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[Interview mit der Vizepräsidentin Gisela Klann-Delius zur Änderung der Satzung für Studienangelegenheiten]]

Man kann versuchen, die Zeit anzuhalten, wenn die Regelstudienzeit abgelaufen ist. Besser ist ein abschlussorientiertes Zeitmanagement schon zu Beginn des Studiums. Die Studienberatung hilft dabei.

Warum will die FU Langzeitstudierende exmatrikulieren, die partout kein Examen machen wollen? Die haben den Studienbetrieb doch bisher überhaupt nicht gestört.

Die Langzeitstudierenden sind uns durchaus nicht egal, selbst wenn sie den Studienbetrieb nicht unmittelbar stören, wie Sie sagen. Denn überlange Studienzeiten sind ein Anzeichen, dafür dass es offenbar massive Probleme gibt, und die kann man nicht einfach ignorieren. Die Probleme in jedem Einzelfall zu identifizieren und zu lösen, ist das zentrale Anliegen, für das die neue Satzung für Studienangelegenheiten verbindliche Handlungsmöglichkeiten anbietet. Es geht dabei gerade nicht primär um die sogenannte Zwangsexmatrikulation. Es geht darum, durch verpflichtende Beratung der Studierenden individuell angemessene Wege zu finden, wie die bestehenden Probleme behoben werden können. Diese Wege aus dem Problem dürfen nicht bei einem unverbindlichen Gespräch stehen bleiben. Es muss möglich sein, den Erfolg der Beratung zu überprüfen. Das ist der Sinn der Auflagen. Es ist ganz klar, dass das Erteilen von Auflagen überhaupt nur dann ernst genommen wird, wenn sie auch mit sogenannten Sanktionen verbunden sind.

Aber zurück zu Ihrer Frage: Warum die Maßnahmen gerade jetzt? Ein Grund ist der, dass die bisherige Form der Prüfungsberatung, die ja mit keinerlei Konsequenzen verbunden war, zu nichts geführt hat. Ein weiterer und ganz massiver Druck zur Veränderung der Situation geht davon aus, dass die Studienzeiten tatsächlich bares Geld kosten, denn mit dem Hochschulvertrag für die Jahre 2003 bis 2005 hat sich die Situation insofern deutlich zugespitzt, als ein Teil der Staatszuschüsse leistungsbezogen verteilt wird. Im Jahr 2002 sind dies immerhin 6 Prozent der Mittel, die wir vom Land Berlin erhalten. Davon wird fast die Hälfte nach leistungsabhängigen Kriterien in der Lehre vergeben. Die Anzahl der Studierenden, die den Abschluss innerhalb der Regelstudienzeit schaffen, ist in diesem Zusammenhang ein harter Parameter. Es geht immerhin um eine Summe von 12 Mio. DM.

Dr. Gisela Klann-Delius ist im Präsidium der FU u. a. für Lehre und Studium, Evaluation von Studiengängen sowie Absolventenverbleib zuständig.

Wird hier nicht ein Popanz aufgebaut? Zahlenmäßig fallen die Langzeitstudierenden doch gar nicht ins Gewicht, oder?

Natürlich fallen die Langzeitstudierenden ins Gewicht. Es gibt fast 7.000 Studierende von 39.000 Immatrikulierten, die die Regelstudienzeit um vier Semester und mehr überschritten haben. Langzeitstudierende, die 20 Semester und mehr bei uns sind, sollten sich entscheiden, und dies sollte ihnen auch unmissverständlich nahe gebracht werden. Aber das ist nur der kleinere Teil der Langzeitstudierenden, viele habe ernstliche Probleme mit ihrem Studium oder sie haben soziale Schwierigkeiten. Hier muss eine Hilfestellung durch individuelle und verbindliche Beratung erfolgen.

Die Kritiker der Zwangsexmatrikulation – allen voran der AStA und BÜNDNIS 90/ GRÜNE – werfen der FU indirekt vor, für die vielen Langzeitstudierenden selbst verantwortlich zu sein, weil sie es versäumt habe, Studienordnungen und Studieninhalte zu reformieren. Was entgegnen Sie ihnen? Was unternimmt die FU, um die Studienbedingungen zu verbessern?

Diese Kritik ist nun doch arg schlicht. Wenn die FU mit ihren Studienstrukturen und -bedingungen alleine für die Langzeitstudierenden verantwortlich wäre, frage ich mich, warum überhaupt noch viele Studierende ihr Studium schaffen, was aber der Fall ist. Viele schließen ihr Studium zwar nicht in der Regelstudienzeit ab, aber das Langzeitstudium von mehr als 20 Semestern ist auch nicht der Normalfall. Dennoch bleibt festzuhalten: Es gibt in zu vielen Bereichen zu lange Studienzeiten. Zu lange Studienzeiten gibt es in den häufig mit Lehrstoff überfrachteten Studiengängen, so vor allem bei den Lehramtsstudiengängen, und in den weniger strukturierten Magisterstudiengängen, vor allem in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Und hier scheint besonders das Hauptstudium die Studiendauer zu verlängern, da kommt für viele die große Hängepartie. Dies hat viele Gründe. Von den Fächern selbst wird genannt, dass gerade das Hauptstudium zu wenig strukturiert sei, es zu viele Wahlmöglichkeiten offen lasse. Mit der Wahlfreiheit sind viele Studierende dann überfordert. Außerdem wird das Angebot im Hauptstudium nicht ersichtlich genug auf mögliche Abschlüsse hin angeboten. Auch das Betreuungsverhältnis ist – gelinde gesagt – nicht optimal. Dies liegt häufig auch daran, dass die Anzahl der Studierenden sich meist sehr ungleich auf die Lehrveranstaltungen und die Prüferinnen und Prüfer verteilt.

Die Fachbereiche haben verschiedene Vorstellungen davon, wie dem Missstand abzuhelfen ist: Dazu gehören Mentorenmodelle, Verlängerung und Intensivierung der Beratungstätigkeit, stärkere Strukturierung der Angebote im Hauptstudium. Geblockte Prüfungszeiten können ebenfalls dazugehören. Auch intelligent modularisierte Bachelor- und Masterstudiengänge verkürzen die Studienzeiten unter anderem deshalb, weil sie mit einem studienbegleitenden Prüfungssystem verbunden sind.

Sowohl die Diagnose der Missstände in den Fächern wie die Maßnahmen zu ihrer Abhilfe sind im übrigen das Ergebnis der breit angelegten Evaluation der Lehre an der FU, die von den Fächern selbst vorgenommen wurde und zu der externe Gutachter Empfehlungen gegeben haben. Die aus dieser Lehrevaluation zu ziehenden Konsequenzen werden in den diesjährigen Zielvereinbarungen mit den Fachbereichen verabredet. Die FU unternimmt also einiges, um die Studienbedingungen zu verbessern.

Lassen Sie uns noch mal auf die Prüfungsberatung zurückkommen. Haben Sie sich Gedanken über die praktische Durchführung gemacht? Welchen Ermessensspielraum räumen Sie den Beraterinnen und Beratern ein? Gibt es schon so etwas wie Durchführungsbestimmungen?

Den Professoren muss ein Ermessensspielraum in der Prüfungsberatung eingeräumt werden, weil die Würdigung der individuellen Umstände, die zur Verlängerung des Studiums geführt haben, die unabdingbare Voraussetzung für eine angemessene Beurteilung ist. Das macht Durchführungsbestimmungen deshalb nicht entbehrlich, denn sonst könnten wir kaum den Vorwurf entkräften, das Verfahren willkürlich zu handhaben. Den Kriterienkatalog haben wir aber bisher noch nicht erstellt, weil wir zunächst die offizielle Reaktion der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kultur abwarten wollen.

Rechnen Sie denn mit einer Zustimmung der Senatsverwaltung?

Inoffiziell gibt es schon seit einiger Zeit ablehnende Signale, offiziell liegt nichts vor. Aber schon jetzt ist eines klar: Wenn uns die Politik für die überlangen Studienzeiten durch Mittelentzug abstraft, muss sie bereit sein, auch restriktive Maßnahmen gegen Langzeitstudierende mitzutragen. Wenn sie dies nicht tut, wird dem Vertragspartner abverlangt werden müssen, auf anderem Wege die Erfüllung des Hochschulvertrages durch die FU sicherzustellen. Verträge basieren ja nun mal auf der Annahme, dass das dort Festgelegte überhaupt erfüllbar ist.

Foto: Dahl
Foto: Harold Lloyd im Film Safety last (1923) / ullsteinbild

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