesse seine Charaktere über das Wesen des Steppenwolfes räsonieren, Tiefenpsychologie inklusive. Der Steppenwolf ist ein Highlight der deutschen Literatur, ein Buch dem sich zu verweigern niemandem erlaubt sein sollte. Denn das Buch bietet einen Ausweg aus jeder noch so verzwickten Lage: Lerne Leben.

Florian Hertel

Hermann Hesse: Der Steppenwolf, Suhrkamp Verlag, 264 Seiten, 8,50 Euro

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