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[Kofi Annan erhält Ehrendoktorwürde]

1979 wurden im östlichen Pazifik erstmals unterseeische heiße Quellen entdeckt. Wie große Schornsteine recken sie sich vom Meeresboden empor und aus den Öffnungen am Ende dieser Schlote scheint es zu qualmen und zu rauchen. Schwarz oder weiß – wie in einem Industriegebiet – und so war schnell ein einprägsamer Name für dieses eindrucksvolle Phänomen gefunden: Schwarze oder Weiße Raucher nennt man diese untermeerischen Hydrothermalsysteme, die vor allem an Stellen auftreten, wo sich zwei tektonische Platten auseinander bewegen und die Erdkruste brüchig und instabil ist. Seit dieser Aufsehen erregenden Entdeckung vor über 20 Jahren versuchen Wissenschaftler, diese komplexen Systeme zu verstehen und ihre Bedeutung für die Meeresbiologie und die chemische Zusammensetzung des Meereswassers einzuschätzen. Eine mühsame Aufgabe, denn physikalische, biologische, chemische und geologische Prozesse laufen in diesen Systemen in enger Verzahnung ab, wohingegen Wissenschaftler in der Regel nur Experten für eine der entsprechenden Disziplinen sind. Der 89. Workshop der Dahlem Konferenzen der Freien Universität ermöglichte nun erstmals 38 Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen unter dem Titel „Von der Mineralbildung zur Bioproduktivität – Entwicklung des Energie- und Stofftransports in submarinen Hydrothermalsystemen“ einen intensiven Austausch zu diesem Thema. Vom 14. bis 19. Oktober 2001 erarbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die aus allen Teilen der Welt an die Freie Universität gekommen waren, gemeinsam neue Fragestellungen und Forschungsansätze. Geboren wurde hierbei auch die Idee einer Sommerschule, die im Jahr 2002 stattfinden soll und bei der eine Reihe der Workshop-Teilnehmer als Dozenten den aktuellen Wissensstand an Studierende, Promovierende und andere Nachwuchswissenschaftler/innen vermitteln.

„Das ist so, als würden wir mit einer Taschenlampe den Himalaja bei Nacht erforschen“, charakterisiert der französische Geologe Dr. Pierre Nehlig Unterwasserexpeditionen zu den Hydrothermalfeldern der Tiefsee. Nehlig, einer der Teilnehmer des Dahlem Workshops, war schon selbst einmal zu Untersuchungen am Meeresgrund. „In 2.000 Meter Tiefe herrscht absolute Finsternis“, sagt Nehlig und beschreibt weiter, wie der Lichtkegel des Tauchbootes, in das sich ein Wissenschaftler, der Steuermann und der Navigator zwängen, über graues Gestein gleitet, über erstarrte Lavakissen, auf denen keine Spuren von Leben zu sehen sind: öde und trostlos. „Dann sieht man zuerst einen Krebs oder ein paar Seeanemonen“ – ein erstes Anzeichen dafür, dass man sich in der Nähe heißer Unterwasserquellen befindet. Je dichter das Tauchboot an das Hydrothermalfeld kommt, desto mehr Lebewesen tauchen auf: Krebse, Krabben, Fische, Schnecken, dicht gepackte Muschelbänke mit 500 Muscheln pro Quadratmeter, alle möglichen Arten von Würmern. Je näher man den Quellen rückt, umso heißer wird es: Nahe an den Quellen überleben nur noch Bakterien und selbst die geben bei 113 °C auf. Direkt an den Austrittsöffnungen kann kein Leben existieren: Mit unglaublicher Energie wird die Minerallösung in einem fokussierten Strahl aus meterhohen Schornsteinen gepresst oder dringt diffus aus Bodenspalten hervor.

Die Lösungen können bis maximal 400°C heiß sein und sind sauer (bis pH 2), schwermetallreich und schwefelwasserstoffreich. Wenn diese Lösung sich mit dem kalten Meerwasser mischt, scheint es, als dringe schwarzer oder manchmal auch weißer Rauch aus den Spalten und Schloten. Das liegt daran, dass die Schwermetalle aus der Lösung beim Kontakt mit dem Meerwasser ausgefällt werden. Die gelösten Schwermetalle bilden zusammen mit dem Schwefelwasserstoff kleine Sulfidpartikelchen. Diese kleinen Partikel sind nun dafür verantwortlich, dass diese Quellen zu rauchen scheinen.

Derartige Hydrothermalsysteme entstehen überall entlang der ozeanischen Rücken, die sich auf etwa 60.000 km Länge durch die Ozeane winden. Hier driften die ozeanischen Platten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 11 cm pro Jahr auseinander. An diesen Stellen dringt Magma nach oben und bildet kontinuierlich neuen Meeresboden, und das bedeutet auch, dass die Kruste an diesen Stellen extrem dünn ist. Ein bis zwei Kilometer unter dem Meeresgrund können sich dann Kammern mit rund 1.150°C heißem Magma bilden. Durch Spalten in der Kruste strömt Meerwasser ein und heizt sich auf, laugt unter anderem Quarz, Kupfer, Eisen, Zink, Blei und Gold aus dem umliegenden Gestein und schießt wieder zum Meeresboden hoch. Dort fallen die vielen gelösten Bestandteile aus und bilden nicht nur den Rauch, sondern auch die charakteristischen Schornsteine und Erzhügel auf dem Meeresgrund.

Die schwarzen Raucher sind keine isolierten Regionen. Vielmehr sind sie Teil des weltweiten Stoff- und Energietransports: Sie entstehen aufgrund der tektonischen Bewegung der ozeanischen Platten und des aufsteigenden Magmas. Die hervorquellenden Flüssigkeiten wiederum transportieren große Mengen unterschiedlicher Stoffe sowie Wärmeenergie zum Meeresboden und teilweise weiter durch die Ozeane und in die Atmosphäre. Will man die Bedeutung hydrothermaler Systeme für das globale Ökosystem abschätzen, so braucht man ein Modell, das ihre Energie- und Stoffflüsse beschreibt und das dann in ein entsprechendes globales Modell eingebettet wird.

Das Dahlem Hydrothermal Reference Model

In einem ersten Schritt entwarfen die Teilnehmer des Dahlem Workshops ein solches Modell und tauften es Dahlem Hydrothermal Reference Model (DaHRM). In ihm werden die Eigenschaften aller Energie- und Stoffvorräte eines hydrothermalen Systems identifiziert und über die Prozesse, die den Material oder Wärmetransport zwischen diesen Reservoirs beschreiben, miteinander verknüpft. DaHRM soll später Teil eines größeren Modells werden, des Geochemical Earth Reference Models, das sich auf die gesamte Erde bezieht. Bevor es soweit ist, muss dem Dahlemer Modell noch Leben eingehaucht werden. Dazu aber fehlen den Wissenschaftlern derzeit noch eine ganze Reihe von Kenntnissen über die hydrothermalen Systeme. Beispielsweise muss geklärt werden, unter welchen Druck- und Temperaturbedingungen Wasser mit dem Krustengestein auf welche Weise reagiert und welche Gesteinsarten dabei eine Rolle spielen. Außerdem ist bislang unklar, welcher Anteil der Energie von den Bakterien, Würmern, Schnecken, Krabben und sonstigem Getier verbraucht wird und welche Entwicklungsstadien ein hydrothermales System durchläuft.

Peter Halbach, Professor für Rohstoff- und Umweltgeologie an der Freien Universität, der seit vielen Jahren hydrothermale Systeme erforscht und auf dessen Initiative der Workshop zurückgeht, erläutert, wie Biologen helfen können, diese zeitliche Entwicklung zu verfolgen. Anhand der Generationenfolge der dort unten wachsenden Muscheln lässt sich abschätzen, wann und wie lange welche chemischen Bedingungen geherrscht haben. Die gesamte Lebensdauer eines Hydrothermalsystems dürfte, so schätzt man, einige tausend Jahre betragen. In dieser Zeit können Lagerstätten mit drei bis fünf Millionen Tonnen Erzen entstehen, deren Abbau bisher aber noch unwirtschaftlich ist. Die Leistung pro Schornstein liegt bei rund einem Megawatt, so dass ein Hydrothermalfeld mit 500 Schornsteinen einem mittelgroßen Kraftwerk entspricht. Die kommerzielle Nutzung der dort freiwerdenden Energie ist aber nicht praktikabel. Allerdings planen Amerikaner eine Unterwasserstation, deren Energiebedarf direkt aus einem Hydrothermalfeld gedeckt werden soll.

Modell der hydrothermalen Zirkulation: Meereswasser strömt durch Spalten in die basaltische ozeanische Kruste. Je dichter es der eingeschlossenen Magmalinse kommt, desto heißer wird es. Dabei reagiert es mit dem Krustengestein. Anhydrit und Mangan fallen aus, während Kalzium, Wasserstoff und Metalle in die Lösung gehen.
Die Flüssigkeit wird dabei immer saurer. Gase, die aus dem Magma entweichen, reichern eventuell die Lösung weiter an. Bei geeigneten Drücken und Temperaturen entmischt sich die Flüssigkeit, und es bildet sich eine als „brine“ bezeichnete Lake oberhalb der Magmalinse.
Der dabei separierte Dampf kondensiert und schießt zum Meeresboden hoch, wo er sich mit dem kalten Meereswasser mischt. Dadurch fallen die meisten Minerale aus und bilden Schornsteine oder Erzhügel am Meeresgrund.
Schwarzer „Rauch“ kommt durch Metallsulfide zustande, weißer durch Sulfate oder Silikate.

Die Ergebnisse des 89. Dahlem Workshops werden in Buchform veröffentlicht. Interessenten wenden sich bitte direkt an die

Dahlem Konferenzen der Freien Universität Berlin,
Tel.: 030 /838-56602, Fax: 841 09103,
E-Mail: dahlem@zedat.fu-berlin.de.

Gabriele André

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