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[Zum Gedenken an Prof. Peter Hübner]


Prof. Dr. Peter Hübner

Am 11. April verstarb Dr. Peter Hübner, Professor für Bildungssoziologie am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie. Mit ihm hat die Freie Universität einen hoch geschätzten Hochschullehrer verloren, der das Gesicht der Universität über Jahrzehnte mit geprägt hat. Sein herausragendes Engagement in der akademischen Selbstverwaltung und sein Einsatz bei der Ausbildung der Studierenden wird die Freie Universität in bleibender Erinnerung halten.

Peter Hübner wurde am 5. Oktober 1935 geboren. Nach Abschluss eines 1955 begonnenen Studium der Volkswirtschaftslehre, der Soziologie und Philosophie wird Peter Hübner 1967 Assistent bei Ludwig von Friedeburg, der zu dieser Zeit Professor für Soziologie an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität ist.

Als Akademischer Rat am Institut für Soziologie lehrt er Methoden der empirischen Sozialforschung. Er wird Mitautor des seinerzeit weit verbreiteten Lehrbuchs „Einführung in die Methoden empirischer Soziologie“. Gleichzeitig widmet er sich bereits seit 1966 Fragen der Jugendsoziologie sowie im Rahmen einer Studierendenbefragung an der Freien Universität einer Beschreibung des politischen Potentials der Studierenden.

1968 wird Peter Hübner zum Direktor der Abteilung „Soziologie der Erziehung“ an das Pädagogische Zentrum (PZ) in Berlin berufen. Von 1970 bis 1973 leitete er das Pädagogische Zentrum und war gleichzeitig seit 1970 Honorarprofessor an der Pädagogischen Hochschule Berlin. Seine Tätigkeit als Direktor des PZ endete mit der Annahme eines Rufes an die Pädagogische Hochschule Berlin auf einen Lehrstuhl für Soziologie, den er bis zur Auflösung der Pädagogischen Hochschule im Frühjahr 1980 innehatte. Seit seiner Funktion in der Bildungsadministration des PZ wuchsen Peter Hübner immer neue Aufgaben im Rahmen der Bildungspolitikberatung zu. So ist er 1971 bis 1975 Mitglied der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates und des Innovationsausschusses der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung. Dort widmet er sich schwerpunktmäßig der Empfehlung „zur Reform von Organisation und Verwaltung im Bildungswesen“, ein seinerzeit sehr strittiges Thema, das ihn für sein weiteres Leben nicht wieder loslassen sollte.

1978 wurde Hübner einer der Vertreter der Pädagogischen Hochschule Berlin in der durch den damaligen Präsidenten Lämmert und den Rektor der Pädagogischen Hochschule ins Leben gerufenen Planungsgruppe für ein fachbereichsübergreifendes „Zentralinstitut für Unterrichtswissenschaft und Curriculumentwicklung“, dessen Erster Sprecher Hübner nach der Gründung am 11. April 1980 war. Ihm gelang es, die in der Bundesrepublik einzigartige Konstruktion eines Instituts, in dem Fachdidaktiker und Erziehungswissenschaftler zusammenarbeiten sollten, durch die konfliktbeladenen Gründungsmonate zu steuern, bis er 1981 zu einem der Vizepräsidenten der Freien Universität gewählt wurde. Seine Fähigkeit, in wechselnden politischen Lagen durch eine kompetente Sachorientierung das Anliegen der Berliner integrierten Lehrerbildung zu bewahren und voranzutreiben, spiegelt sich u. a. in der Tatsache, dass er bis 1988 diese Funktion in unterschiedlich zusammengesetzten Präsidien unter zwei verschiedenen Präsidenten wahrnehmen konnte.

1989 ließ er sich davon überzeugen, dass seine Expertise und sein Rat unverzichtbar für die Freie Universität waren und kandidierte erfolgreich für die Wahl zum Akademischen Senat, dem er bis zu seinem Tode angehört hat. In dieser Zeit war er Gesprächspartner, Berater, Gestalter von Entscheidungen, Arrangeur von Kommunikationen auch über politische Gräben hinweg, kurz: Hübner konnte mit jedem reden und jeder war bereit, mit ihm zu sprechen, wenn es um die Lösung konfliktärer Lagen ging. Seine freundliche, offene, niemals agonale Gesprächskultur machten ihn nicht nur zu einem unentbehrlichen, sondern zugleich auch angenehmen Gesprächspartner.

Es gibt kaum eine nennenswerte Personal- oder Sachentscheidung an der Freien Universität, die nicht durch Peter Hübner, sei es in den Gremien oder in informeller Kommunikation, als Grand Old Man mitgeprägt worden wäre. Der Tod Peter Hübners hinterlässt für die Freie Universität, aber auch für die Stadt Berlin, deren Bildungspolitik er im Rahmen seiner Tätigkeit für die SPD mit beeinflusste, eine Lücke. Ihr Umfang wird spürbar sein, wenn Kompromisse gefunden werden müssen zwischen widersprüchlichen Grundsatzpositionen, zwischen partikularen Interessen und zwischen Menschen unterschiedlicher Temperamente. Das ihm eigene Temperament humaner Offenheit im Bewusstsein einer hervorragenden Verantwortung machte ihn zum Mann des Ausgleichs. Es ist zu wünschen, dass ihm im Sinne der gefüllten Lebenszeit und des Einverständnisses mit der eigenen Biographie die Bedeutung dieser seiner Rolle für die Universität und die Berliner Bildungspolitik bewusst gewesen ist.

Prof. Dr. Dieter Lenzen
Der Autor ist Erster Vizepräsident der Freien Universität Berlin

Foto: Kundel-Saro


Lieber Peter,

wir sitzen in der Mensa und warten auf dich. Du gehörtest immer dazu. Wo bleibt Peter? Er telefoniert noch! Er kommt nach! – So war es so oft. So sollte es bleiben. Wir machten sogar Pläne für unseren Ruhestand. Einen jour fixe einmal im Monat sollte es geben für die gemeinsame Mahlzeit in der Mensa. Wir spaßten und überlegten, wer zuletzt allein am Tisch säße. Und nun dein plötzlicher Tod. Jetzt sitzen wir da und vermissen dich – und keiner fragt mehr, wo du bleibst. Und noch immer denken wir, gleich kommst du mit deinem Tablett, wir rücken zusammen, und du bist bei uns. Humorvolle, ernste oder einfach nur Gespräche über den Alltag begleiteten unsere Mahlzeiten. Wie selbstverständlich warst du der Mittelpunkt unserer Runde, der „Häuptling“, wie dich mal jemand nannte. Aber du hast diese Position nie angestrebt, für dich eingefordert, nicht durch dein Verhalten provoziert. Die Gründe dieser Rolle lagen in der Offenheit, Unaufdringlichkeit und Liebenswürdigkeit deiner Person. Dazu kam deine intellektuelle Brillanz und Souveränität, die bei den Analysen und Diskussionen unserer Tischgespräche immer sichtbar wurden. Niemals äußertest du dich anmaßend, lehrerhaft, auch nicht kumpelhaft. Toleranz und Respekt gegenüber der Meinung des anderen prägten deine Äußerungen – freundschaftlich, fast liebevoll empfanden wir sie. Dein Verstand hatte immer das Herz als Partner, dein Intellekt wurde immer durch eine starke Empathie ergänzt. Du lebtest diesen „ganzen Menschen“ vor, so warst du eben, nicht von dir bewusst eingesetzt, gespielt, Eindruck erheischend, nein, ganz selbstverständlich warst du „du selbst“, und niemand hatte das Gefühl, so sein zu müssen wie du, um deine Anerkennung und Zuneigung zu bekommen. Wir waren ganz „bei uns“, wenn du bei uns warst.

Wir hoffen, du hast gespürt, wie sehr wir dich achteten, schätzten, mochten. Nicht als Schüler, Mitarbeiter, Abhängige haben wir uns empfunden, viel mehr als Kollegen, wir waren freundschaftlich miteinander verbunden, auch über alle fachlichen, gesellschafts- und hochschulpolitischen Inhalte hinaus, die uns zusammenführten.
„Mach’s gut, mein Lieber!“ – Es schmerzt, diese Worte nie wieder hören zu können.

In den Gesichtern der Studierenden konnte man die Trauer ablesen, die sie bei der Nachricht von deinem Tod empfanden. Du warst immer auf ihrer Seite, hattest immer Zeit und Kraft für ihre Angelegenheiten, entwickeltest keine „Abwehrstrategien“. Oft hatten wir in den letzten Monaten das Gefühl, dass es dir schlechter ging als du es für dich wahrhaben und es uns wissen lassen wolltest. Du hast einfach weitergemacht wie immer, hast dich nicht geschont. Zwei Tage vor deinem Tod hast du noch an einer von Studierenden organisierten Studienberatung für die Erstsemester teilgenommen. Da saßest du mit deinem geliebten roten Pullover, souverän, erfahren, witzig, ohne jede aufgesetzte Attitüde und empfahlst den Erstsemestern, sich intensiv mit empirischen Forschungsmethoden und kritisch mit deren Interpretationen zu beschäftigen, da die Ergebnisse empirischer Forschung eine zunehmende Bedeutung bei der Gestaltung aller Bildungsinstitutionen bekommen würden. Sie sollten zügig ihr Studium absolvieren, du würdest nur noch wenige Semester für sie da sein.

Ganz im Sinne Bourdieus warst du sowohl ein kritischer Intellektueller als auch ein politischer Mensch. Genauer noch, ein „spezifischer Intellektueller“ im Sinne Foucaults. Du beschränktest deine politischen Ambitionen auf die Handlungsfelder, auf denen du deine spezifischen Kompetenzen als Forscher und Praktiker einbringen konntest. Du griffst stets mit Engagement und auch Freude ins politische Feld ein, ohne Politiker zu werden. Man könnte meinen, es war ein ständiges Hin und Her zwischen den bildungs- und schulpolitischen Handlungsfeldern und dem sog. wissenschaftlichen Elfenbeinturm. Bourdieu schreibt:

„Der Intellektuelle ist ein bi-dimensionales Wesen. Um den Namen Intellektueller zu verdienen, muss ein Kulturproduzent zwei Voraussetzungen erfüllen: zum einen muss er einer intellektuell autonomen, d.h. von religiösen, politischen, ökonomischen usf. Mächten unabhängigen Welt (einem Feld) angehören und deren besondere Gesetze respektieren; zum anderen muss er in eine politische Aktion, die in jedem Fall außerhalb des intellektuellen Feldes in engerem Sinn stattfindet, seine spezifische Kompetenz und Autorität einbringen, die er innerhalb des intellektuellen Feldes erworben hat.“

Diese Beschreibung des Intellektuellen und seines Tuns trifft genau auf dich zu. In diesem Sinne warst und bleibst du für uns immer ein Vorbild. Wir leiden unter dem Schmerz, dich verloren zu haben, aber wir erleben es auch als Bereicherung, konstruktiv mit dir gestritten, gearbeitet und gelebt zu haben.

Herbert Striebeck und der Mensa-Tisch


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