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FU-Nachrichten 11-12/99
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Prof. Dr. Burghardt Wittig ist "Unternehmer des Jahres 1999"
Radikal denken

Der einheitliche FU-Campus in Dahlem nimmt langsam Gestalt an
Filigrane Kuppel und das Headquarter

   
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Prof. Dr. Burghardt Wittig ist "Unternehmer des Jahres 1999"


Radikal denken

"Zu Schulzeiten war ich schlecht in Mathe, und Arzt wollte ich auch nicht werden" – Ungünstige Voraussetzungen für einen Mediziner, könnte man denken. Doch Burghardt Wittig (52) gibt sich nicht mit vorgefertigten Meinungen zufrieden. "Meine Devise lautet: Radikales Denken. Ich will meine Ideen umsetzen. Erst wenn sie auch noch nach vielen Diskussionen aussichtslos sind, bin ich bereit, sie zu modifizieren. Dadurch habe ich mehr Spaß an den Dingen und am Denken." Dass er seine Visionen mit zielstrebigem Engagement verfolgt und dabei vor allem unkonventionelle Wege geht, belegt nicht nur die Ausbildung. Schon das Medizinstudium zwischen 1968 und 1975 an der FU verläuft bei ihm anders als üblich: Erste Kontakte zur Biochemie bereiten die von biophysikalischen Konzepten beherrschte Forschung vor, begleitend studiert er Physik am California Institute of Technology, und zusätzlich lässt er sich im elterlichen Betrieb zum Hörgeräteakustiker ausbilden. "Da mein Vater sehr krank wurde, sollte ich den Betrieb übernehmen."

Die wissenschaftliche Karriere beginnt 1975 zunächst in bewährter Form als Assistent mit eigener Arbeitsgruppe und anschließender Assistenzprofessur. Nach Promotion und Habilitation in den Fächern Biochemie und Molekularbiologie erhält er dann als Heisenberg-Stipendiat der DFG zwischen 1983 und 1989 Einladungen u.a. an das Weizman Institute of Science in Rehovot sowie die japanische Forschungseinrichtung ERATO in Tokio und hält sich als Gastprofessor und Fellow zwei Jahre am Massachusetts Institute of Technology auf. 1989 stehen schließlich mehrere Professuren zur Auswahl; er entscheidet sich für die FU, weil sie als einzige Einrichtung bereit ist, seine unternehmerischen Ambitionen zu unterstützen. Als "Nebenprodukt" der bioinformatischen Forschung gründet er die Soft Gene GmbH für molekularbiologische Software. Seit sich Burghardt Wittig und seine Mitarbeiter das neu entwickelte Gen-Therapie-Verfahren MIDGE haben weltweit patentieren lassen, ist er nicht mehr nur wissenschaftlich, sondern auch unternehmerisch auf Erfolgskurs. Für seinen Mut zur Innovation hat ihn die Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer nun zum "Unternehmer des Jahres 1999" ernannt.

Einwände gegen die enge Verbindung von Forschung und Wirtschaft entkräftet er: "Ich bin für die freie Forschung. Durch die Anwendungsorientierung erhält sie jedoch eine andere Qualität. Vieles geht einfach schneller."

Auch als Vorstandsvorsitzender der Mologen Holding AG erfüllt Prof. Wittig strikt seine Lehrverpflichtungen. In der vorklinischen Ausbildung hält er weiterhin die Hauptvorlesung. Der ständige Kontakt zu Studenten und Kollegen ist ihm sehr wichtig. "Wir pflegen das Prinzip der offenen Tür. Feste Sprechzeiten sind für mich undenkbar." Im Team der 35 Mitarbeiter geht ohnehin Berufliches und Privates oft ineinander über.

Für seinen Achtzehn-Stunden-Tag hält sich Burghardt Wittig durch regelmäßiges Joggen fit. Als leidenschaftlicher Snowboarder verzichtet er auch nicht auf den Urlaub. "Für die Zukunft wünsche ich mir vor allem mehr otium cum dignitate. Die Termine im Halbstundentakt sind meist unbefriedigend. Ich würde gern wieder ein Buch jenseits der Fachliteratur lesen und auch musizieren", sagt der einstige Klarinettist und Preisträger des Wettbewerbs "Jugend musiziert" 1965. "Unglücklich wäre ich, wenn ich auf Leute um mich herum verzichten müsste, die für die ständige Kritik und nötige Bodenhaftung sorgen. Meine Ideen brauchen die Beschränkung von außen."

Anke Ziemer

Foto: Kundel-Saro