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Ausstellung: Berlin-Brandenburg im Kartenbild

Vom modernen Kartenbild und oft noch weit stärker von dem individuell gestalteten Bild der Karten vergangener Jahrhunderte geht ein eigenartiger Reiz aus. Ist es der Modellcharakter der Landkarte, der uns die Landschaft durch die Verkleinerung in ihren wesentlichen Zügen übersichtlich macht? Oder ist es die Entdeckungsfreude angesichts des Auffindens von Gegenden in der Karte, die man bisher nur aus der Anschauung des „Zweifüßers“ kannte? Oder ist es gar die Fähigkeit zur Vorhersage, die uns die Karte dadurch verleiht, dass wir mit ihr hinter einen Wald, hinter ein Gebirge oder sogar hinter den Horizont blicken können? Die Ausstellung gibt dem Besucher die Möglichkeit, diese Fragen selbst zu beantworten.

Landkarten/Raumbilder und Raumbewusstsein der Gegenwart werden in der Ausstellung mit den historischen Gegebenheiten unseres Raumes konfrontiert. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit – Berlin-Brandenburg war damals noch ein „Entwicklungsland“ – gab es in unserem Raum keine eigene Landkarten. Zu dieser Zeit haben „uns andere gesehen“, z. B. 1375 mallorquinische Kartographen auf der Grundlage von Berichten seefahrender Kaufleute. Berlin-Brandenburg lag für sie am Nordrand der ihnen bekannten Welt. Das so entstandene Kartenbild zeigt von unserem Raum nur die Elbe mit den Städten Tangermünde, Stendal und Lenzen – der übrige Raum wurde leer gelassen. Aber der Raum erscheint nur leer, weil lediglich sehr wenige Informationen über diesen Raum vorlagen.

Denn im gleichen Jahr 1375 stellten kaiserliche Beamte das „Landbuch Kaiser Karls IV.“ zusammen, und zwar als Verzeichnis der märkischen Dörfer und Städte sowie der jeweiligen Abgaben an weltliche und geistliche Gewalten. Setzt man dieses Landbuch kartographisch um, so wird die vollständige Kulturlandschaft Berlin-Brandenburgs mit ihren Siedelungen und Straßen sichtbar, wie sie bereits 1375 existierten.

Erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts „beginnen wir, uns selbst zu sehen“, als Festungspläne und später auch Stadtpläne von den Siedlungs-„Knoten“ im Lande selbst gezeichnet und gedruckt wurden. Der Übergang zur flächenhaften kartographischen Erschließung Berlin-Brandenburgs bleibt dem 18. Jahrhundert vorbehalten. Jetzt entwickelte sich das Bewusstsein, dass der Boden Produktivvermögen darstellt, das es mit Hilfe von Karten zu erfassen, zu entwickeln, zu kontrollieren und zu verwalten galt. Die Vermessung bestimmte ab dem frühen 19. Jahrhundert das kartographische Geschehen. Nun wurden – erstmals als permanentes Monopol des Staates – auch amtliche Karten herausgegeben, wie sie für uns inzwischen selbstverständlich geworden sind.

Die kartographische Gegenwart ist einerseits durch eine Vielzahl von völlig neuartigen technischen Verfahren gekennzeichnet, die die Erfassung, Verarbeitung und Darstellung raumbezogener, georeferenzierter Daten grundlegend verändert haben und weiter verändern. Auch diese Techniken sind in der Ausstellung vertreten. Andererseits wird ein Teil dieser Verfahren – vor allem die Gewinnung von Fernerkundungsdaten aus dem Weltraum – nur von Großmächten wie z. B. den USA und Russland beherrscht. Wieder „sehen uns andere“ auf eine Weise, wie wir selbst es nicht vermögen. Und wie der wurden Karten gedruckt und vertrieben, die Teile unseres Raumes als „leer“ erscheinen lassen. Jetzt fehlten jedoch keine Informationen, sondern den Benutzern der Karten sollte damit verdeutlicht werden, dass sie über diesen Raum keine Informationen benötigten – weil sie ihn nicht erreichen konnten; man erinnere sich an „West-Berlin“/„Westberlin“ als leere Fläche auf Plänen und Karten aus der ehemaligen DDR. Der historische Kreis schließt sich.

Die Ausstellung wurde in Kooperation mit der FU Berlin/Fachrichtung Kartographie und der Staatsbibliothek zu Berlin/ Kartenabteilung entwickelt und umfasst mit ihren fast 200 Exponaten die Periode vom hohen Mittelalter (1375) bis zu digitalen Raumdarstellungen des Jahres 2000.

Prof. Dr. Wolfgang Scharfe

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