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Von Felicitas von Aretin

"Braucht die Freie Universität Regionalwissenschaften?", heißt es zugespitzt in der Präsidiumsvorlage, die dem Akademischen Senat Anfang September zur Beschlussfassung vorlag. Der Akademische Senat hat diese Frage in seinem Beschlussentwurf eindeutig positiv beantwortet: "Der Akademische Senat betrachtet die regionalwissenschaftlichen Zentralinstitute der Freien Universität als wesentliche, zum Profil der Universität beitragende Einrichtungen." Als Kompetenzzentren für Politik, Wirtschaft, Kultur und die Medien gewännen die drei Regionalinstitute vor allem in Berlin als Regierungssitz in der Mitte Europas zunehmend an Bedeutung. Präsidium und Akademischer Senat stimmten darüber hinaus dem Wissenschaftsrat in seiner Forderung nach einer Reform der Regionalinstitute zu, auch wenn man sich der Fundamentalkritik des Wissenschaftsrates an den Regionalinstituten nicht anschließen wollte.

"Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates berücksichtigen nicht ausreichend die besondere Situation Berlins als Hauptstadt, europäische Metropole und 'Drehscheibe' zwischen Ost und West", äußerte FU-Präsident Prof. Dr. Peter Gaehtgens jüngst im Tagesspiegel.
In seinen Empfehlungen hatte sich der Wissenschaftsrat im Mai kritisch mit der künftigen Rolle der Regionalinstitute auseinander gesetzt. Die Kategorie "Raum" beziehungsweise "Region" sei kein überzeugendes Gliederungsprinzip mehr für Forschung und Lehre, da der Abstand zu den Kerndisziplinen zu groß würde, ohne dass ein wissenschaftlicher "Mehrwert" der Institute zu erkennen sei. "In seinen Empfehlungen bleibt der Wissenschaftsrat widersprüchlich", sagt Prof. Dr. Knud Krakau vom John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien (JFKI). Schließlich leuchte es nicht ein, warum der Begriff der "Region" für den außereuropäischen Kulturraum Geltung haben sollte, nicht aber für Europa selbst. Auch die Forderung nach Interdisziplinarität bei gleichzeitig zu großer Abkoppelung von den Kerndisziplinen überzeuge nicht.

In seinen Empfehlungen unterscheidet der Wissenschaftsrat dabei zwischen den einzelnen Instituten: Während das JFKI von den Gutachtern durchaus lobend erwähnt wird, äußern sie sich über das Osteuropa-Institut sehr kritisch. Da der Wissenschaftsrat die Regionalinstitute grundsätzlich in Frage stellt, werden alle drei Institute durch externe Fachkommissionen evaluiert. "Es ist unbefriedigend, dass der Wissenschaftsrat das veraltete Gutachten der Landeshochschulkommission von 1992 zur Grundlage macht", sagt der Vorsitzende des Institutsrats, Prof. Dr. Holm Sundhaussen. "Auf lange Sicht wird die Region 'Osteuropa' nicht einfach verschwinden". Dennoch sei die Frage zunächst durchaus berechtigt, ob nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und im Zeitalter der Postmoderne und Globalisierung der Untersuchungsgegenstand "Osteuropa" noch zeitgemäß sei.

"Wo in Deutschland sollte es ein Osteuropa-Institut geben, wenn nicht an einem Standort mit drei Universitäten, einer Vielzahl nicht-universitärer Forschungseinrichtungen und zahlreichen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verknüpfungen mit dieser Region?", fragte Gaehtgens deshalb rhetorisch und betont, dass die Freie Universität zwar eine Schließung des Osteuropa-Instituts ablehnt – Reformen hingegen nicht. Vielmehr sei eine Neukonzeption erforderlich, um das angeschlagene und personell unterbesetzte Institut neu zu positionieren. Eine interne Steuerungsgruppe hat deshalb erste Vorschläge unterbreitet: So ist geplant, künftig einen viersemestrigen Master-Studiengang Eastern European Studies einzurichten, der auf B.A.-Abschlüssen aufsetzt. Ferner will das Institut einen Fernstudiengang Eastern European Studies und eine Summer-School anbieten und den wachsenden, auf Osteuropa bezogenen Beratungsbedarf decken. Ziel ist es, die in Berlin vorhandenen Experten besser zu vernetzen. "Gemeinsam mit der Humboldt-Universität, der Universität Potsdam und der Viadrina in Frankfurt/ Oder verfügen wir über das dichteste Beraternetz zu Osteuropa in Deutschland", sagt Sundhaussen.

"Großen Einfluss auf unsere Arbeit werden die Empfehlungen des Wissenschaftsrats nicht haben", erwidert hingegen Knud Krakau, aber man sei auf das Gutachten der Fachkommission sehr gespannt. Schließlich habe sich das JFKI auf Grund seiner Struktur und seiner hervorragenden Bibliothek längst zum Zentrum der Amerikaforschung in ganz Europa entwickelt. Einmalig in Deutschland sei das fächerübergreifende Studienangebot, das darauf abziele, berufspraktische Kompetenzen im Bereich Nordamerika anzubieten. Der Studiengang Nordamerikastudien sei erst kürzlich verbessert worden, seit 1999 bestehe die "Zusatzordnung für Kanadastudien".

Auch das Lateinamerika-Institut sieht sein Konzept einer regionalwissenschaftlichen Ausrichtung durch den Wissenschaftsrat eher bestätigt. Vor allem die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit führe zu anerkannten Forschungsleistungen. Derzeit werde ein "Forschungsverbund Lateinamerika" gemeinsam mit interessierten Institutionen in Berlin und Brandenburg erwogen.

Die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur setzt derzeit Fachkommissionen zur Evaluation der Regionalinstitute ein, die Anfang Oktober das erste Mal tagen. Die Freie Universität hat sich im Grundsatz bereit erklärt, die Regionalwissenschaften innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre eventuell auch in eine flexiblere Organisationsform zu überführen, die sich an dem Vorbild von Sonderforschungsbereichen orientieren könnte.

 
 
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