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No FUture für's Semesterticket - AStA beim Verhindern des Tickets erfolgreich (April 1999)

Über das Semesterticket, die erste von Studierenden erzwungene Urabstimmung an der FU, ihren Anlaß, ihre Ergebnisse, ihre Folgen - von denen beschrieben, die "dahinter" stecken


Prolog: Ein Angebot, ein Angebot!

Toll gelaufen, die StuPa-Sitzung am 23. Oktober 1998. Nach sechs endlosen Jahren der Semesterticket-Verhandlungen liegt endlich ein Angebot des VBB für ein Semesterticket vor (das legendäre 227,50-DM-Angebot, das noch für einigen Wirbel im Senat sorgen wird, da die BVG es später nicht mittragen will...) und unsere lieben StuPa-Kollegen von den AStA-Gruppen haben nichts besseres zu tun, als erneut die Einführung des Nulltarifs zu fordern und sich über die Nichtberücksichtigung der Schwarzfahrerinteressen zu echauffieren. Eigentlich ist von Anfang an klar, daß diese Leute einmal mehr über den Kopf der Studierenden hinweg entscheiden werden, daß über dieses Angebot nicht einmal abstimmt wird - von einer Einführung des Tickets ganz zu schweigen. Als ordentlicher AStA-Dogmatiker kann man doch die Studenten nicht über etwas entscheiden lassen, was einem selbst nicht genehm ist. Schließlich könnten die Studenten ja auf die Idee kommen, das Angebot anzunehmen. Und das ginge nun wirklich zu weit.

Ein herber Rückschlag, scheint doch das Ticket erstmals in greifbarer Nähe zu sein. Ein DEFOianer gibt aber so schnell nicht auf: Im Anschluß an eine Mitgliederversammlung Ende Oktober wird die Idee vertieft, das Ticket doch noch zur Urabstimmung zu stellen. Eine Urabstimmung ist nötig, um das Ticket einführen zu können, das sieht das BerlHG in § 18a vor. Eine Urabstimmung kann aber nicht nur nach Lust und Laune des AStA angesetzt werden, sondern ebenso von 5% der Studierenden erzwungen werden. Freilich hat dies an der FU noch nie jemand probiert. Aber es geht um das Ticket - über die Angebote muß schon deshalb abgestimmt werden, weil eine etwaige Annahme oder Ablehnung nur von den Studenten insgesamt und eigenverantwortlich ausgesprochen werden soll und nicht durch den AStA.

Doch während wir noch an der Planung der Urabstimmung arbeiten und uns mit den anderen Hochschulgruppen koordinieren - eine Aktion dieser Größe führt man schließlich lieber gemeinsam durch - fällt das Angebot des VBB wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Weder BVG noch Senat sind mit der Kalkulation des VBB einverstanden, sie sei nicht kostendeckend (Um so verwunderlicher die ständige "billiger"-Forderung des AStA. Wenn 227,50 DM kein kostendeckender Preis ist - freilich nach BVG-Angaben - wie soll man dann BVG und Senat von einem Preis unter 200 DM überzeugen?). Die Probleme ziehen sich den ganzen November hin, bis schließlich die zwischen BVG und VBB abgestimmten Angebote zu 215 DM bzw. 275 DM vorliegen (zu den Details dieser Angebote und zum Sozialfonds vgl. DEFO-Info-Updates Nr. 38/1 und Nr. 38/4).

Das ist unser Moment, diese Angebote sollen die Studierenden selbst ablehnen oder annehmen können. Die dauernde Bevormundung durch den AStA soll aufhören. Mit Hilfe von ca. 4.300 Unterschriften (=10%) der FU-Studierenden wollten wir die Urabstimmung gegen den Willen des AStA durchsetzen. Die Unterschriftenbögen werden gedruckt, an die Gruppen verteilt, die Unterschriftensammlung wird koordiniert.


Eisfüße für ein Autogramm

Montag, 7. Dezember 1998: Die Aktion "Semesterticket jetzt abstimmen" läuft an. DEFO-Mitglieder sammeln ab heute zwei Wochen lang vor den Mensen, in U-Bahnhöfen und im Fachbereich Rechtswissenschaft Unterschriften für das Begehren zur Urabstimmung. Als wir uns am Montagabend mit den anderen Gruppen treffen, wird deutlich, daß schon am ersten Tag 1.000 Studierende unterschrieben haben - angesichts unserer anfänglichen Befürchtungen ein Riesenerfolg. Bereits am nächsten Tag weht aber ein heftiger Gegenwind. Alle möglichen Gruppierungen, die sich bis zu diesem Moment nicht eine Sekunde um das Semesterticket geschert haben, werfen Flugblätter mit absurden Darstellungen und versuchen die Studierenden daran zu hindern, auf unseren Listen zu unterschreiben. Aber: Wüste Beschimpfungen an unseren Ständen, haltlose Lügen, die abstruse Behauptung, die Aktion sei ein Wahlkampfgag können den Erfolg nicht mehr verhindern (Übrigens: Wer meint, etwas werde zwecks Wahlkampf gegen ihn verwendet, offenbart 1. daß ihm keine guten Gegenargumente einfallen und 2. ein mehr als schlechtes Gewissen!). Trotz kalter Füße (ja, wir hatten uns für die Unterschriftensammlung eine der wenigen wirklich kalten Wochen des letzten Winters ausgesucht...) und des wütenden Geschreies einiger präpubertierender Rostlaubenstudentinnen, die offensichtlich mit einer Breitseite knallharter AStA-Dogmatik eingenordet worden sind und nicht einmal unsere Argumente hören wollen, harren wir an unseren Ständen aus. Das Leben ist hart, als "reiches, rechtes Faschistenschwein"... Am zweiten Abend hatten wir dann bereits 2.000 Unterschriften zusammen. Auch das FU-Bündnis erwacht aus dem Winterschlaf und leistet unerwartete Schützenhilfe - fordert in Flugblättern die Studierenden zum Unterschreiben auf unseren Listen auf.

Am Dienstag abend sitze ich in unserem Büro, als das Telefon klingelt. Bernhard teilt mir mit, daß sie am U-Bahnhof Thielplatz Hilfe bräuchten, weil Lammert am Stand überfallen worden ist. Tatsächlich: Radikale haben Lammert angegriffen und versucht, ihm die Unterschriftenlisten zu entreißen (was ihnen aber zum Glück nicht gelungen ist). Lammert hat sich die Listen geschnappt und Land gewonnen; der Stand allerdings hat weniger Glück: Er wird zerlegt und seine Überreste werden auf den U-Bahn-Schienen verteilt. Dieses Ereignis hat zeigt einmal mehr, worum es manch einem, der sich selbst einer dogmatisch-kritischen Einstellung rühmt, eigentlich geht. Jedenfalls nicht um Demokratie und Gerechtigkeit, sondern um irgendwelche egoistischen Ideologien, die mehr mit der eigenen Selbstverwirklichung zu tun haben, als mit zukunftsweisender gesellschaftspolitischer Reform. Doch dieser Überfall ist nicht alles, Mittwoch nacht erhält einer der Jusos einen Drohanruf, in dem er als "rechtes Juso-Schwein" (paradox, was?) beschimpft wird und ihm in Aussicht gestellt wird, man werde ihn"platt machen", falls er weiter Unterschriften sammle. Den Vogel schießt dann am Freitag ein StuPa-Abgeordneter der USL (Unabhängige Schwule Liste) ab, als er erklärt, er werde einer Petition des StuPa, in der die Gewalttaten gegen die Unterschriftensammler als Mittel der politischen Auseinandersetzung verpönt werden, nicht zustimmen. Er sehe nicht ein, weshalb er sich mit weißen, heterosexuellen BVG-Fahrern solidarisieren solle. Von einer linksradikalen AStA-Liste hieß es dann noch, man verstehe nicht, weshalb ausgerechnet die Opposition Probleme mit Gewalt habe, eine Klage vor dem Verwaltungsgericht sei schließlich auch eine Form von psychischer Gewalt. Ah ja!

Doch die zahllosen und mehr oder weniger legalen Versuche des AStA und seiner außer Kontrolle geratenen Anhänger, die Urabstimmung zu torpedieren, scheitern allesamt. Am 8. Januar 1999 reichen wir insgesamt 5.017 Unterschriften bei der Sitzungsleitung des Studentenparlaments ein. Der erste Akt ist überstanden, die erste Unterschriftensammlung zur Erzwingung einer Urabstimmung in der Geschichte der FU ist erfolgreich. Nach der Satzung der Studierendenschaft muß die Sitzungsleitung nun unverzüglich eine Sitzung des Studierendenparlaments zur Einsetzung eines Ausschusses zur Durchführung der Urabstimmung einsetzen. Muß. So ein Zufall, daß zur nächsten StuPa formal fehlerhaft eingeladen wird ... und plötzlich ist auch dem AStA die Beachtung der Formalia gaaanz wichtig. Aus Gründen der Demokratie. Schlecht kann einem werden, wenn Leute, die Untersuchungsausschüsse als Regierungsinstrument verstehen und meinen, daß das Grundgesetz auf dem Boden der FU nicht gelte, sich plötzlich auf etwas berufen, von dem sie allenfalls wissen, wie man es mit Füßen tritt.


Auf dem Weg zur Abstimmung: nichts als Ausschuß

Der vom Studierendenparlament zur Durchführung der Urabstimmung dann doch schon am 22. Januar 1999 (zwei Wochen später!) eingesetzte Ausschuß ist mit vier Leuten aus dem AStA-Spektrum und drei Mitgliedern der studentischen Opposition besetzt. Er entscheidet mit Mehrheit über die Einzelheiten der Durchführung der Abstimmung. Die erste Einzelheit: In der Ausschußsitzung vom 28. Januar 1999 wird beschlossen, die von den 5.000 Studierenden verlangten Fragen vollkommen vom Abstimmungszettel zu streichen. Die Folge wäre eine Urabstimmung gewesen, bei der es nicht zur Annahme des Tickets hätte kommen können- eine Abstimmung nach Geschmack des AStA-Klüngels, der ja gegen ein Semesterticket an der FU ist, wenn es denn nicht kostenlos ist oder von den Bonzen der Industrie bezahlt wird. Wir haben alle Hände voll zu tun, um den Willen der 5.000 Unterzeichner durchzusetzen und die Fragen doch wieder auf den Zettel zu bekommen. Als den Funktionären im AStA klar wird, daß notfalls der Präsident im Wege der Ersatzvornahme die Fragen auf den Zettel setzen wird, ändert man vier Tage vor Beginn der Abstimmung die Strategie: Man gibt die dreiste Lüge auf, die Unterschriften seien unwirksam, akzeptiert die Unterschriften und die Fragen als gültig, aber nebelt die echten Angebote zu 215 DM und 275 DM durch niedrigere, aber völlig fiktive Zahlen ein (180 DM, unter 200 DM). Zur Klarstellung: Niemand hat den Studierenden ein Semesterticket zu diesen Preisen angeboten. Niemand kann den Studierenden ein Semesterticket zu diesen Preisen versprechen. Der Trend geht seit 1992 in die entgegengesetze Richtung (vgl. DEFO-Info-Updates Nr. 38/1, 38/4). Garniert wird das Ganze mit Fragen, die die Urabstimmung vollends der Lächerlichkeit preisgeben (Nulltarif für alle sofort, "freiwilliges" Semesterticket).

Eine Frage zu einem Ticket "unter 200 DM" wird sogar noch vor die Fragen geschoben, die der Anlaß für die Urabstimmung sind - es ist zum Verrücktwerden. Die über 5.000 Studierenden haben mit ihren Unterschriften verlangt, über die aktuellen Angebote der Verkehrsanbieter zum Semesterticket abzustimmen (also zu 215 DM und 275 DM). Daß diese die Urabstimmung initiierenden Fragen natürlich als erste auf den Abstimmungszettel gehören, steht außer Frage, aber natürlich nirgends wörtlich in der Satzung der Studierendenschaft. Die Auslegung einer Abstimmungsvorschrift ist natürlich bei Leuten mit zweifelhaftem Demokratieverständnis schlecht aufgehoben: "Steht nichts da, haben wir recht!" Daher das Chaos auf dem Abstimmungsbogen. Von vielen Studierenden sind wir als Mitinitiienten der Urabstimmung später gefragt worden, ob wir denn von allen guten Geistern verlassen worden seien, derartige Fragen zur Urabstimmung zu stellen. Nun, wir nicht, aber wir hatten ja auch nicht die Mehrheit im Ausschuß.

Am 9.-12. Februar 1999 findet die Urabstimmung endlich statt. Gespannt darf man angesichts der Organisation in Eigenregie der Studentenschaft sein, denn diese hat schon die studentischen Wahlen vom Januar zum aufregenden Erlebnis werden lassen: Gebrochene Siegel, offene Urnen, Auszählung mit Kommentar ("Schon wieder `ne Stimme fürs Scheiß-DEFO!") und vieles mehr (Siehe die Seite zu den Wahlen). Die Organisation der Urabstimmung selbst läuft dagegen reibungslos, an dieser Stelle Dank an alle, die sich im Urabstimmungsausschuß dafür aufgeraucht haben (vom DEFO waren übrigens Rautgundis Uebel und Friedrich Hiller mit von der Partie).


Das Ergebnis der Urabstimmung

Trotz der wegen der AStA-Desinformation unvermeidlichen Verwirrung (das DEFO bemüht sich im uniweit verteilten DEFO-Info-Update Nr. 38/4 um Aufklärung, aber das erreicht nicht jeden) entscheiden sich 53,3 % der Abstimmenden für das Angebot zu 215 DM, 38,8 % stimmen dagegen (Rest Enthaltungen). Damit hat erstmals in Berlin ein Semesterticket-Angebot bei einer Urabstimmung eine Mehrheit gefunden.

Abstimmungsergebnis: 215 DM Abstimmungsergebnis 215 DM-Angebot

Die Berlin-Brandenburger Gesamtlösung fällt dagegen bei den Studierenden klar durch. Nur 22,1 % stimmen für das Angebot zu 275 DM, 64,2 % dagegen. Für die Zukunft dürfte damit klar sein, daß die Berliner Studierenden kein Ticket annehmen werden, welches eine Berlin-Brandenburger Quersubvention vorsieht. Freilich bedeutet dies, daß die Brandenburger Studierenden für Berlin werden draufzahlen müssen. Hier dokumentiert sich ein Stück weit das, was der AStA mit der "mangelnden sozialen Einstellung" der Studierenden meint. Mag sein, aber wir meinen dagegen, daß Berliner Studierende nicht gezwungen werden sollten, für etwas zu zahlen, das nur eine verschwindend geringe Minderheit wirklich nutzen will. Im übrigen ist davon Potsdam auszunehmen. Wegen der benachbarten Lage zu Berlin ist eine Einbeziehung Potsdams in die Berliner Lösung zwingend notwendig.

Abstimmungsergebnis: 275 DM Abstimmungsergebnis 275 DM-Angebot

Angesichts dieses klaren Votums für das vorliegende 215 DM-Angebot ist es um so ärgerlicher, daß es ein Ticket zu diesem Preis aufgrund dieser Urabstimmung nicht geben wird. Denn § 18a BerlHG sieht für die Urabstimmung zur Einführung eines Semestertickets nicht nur eine Mehrheit für ein Angebot vor, sondern auch ein Zustimmungsquorum von 10 % der Abstimmungsberechtigten. Im Klartext: Die Abstimmung ist nur dann bindend, wenn sich 10 % der Studierenden (oder mehr) für das jeweilige Angebot aussprechen. Hier liegt nun der Hase im Pfeffer. Bei 43.617 Abstimmungsberechtigten lag das Quorum bei 4.361 Ja-Stimmen. Tatsächlich gab es jedoch bei 5.021 abgegebenen Stimmen nur 2.670 Ja-Stimmen für das 215 DM-Angebot.

Erreichtes Quorum: 215 DM Erreichtes Quorum: 215 DM

Dieses Quorum hat angesichts der Tatsache, daß durch eine erfolgreiche Urabstimmung alle Studierenden verpflichtet würden, natürlich seine Berechtigung. Wir, die wir den Stein mit ins Rollen gebracht haben, haben uns natürlich unsere Gedanken gemacht, warum eine Urabstimmung zu einem Thema, das eines jeden Studis Geldbeutel betrifft, so wenig Resonanz erhält. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß es zum einen der Termin am Ende des Wintersemesters und zum anderen die mangelnde Information der Studierenden über die Urabstimmung war.


Diktatur ist die Herrschaft der Uniformierten, Demokratie die Herrschaft der Uninformierten

Nun könnte man wähnen, daß natürlich die initiierenden Oppositionsgruppen an beidem schuld seien. Aber weit gefehlt: Den Termin am Ende des Wintersemesters hat der AStA-Klüngel zu verantworten, schließlich haben wir unsere Unterschriften schon am 8. Januar 1999 eingereicht; die Obstruktionsversuche des AStA am Rande der Legalität (und dahinter) sind oben schon zur Darstellung gekommen. Zur Information der Studierenden: Wenn erst vier Tage vor der Urabstimmung (inkl. Wochenende) feststeht, daß die Angebote überhaupt abgestimmt werden, kann niemand auf der Welt mehr 43.000 Studierende informieren. Wir haben unser möglichstes getan. Hätte indes der AStA kooperiert und die Urabstimmung nicht ein ums andere Mal behindert, wäre das Quorum bestimmt zustandegekommen. Aber das war vom AStA nicht gewollt. Noch im Dezember wurde von den AStA-Leuten als Argument gegen eine Urabstimmung angeführt, diese koste zuviel. Dies deshalb, weil man es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne, eine Urabstimmung durchzuführen, ohne alle 40.000 Studierenden per Post anzuschreiben und zu informieren, damit sie die Gelegenheit zur Teilnahme haben. Jetzt, wo die Opposition eine Urabstimmung erzwungen hatte, konnte man plötzlich. Eine verräterische Entscheidung. Deutlich zeigt sich, wie sehr man im alten Kader-AStA Angst vor der Mehrheit und ihren Interesse hatte.

Freilich wird man sich dennoch auch fragen müssen, warum an der Urabstimmung gerade einmal vier (in Worten: vier!) Studierende mehr teilgenommen haben, als wir im Dezember Unterschriften gesammelt hatten. Vielleicht ist es nur Teil unserer kollektiven Illusion, daß sich überhaupt irgend jemand für die Belange der Studierenden interessiert, diese selbst erstaunlicherweise eingeschlossen. Oder es bewahrheitet sich schlicht die schon von der APO erkannte Weisheit, daß in der Demokratie Macht und Pressehoheit einander häufig bedingen. Wenn aber nun die Pressehoheit (AStA-Haushalt für Publikationen: 165.000 DM/Jahr!) bei jemandem liegt, der von Demokratie wenig hält und daher ihre Nachteile zu ihrer Sabotage ausnutzt, kommt raus, was hier rausgekommen ist: Ein manipuliertes Votum. Schöne neue und alte Welt. Der alte Kader-AStA hat hier ein Springer-gleiches Meisterstück an Dreistigkeit hingelegt und ist damit durchgekommen. Letzteres auch deshalb, weil es bisweilen auch im Präsidium dieser unserer Universität einen drastischen Mangel an Rückgrat zu beklagen gibt.


Ausblick: Wie gehts weiter?

Wie geht es nun weiter mit dem Semesterticket? Die größte Meinungsverschiedenheit zwischen den Studierenden - immer noch vertreten durch die Semtix-AG (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen AStA-Tarnliste) - und den Verkehrsanbietern liegt nach wie vor beim Preis. Das Semesterticket soll - soweit sind sich beide Seiten einig - "kostenneutral" sein. Die BVG soll an den Studierenden später nicht mehr verdienen als jetzt. Da aber nun nicht genau feststellbar ist, wie viele Studierenden die BVG und S-Bahn derzeit zu welchen Zeiten und zu welchen Konditionen (Einzelfahrschein, Azubiticket, etc.) nutzen, ist auch nicht genau klar, wieviel sie an den Studierenden derzeit verdienen. Sowohl die Semtix-AG als auch die Verkehrsanbieter haben hierzu gewisse Vorstellungen vorgelegt, die größtenteils auf Schätzungen und Vermutungen, aber zum Teil aber auch auf Erfahrungswerten beruhen.

Die Verhandlungen darum, welcher Preis nun die erwünschte Kostenneutralität bringt, sind festgefahren - einmal abgesehen davon, daß die BVG angesichts eines kostenneutralen Semestertickets bestimmt keine Freudentänze aufführen würde (Wo läge denn dann schließlich für sie der Reiz?). Aber die Sache ist noch ein Stück weit komplizierter, da sich die BVG und andere Verkehrsanbieter gerade zum Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg zusammenzuschließen versuchen. Da die Verteilung der Gelder innerhalb des im April startenden Verkehrsverbundes noch weitgehend ungeklärt ist, läuft auch hier noch einiges durcheinander. Unser Lieblingskind BVG (heißt ja bekanntlich Braucht Viel Geld) meint, ihr Finanzbedarf sei noch lange nicht gedeckt. Der Haushalt des Landes Berlin hat aber schon genug Löcher, so daß niemand die Absicht hat, den ÖPNV mehr als bisher zu subventionieren. Daher ist bei der BVG von regelmäßigen Tariferhöhungen von 8% pro Jahr ist die Rede. Bis zum Jahr 2015 sollen die Preise mehr als verdoppelt werden. Uwe Stindt, beim VBB verantwortlich für das Semesterticket und zeitweise Anker der studentischen Hoffnungen auf ein baldiges, billiges Semesterticket, macht viele schöne Versprechungen. Leider scheint er sich bei allen anderen, die irgendwie mit dem Ticket zu tun haben, in die Nesseln gesetzt zu haben - auf seine Äußerungen ist leider kein Verlaß.

Verschiedene Untersuchungen und Gutachten der Verkehrsanbieter und unabhängiger Wirtschaftsprüfer sind in der Pipeline und sollen irgendwann im Frühjahr Licht in den dunklen Zahlendschungel bringen (wir erinnern uns: Kostenneutralität). Leider läßt sich dazu sagen, daß das Gutachten, welches von Philipp Reuter (für den AStA-FU bei Semtix) überschwenglich angekündigt wurde und den Preis für ein Semesterticket deutlich nach unten korrigieren sollte, schlicht ausblieb - es erwies sich als eine Stindt'sche Luftnummer. Leider ist die im Zusammenhang mit der Urabstimmung bei der Semtix-AG aufgekommene Idee, mit den Initiatoren der Urabstimmung der FU zusammenzuarbeiten und die gemeinsame Kraft zur schnellen Erreichung des Ziels (Einführung eines Semestertickets) zu nutzen, gleich wieder von der alten Ideologiewalze überfahren worden, als es zu ernsthaften Problemen in der Verhandlung kam. Das läßt vermuten, daß die Hoffnungen des AStA, schon bald ein Semesterticket für Berlin und Brandenburg zum Preis von weniger als 200 DM angeboten zu bekommen, einen Dämpfer erhalten haben. Das aber kann man natürlich denen gegenüber, die sich tatkräftig für die Einführung eines auf realistischen Preisen basierenden Semestertickets schon im nächsten Semester eingesetzt haben und einsetzen, nicht gut zugeben.

Die Tatsache, daß die Preisforderungen der Verkehrsbetriebe von Angebot zu Angebot immer nur steigen, müssen skeptisch stimmen. Klar ist jedenfalls, daß es bis zum Mai jedenfalls kein neues Angebot geben wird. Zwar beschloß das StuPa im Dezember, die dann vorliegenden Angebote Ende April 1999 zur Urabstimmung zu stellen, jedoch dürfte dieser Beschluß sicherlich zurückgenommen werden - zumal es sich dabei um ein bloßes Feigenblatt angesichts der von der Opposition für Januar geforderten und schließlich auch Anfang Februar durchgeführten Urabstimmung gehandelt haben dürfte. Nach Ansicht aller Berliner ASten ist der Preis der bisherigen Angebote viel zu hoch. Außerdem würden die Studierenden, die im Bereich der Tarifzone C wohnen, deutlich benachteiligt. Über derartig "unsoziale" Angebote will man (trotz der deutlichen Mehrheit bei der Urabstimmung) nicht nachdenken und so wird es wohl auch dieses Ticket nicht geben.

Ein Alleingang der FU kommt erst recht nicht in Frage, weil man befürchtet, daß dies den Preis in die Höhe treiben könnte. Die ASten von HU und TU (und der anderen zahlreichen Hochschulen) denken daher nicht einmal im Traum daran, diese Angebote in ihrem Bereich zur Abstimmung zu stellen. Inzwischen haben jedoch auch die studentischen Verhandlungsführer die Hoffnungslosigkeit der Situation erkannt und sind in eine gewisse Lethargie verfallen. Zur Zeit versucht man unter Berufung auf die "Frankfurt-Oder-Lösung" (einen Semesterticket-Alleingang der Viadrina, d.h. ein Semesterticket für den Bereich Frankfurt/Oder, welches auf der alten VBB-Kalkulation beruht und für die deutschen Studenten 149,00 DM und für die polnischen 99,00 DM kosten könnte) das alte VBB-Angebot vom Herbst (227,50 für den Berlin und Brandenburg) zu reanimieren. Problematisch dabei ist, daß dieses an der TU und Hochschule für Musik Hanns Eisler im November 1998 eine Abfuhr erfahren hat. Zudem hat"unsere" FU-Urabstimmung eines deutlich gemacht: Die Berliner wollen keine teure Verbundlösung mit Brandenburg, sondern ein preiswertes Ticket für Berlin. Wie ernst die Situation wirklich ist, ist nun offenbart: Semtix und die Berliner ASten klammern sich nun an Strohhalme, die sie im Herbst noch brüsk von sich gewiesen haben.

Die Verlierer dieser sechsjährigen Posse sind all jene Studierenden, die Semester für Semester der BVG viel Geld in den Rachen werfen, weil die für sie zuständige Studierendenvertretung (der AStA-FU) noch der zu Mauerzeiten angesagten Subventionskultur hinterher trauert. Für die kommenden Semester ist Besserung wenig wahrscheinlich. Letzter Hoffnungsschimmer: Im Wahlkampf zu den im Herbst anstehenden Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus könnte sich ja vielleicht doch noch die Politprominenz auf Stimmensuche des Tickets annehmen. Angesichts zurückhaltender Äußerungen der Kandidaten (immerhin: Grüne und PDS haben derartige Tendenzen angedeutet, was wir von den anderen nicht behaupten können...)ist auch diese Hoffnung jedoch eher vage. Aber vielleicht ist hier noch etwas drin, wenn der Wahlkampf richtig in Gang kommt und der Sparwillen den Spendierhosen Platz macht, weil es wirklich um die Wurst geht. In diesem Sinne: "Zu Risiken und Nebenwirkungen fressen Sie die Wahlprogramme der Parteien oder schlagen Sie Ihren Wahlkreisabgeordneten."

Trotzdem viel Spaß und Gute Fahrt wünschen Euch Bernhard Dietrich und René Richardt

(erschienen im DEFO-Info Nr. 39 vom SS 1999)



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