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FU-Nachrichten 11-12/99
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Die Freie Universität startet ins nächste Jahrtausend
Die Idee Europa

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Die Freie Universität startet ins nächste Jahrtausend


Die Idee Europa

Von Andrea Syring

Jahrhundertelange Tradition: Der Kampf um Europa
Foto: Archiv für Kunst und Geschichte

Mit Beginn des neuen Jahrtausends will sich die Freie Universität intensiv einem Themenkomplex widmen, der die politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung unserer Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten nachhaltig beeinflussen wird: Die Konzeption und Gestaltung Europas.

Seit dem Ende des Kalten Krieges und der damit einhergehenden Aufhebung der Ost-West-Dichotomie, dem Erstarken des islamischen Fundamentalismus, dem wirtschaftlichen Aufschwung der ostasiatischen Staaten sowie der wirtschaftlichen Globalisierung stellt sich die Frage nach der Entwicklung und Funktion internationaler Zusammenschlüsse und Kooperationen in veränderter Weise. Vor dem Hintergrund der Veränderungen der vergangenen Jahre muss nach der Konzeption, der Konstitution sowie der Identität Europas in neuer Form nachgedacht werden. Unterschiedliche regionale Kulturtraditionen und historisch gewachsene Identitäten sowie unterschiedliche soziale und ökonomische Lebensverhältnisse führen zu einer Stärkung regionaler Interessen, die den (oft noch eher administrativen) Bemühungen um ein Zusammenwachsen entgegenstehen. Die konkreten Diskussionen über die EU-Erweiterung, um osteuropäische Staaten oder die Türkei, die Frage nach einer europäischen Grundrechte-Charta, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, dem Umgang mit Konflikten innerhalb und außerhalb Europas usw., aber auch das Ausweichen in eine oft kleinteilig anmutende bürokratische Regelungswut spiegeln tagtäglich die ungelöste Grundfrage nach einer gemeinsamen europäischen Identität und Konstitution wider.

Versteht man Europa nur als politisches oder wirtschaftliches Zweckbündnis verschiedener Staaten oder als eine historische gewachsene Kulturgemeinschaft? Was sind die Gemeinsamkeiten einer europäischen Kultur angesichts der großen regionalen Vielfalt? Gibt es eine "Idee Europa" auch in der Außenbetrachtung? Worin müssten die elementaren Fundamente eines europäischen Rechtsrahmens bestehen? Worauf wären, gäbe es sie, gemeinsame Interessen der Europäer gegenüber anderen Regionen der Welt gerichtet? Wie steht es um die Außenbetrachtung Europas, die auf die zunehmende Globalisierung insbesondere der westlichen Zivilisation reagiert?

Die Freie Universität will das Jahr 2000 einer intensiven fachbereichs- und fächerübergreifende Beschäftigung mit diesen Fragen widmen. Durch ihre Position in der Hauptstadt Berlin, an der Schnittstelle zwischen Ost- und Westeuropa, ihre seit der Gründung intensiv gepflegten zahlreichen internationalen Verbindungen sowie der in ihr versammelten wissenschaftlichen Kompetenz und des breiten fachlichen Spektrums bildet die FU ein geeignetes Forum für eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Thematik.

In verschiedenen Veranstaltungsformen werden die Fragen um die "Idee Europa" thematisiert:

Die Fachbereiche sind aufgefordert, (möglichst intersdisziplinäre) Lehrveranstaltungen zum Thema Europa anzubieten. In einem fächerübergreifenden kommentierten Vorlesungsverzeichnis werden sowohl für das Sommer- als auch für das Wintersemester alle angebotenen europabezogenen Veranstaltungen zusammengestellt. Für das Sommersemester wird beispielsweise eine Ringvorlesung zum Thema "Europäische Perspektiven in der bildenden Kunst" geplant.

Im Rahmen der "Erasmus-Lectures" werden hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur eingeladen, um verschiedene Fragen des Themas "Europa" in Vorträgen und Diskussionen zu beleuchten.

Über die Vorträge von Botschaftern außereuropäischer Staaten soll im Ambassador-Kolleg vor allem die Außenperspektive auf Europa thematisiert werden. Gedacht ist auch an eine sogenannte "Ambassador Conference on Europe", bei der Botschafter aus einem afrikanischen, einem asiatischen und lateinamerikanischen Land über ihre Erwartungen und Befürchtungen gegenüber Europa gemeinsam diskutieren.

Höhepunkt ist die im November 2000 stattfindende europäische Studierendenkonferenz, bei der studentische Delegationen europäischer Universitäten aufgefordert sind, eine Vision für ein Europa des 21. Jahrhunderts zu entwerfen. Ziel der mehrtägigen Konferenz ist die Verabschiedung eines Memorandums "The Making of Europe – Guidelines of European Policy in the 21st Century". Zu dieser Konferenz werden studentische Delegationen der europäischen Hauptstadtuniversitäten eingeladen. Jeweils ca. zehn Studierende pro Universität/Land werden an der Konferenz teilnehmen. Die Studierenden werden während des ganzen Jahres von Dozenten ihrer Heimatuniversitäten auf den Kongress vorbereitet. Die Konferenzsprache ist Englisch. Jede Universität vertritt das eigene Land. Die Konferenz tagt in zehn Ausschüssen, die sich unter anderem mit Elementen einer europäischen Verfassung, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, Regionalpolitik, Wirtschafts- und Finanzpolitik usw. beschäftigen, um anhand der fachspezifischen Probleme eine Vision für die Konzeption und Konstituierung Europas zu entwerfen.